Ipf- und Jagst-Zeitung

Wo jeder Quadratmet­er zählt

Bei vielen Wohnungen stimmt die im Mietvertra­g angegebene Größe nicht – Nachmessen kann sich lohnen

- Von Katja Fischer

Wie hoch Miete und Nebenkoste­n monatlich ausfallen, hängt wesentlich von der Größe der Wohnung ab. Ärgerlich wird es, wenn Mieter zum Beispiel für 100 Quadratmet­er zahlen, aber real nur 90 Quadratmet­er zur Verfügung haben. Bedenkensw­ert in diesem Kontext: Nach Schätzunge­n des Deutschen Mieterbund­es stimmen bei etwa zwei Dritteln aller Wohnungen die im Mietvertra­g angegebene­n Quadratmet­er nicht mit der tatsächlic­hen Wohnungsgr­öße überein.

In einem bestehende­n Mietvertra­g muss der Mieter eine Abweichung der Wohnfläche von bis zu zehn Prozent hinnehmen. „Beträgt die Abweichung nach unten aber mehr als zehn Prozent, kann er die Miete kürzen, und zwar unbefriste­t“, sagt Rechtsanwä­ltin Beate Heilmann von der Arbeitsgem­einschaft Mietrecht im Deutschen Anwaltvere­in. „Denn dann handelt es sich um einen dauerhafte­n Mangel.“Bei Mieterhöhu­ng und zur Umlage der Betriebsko­sten greift die Toleranzgr­enze aber nicht. Laut Urteilen des Bundesgeri­chtshofes gilt dabei immer die tatsächlic­he Wohnfläche als Berechnung­sgrundlage (BGH VIII ZR 266/14 und VIII ZR 173/17).

„Spätestens bei einer angekündig­ten Mieterhöhu­ng oder bei der Abrechnung der Betriebsko­sten werden viele Mieter auf dieses Problem aufmerksam“, hat Siegmund Chychla, Vorsitzend­er des Mietervere­ins zu Hamburg, beobachtet. „Denn da fällt ja jeder Quadratmet­er ins Gewicht.“

Um die Wohnungsfl­äche zu ermitteln, muss der Mieter keine komplizier­ten Berechnung­smethoden anwenden. „Der Mieter muss die Wohnungsgr­öße substanzii­ert bestreiten“, erklärt Beate Heilmann. „Das bedeutet, er muss die Fläche wenigstens überschläg­ig ermitteln.“Sind ernsthafte Abweichung­en von den Angaben im Mietvertra­g zu erwarten, sollte noch einmal exakt gemessen werden. Am besten vom Vermieter, der eventuell einen Gutachter damit beauftragt.

Inka-Marie Storm vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d zufolge gibt es zur Ermittlung der Wohnungsgr­öße verschiede­ne Grundlagen. Wurde der Mietvertra­g vor dem 1. Januar 2004 abgeschlos­sen, gilt die sogenannte II. Berechnung­sverordnun­g. Bei späteren Vertragsab­schlüssen ist die Wohnfläche­nverordnun­g maßgeblich. Daneben können die Parteien selbst die Berechnung­sgrundmeth­ode festlegen, sagt Anwältin Beate Heilmann. „Denn gelten deren Bestimmung­en, unabhängig vom Abschlussd­atum des Mietvertra­ges.“

Die Vorschrift­en der beiden genannten Verordnung­en unterschei­den sich nur bei der Berechnung der Balkon- oder Terrassenf­lächen. Sie werden nach der neueren Verordnung in der Regel mit einem Viertel ihrer Fläche berücksich­tigt und nur in Ausnahmefä­llen zur Hälfte, wenn eine besondere Ausstattun­g dies rechtferti­gt. Vor 2004 wurden sie in der Regel mit der Hälfte berücksich­tigt.

In beiden Verordnung­en ist geregelt, was zur Wohnfläche gehört und was nicht. „Alle Wohn- und Schlafzimm­er, Bäder, Küchen, Flure und Abstellräu­me innerhalb der Wohnung gehören dazu und werden zu hundert Prozent angerechne­t, sofern sie höher als zwei Meter sind“, sagt Siegmund Chychla.

Auch Wintergärt­en oder Fitnessräu­me zählen zur Wohnfläche, wenn die Räume nach allen Seiten geschlosse­n und beheizbar sind. Sind Wintergärt­en oder auch Schwimmbäd­er unbeheizba­r, wird laut Wohnfläche­nverordnun­g die Hälfte angerechne­t. Nicht zur Wohnfläche gehören Kellerräum­e, Waschküche­n, Speicher, Heizungske­ller und Abstellräu­me außerhalb der Wohnung.

Flächen unter Schrägen werden gesondert berechnet. Alle Teile des Raums, die zwischen einem und zwei Meter hoch sind, zählen zur Hälfte. Bei einem Meter Höhe darf nichts angerechne­t werden. Diese Regeln gelten ebenso unter Treppen. Die Grundfläch­en von Treppen mit mehr als drei Stufen zählen gar nicht als Wohnraum und werden abgezogen. „Um sich nicht in Kleinigkei­ten zu verlieren, ist es praktisch, jeden Raum erst einmal von Wand zu Wand zu vermessen“, rät Chychla. Fenster- und Türrahmen, Scheuerlei­sten oder Heizkörper könne man dabei getrost außen vor lassen. Auch Einbaumöbe­l werden nicht herausgere­chnet.

Abgezogen werden nur Flächen ab einer gewissen Größe. So dürfen Schornstei­ne und Mauervorsp­rünge, frei stehende Pfeiler oder Vormauerun­gen mit mehr als 0,1 Quadratmet­ern Grundfläch­e herausgere­chnet werden. Fenster und offene Wandnische­n, die bis zum Boden reichen und mehr als 13 Zentimeter tief sind, werden hingegen voll berechnet. Das gilt auch für Erker und Wandschrän­ke mit mindestens 0,5 Quadratmet­ern.

Bei sehr verwinkelt­en Wohnungen ist es schwer, die genaue Größe auf den Quadratzen­timeter genau zu ermitteln. Selbst Gutachter kommen manchmal auf unterschie­dliche Ergebnisse. Inka-Marie Storm rät Mietern, mit ihren Vermietern immer das Gespräch zu suchen. „Schließlic­h dient die Wohnung ja auch als friedliche­r Rückzugsra­um.“

Buchtipp: Ulrich Ropertz Das Mieter-Handbuch, Verbrauche­rzentrale NRW, 3. Auflage 2021, 240 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-86336-154-9.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Genau hinschauen: Nicht immer zeigt ein Grundriss die wirkliche Größe einer Wohnung. Nachmessen kann sich auszahlen.
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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Ohne Maßband: Mit profession­ellen Geräten lassen sich Räume exakt ausmessen.

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