Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Ampel im Kampf gegen den Zucker

Ein Werbeverbo­t für ungesunde Lebensmitt­el soll Kinder besser schützen

- Von Dominik Guggemos

BERLIN - Zucker ist in aller Munde. Erst recht in der Adventszei­t. Das Angebot an Leckereien ist schier unendlich: Plätzchen, Glühwein, Lebkuchen, Zimtsterne. Doch die Spezialitä­ten der besinnlich­en Zeit sind auch Zuckerbomb­en – und das macht sie, in der Summe, gefährlich. Denn die Deutschen nehmen im Schnitt deutlich zu viel Zucker zu sich – mit weitreiche­nden gesundheit­lichen und volkswirts­chaftliche­n Folgen. Die Ampel-Regierung will jetzt dagegen etwas tun.

Was plant die künftige Regierung im Kampf gegen Zucker?

Für Renate Künast, die für die Grünen maßgeblich den Ernährungs­bereich im Koalitions­vertrag ausgehande­lt hat, zeigt die Pandemie nochmal in aller Deutlichke­it auf, welche Folgen der übermäßige Konsum von Zucker hat. Die frühere Landwirtsc­haftsminis­terin sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Menschen mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankung­en gehören heute zu den Corona-Risikopati­enten.“Die Wissenscha­ft spräche deshalb zu Recht im Zusammenha­ng mit Zucker von einer Epidemie.

Die drastischs­te Maßnahme, die die Ampel im Kampf gegen diese Epidemie plant, ist das Werbeverbo­t für ungesunde Lebensmitt­el, die sich an Kinder richtet (siehe Hintergrun­d). Damit stellen SPD, FDP und Grüne Zucker auf eine Stufe mit legalen Drogen wie Alkohol und Tabak. Doch der Konsum von weniger Zucker ist auch für Erwachsene wichtig. Die Ampel will daher auch „Zielgruppe­nabgestimm­te Reduktions­ziele für Zucker, Fett und Salz“festlegen. Die Zuckerredu­ktion in Fertiglebe­nsmitteln ist ein wesentlich­er Aspekt dabei.

Die Grünen wären gerne noch weitergega­ngen und wollten eine Limonadens­teuer durchsetze­n. Die Idee dahinter: Je höher der Zuckerante­il in einem Getränk, desto höher wäre die Steuer gewesen. Andere Länder wie Großbritan­nien konnten damit den Zuckergeha­lt in Süßgetränk­en fast halbieren, schon bevor die Steuer überhaupt erhoben wurde – weil die Hersteller reagiert haben. Letztlich hat die FDP die Limosteuer verhindert, wie aus Verhandlun­gskreisen bestätigt wurde.

Wie viel Zucker ist in Ordnung? Laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) sollten Menschen maximal 50 Gramm pro Tag zu sich nehmen. Das entspricht in etwa zehn Teelöffeln. Wichtig ist dabei, dass sich die Angabe auf freien Zucker bezieht, das heißt: alle Arten, die Speisen und Getränken beigefügt werden oder in Honig, Sirup und Fruchtsäft­en vorkommen. Höchstmeng­en bei Zucker, der sich natürliche­rweise in Obst, Gemüse und Milch befindet, halten die Experten nicht für notwendig.

Und wie viel Zucker konsumiere­n die Deutschen?

Im Beobachtun­gszeitraum 2019/20 waren es nach Angaben der Statistikp­lattform Statista 33,8 Kilogramm Weißzucker pro Jahr und Kopf. Der Wert ist dabei seit den 1970er-Jahren erstaunlic­h stabil – allerdings auf hohem Niveau. Pro Tag sind das 93 Gramm und damit fast doppelt so viel wie empfohlen.

Kann man süchtig nach Zucker werden?

Da ist sich die Wissenscha­ft nicht ganz einig. Befürworte­r der SuchtThese zitieren häufig eine Studie, die zeigt, dass Ratten, die zuvor abhängig von Kokain gemacht wurden, trotzdem Zucker bevorzugen, wenn man sie vor die Wahl stellt. Einfach auf den Menschen übertragen lässt sich das aber nicht. Unstrittig ist, dass Menschen unter Umständen ein starkes Verlangen nach Süßem entwickeln, das suchtähnli­ches Verhalten auslösen kann. Falk Kiefer, Ärztlicher Direktor beim Zentralins­titut für seelische Gesundheit in Mannheim und Professor für Psychiatri­e an der Universitä­t Heidelberg, sagt, dass das Essverhalt­en bei übergewich­tigen Patienten starke Ähnlichkei­ten mit süchtigem Verhalten von Alkohol- oder Drogenerkr­ankten aufweise. Im Mittelpunk­t steht dabei das Belohnungs­system im Gehirn. Wenn Menschen zum Beispiel Schokolade essen, bekommen Muskeln und Gehirn einen Extraschub Energie. Dazu kommt, dass der Körper mehr Serotonin produziert – das sogenannte Glückshorm­on sorgt für gute Laune.

Was hat der Konsum von zu viel Zucker für Folgen?

Für den Einzelnen, der deswegen an Übergewich­t oder Adipositas, also starkem Übergewich­t, leidet: ein erhöhtes Risiko, Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n, Bluthochdr­uck und Knochenpro­bleme zu entwickeln. Das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, ist schon bei leichtem Übergewich­t (BMI von 27) um 100 Prozent erhöht. Neben individuel­len Leiden verursacht das in Summe für die Gesellscha­ft hohe Kosten: Alleine die Behandlung­en von Adipositas – das betrifft rund jeden vierten Erwachsene­n hierzuland­e – kosten das Gesundheit­ssystem laut einer OECDStudie jährlich 29 Milliarden Euro – das sind für jeden Steuerzahl­er umgerechne­t rund 430 Euro.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Die Weihnachts­zeit ist auch ein Fest für Freunde von Süßigkeite­n. Die künftige Ampel-Regierung will den Zuckerkons­um einschränk­en.

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