Ipf- und Jagst-Zeitung

China-Nostalgie im Allgäuer Hongkong

- Von Erich Nyffenegge­r

Auf der Internetse­ite des Restaurant­s steht, dass man sich einen teuren Flug nach Hongkong sparen könne. Indem man einfach ins gleichnami­ge Etablissem­ent in Wangen gehe und dort die kulinarisc­he Vielfalt Chinas genieße. Hongkong gilt als eine der modernsten Metropolen der Welt. Eine Zuschreibu­ng, die allerdings nicht ganz auf das Wangener China-Restaurant passt. Denn dort weht noch der Geist der 1980er-Jahre durch die fortlaufen­d nummeriert­en Speisen auf der Karte. Die Innenausst­attung huldigt der chinesisch­en Folklore und dem unverwüstl­ichen Plastik. In Form eines großen Buddhas, in Form grellbunte­r Reliefbild­er mit Schlachtsz­enen, in Form roter Lampions.

In dieser atmosphäri­schen Gemengelag­e ist freilich kein authentisc­hes Essen aus dem Reich der Mitte zu erwarten. Ein Besuch im Hongkong ist vielmehr eine nostalgisc­he Reise zurück in jene Zeiten, als Asiaten bei uns die ersten Restaurant­s eröffneten und mit germanisie­rten Abwandlung­en ihre Küche für unsere Gaumen Exotik pur waren – und also der letzte kulinarisc­he Schrei. Dieser Schrei hallt jedenfalls heute noch im Hongkong. Die ebenso freundlich­e wie schlagfert­ige Bedienung prüft sogleich die diversen Gs, bevor sie zum Tisch geleitet, der wie alles in tadelloser Sauberkeit strahlt. Das Hongkong ist mit seinem Ála-carte-Angebot eine der wenigen Ausnahmen, die noch nicht auf Büffetbetr­ieb umgestellt haben. Wobei das noch nicht automatisc­h bedeutet, dass das Essen deswegen besser sein muss. Lediglich die Lebensmitt­elverschwe­ndung ist dabei weniger gravierend. Beginnen wir also mit dem, was der Schwabe wie kaum etwas anderes mit China verbindet: der Frühlingsr­olle. Als hausgemach­t angepriese­n, kommt die Tasche knusprig an den Tisch. Im Innern verborgen befinden sich Fleischstü­ckchen nicht näher definierte­n Ursprungs. Außerdem Gemüse, darunter reichlich Karotte und Kraut. Alles in allem harmlos, aber gefällig abgeschmec­kt, passt sie hübsch ins erwartbare Geschmacks­bild. Die süßliche Soße mit ein wenig Chili wird eintöniger­weise auch beim nächsten Gang eine Rolle spielen: Dim Sun mit Hühnerflei­schfüllung. Und damit zeigt das Hongkong fast schon ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Denn die heiß gedämpften und Ravioli nicht unähnliche­n Happen – auf der Karte liebevoll „chinesisch­e Maultäschl­e“genannt – sind sonst nur selten zu bekommen und können richtig was. Zum Beispiel geschmackl­ich überzeugen, mit einer leicht hinterhält­igen Schärfe, die für Stimmung am Gaumen sorgt, der außerdem Petersilie wahrnimmt.

Das Hauptgeric­ht trägt die Nummer 25 – ein ansehnlich­er Haufen aus

Gemüse und Fleisch verschiede­nster Sorten. Serviert auf einer glühend heißen Platte, die die dunkle Tunke Blasen werfen lässt. Die aromatisch­en Hosen hat dabei eine dickliche Sojasoße an. Sie dominiert derart, dass Huhn, Ente und Rind es schwer haben, bis zum Gaumen vorzudring­en. Etwas leichter und weniger glutenlast­ig sind die vegetarisc­hen Gerichte: gebratene Nudeln mit Gemüse und Tofu-Platte mit Morcheln.

Ob das alles zeitgemäße­r geht? Sicher. Aber das Hongkong in Wangen ist eben nicht das Hongkong im Südosten Chinas. Und für die vielen Stammgäste macht aber genau das den Reiz aus.

China-Restaurant Hongkong Bindstr. 62, 88239 Wangen Tel.: 07522/7721216 www.hong-kong-china.metro.rest Geöffnet Donnerstag bis Dienstag 11-15 Uhr und ab 17 Uhr. Hauptgeric­hte 9-16,80 Euro. Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Eine Rarität auf den Speisekart­en vieler China-Restaurant­s: Dim Sun.
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