China-Nostalgie im Allgäuer Hongkong
Auf der Internetseite des Restaurants steht, dass man sich einen teuren Flug nach Hongkong sparen könne. Indem man einfach ins gleichnamige Etablissement in Wangen gehe und dort die kulinarische Vielfalt Chinas genieße. Hongkong gilt als eine der modernsten Metropolen der Welt. Eine Zuschreibung, die allerdings nicht ganz auf das Wangener China-Restaurant passt. Denn dort weht noch der Geist der 1980er-Jahre durch die fortlaufend nummerierten Speisen auf der Karte. Die Innenausstattung huldigt der chinesischen Folklore und dem unverwüstlichen Plastik. In Form eines großen Buddhas, in Form grellbunter Reliefbilder mit Schlachtszenen, in Form roter Lampions.
In dieser atmosphärischen Gemengelage ist freilich kein authentisches Essen aus dem Reich der Mitte zu erwarten. Ein Besuch im Hongkong ist vielmehr eine nostalgische Reise zurück in jene Zeiten, als Asiaten bei uns die ersten Restaurants eröffneten und mit germanisierten Abwandlungen ihre Küche für unsere Gaumen Exotik pur waren – und also der letzte kulinarische Schrei. Dieser Schrei hallt jedenfalls heute noch im Hongkong. Die ebenso freundliche wie schlagfertige Bedienung prüft sogleich die diversen Gs, bevor sie zum Tisch geleitet, der wie alles in tadelloser Sauberkeit strahlt. Das Hongkong ist mit seinem Ála-carte-Angebot eine der wenigen Ausnahmen, die noch nicht auf Büffetbetrieb umgestellt haben. Wobei das noch nicht automatisch bedeutet, dass das Essen deswegen besser sein muss. Lediglich die Lebensmittelverschwendung ist dabei weniger gravierend. Beginnen wir also mit dem, was der Schwabe wie kaum etwas anderes mit China verbindet: der Frühlingsrolle. Als hausgemacht angepriesen, kommt die Tasche knusprig an den Tisch. Im Innern verborgen befinden sich Fleischstückchen nicht näher definierten Ursprungs. Außerdem Gemüse, darunter reichlich Karotte und Kraut. Alles in allem harmlos, aber gefällig abgeschmeckt, passt sie hübsch ins erwartbare Geschmacksbild. Die süßliche Soße mit ein wenig Chili wird eintönigerweise auch beim nächsten Gang eine Rolle spielen: Dim Sun mit Hühnerfleischfüllung. Und damit zeigt das Hongkong fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Denn die heiß gedämpften und Ravioli nicht unähnlichen Happen – auf der Karte liebevoll „chinesische Maultäschle“genannt – sind sonst nur selten zu bekommen und können richtig was. Zum Beispiel geschmacklich überzeugen, mit einer leicht hinterhältigen Schärfe, die für Stimmung am Gaumen sorgt, der außerdem Petersilie wahrnimmt.
Das Hauptgericht trägt die Nummer 25 – ein ansehnlicher Haufen aus
Gemüse und Fleisch verschiedenster Sorten. Serviert auf einer glühend heißen Platte, die die dunkle Tunke Blasen werfen lässt. Die aromatischen Hosen hat dabei eine dickliche Sojasoße an. Sie dominiert derart, dass Huhn, Ente und Rind es schwer haben, bis zum Gaumen vorzudringen. Etwas leichter und weniger glutenlastig sind die vegetarischen Gerichte: gebratene Nudeln mit Gemüse und Tofu-Platte mit Morcheln.
Ob das alles zeitgemäßer geht? Sicher. Aber das Hongkong in Wangen ist eben nicht das Hongkong im Südosten Chinas. Und für die vielen Stammgäste macht aber genau das den Reiz aus.
China-Restaurant Hongkong Bindstr. 62, 88239 Wangen Tel.: 07522/7721216 www.hong-kong-china.metro.rest Geöffnet Donnerstag bis Dienstag 11-15 Uhr und ab 17 Uhr. Hauptgerichte 9-16,80 Euro. Weitere „Aufgegabelt“-Folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt