Die Ampel im Kampf gegen den Zucker
Ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel soll Kinder besser schützen
BERLIN - Zucker ist in aller Munde. Erst recht in der Adventszeit. Das Angebot an Leckereien ist schier unendlich: Plätzchen, Glühwein, Lebkuchen, Zimtsterne. Doch die Spezialitäten der besinnlichen Zeit sind auch Zuckerbomben – und das macht sie, in der Summe, gefährlich. Denn die Deutschen nehmen im Schnitt deutlich zu viel Zucker zu sich – mit weitreichenden gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgen. Die Ampel-Regierung will jetzt dagegen etwas tun.
Was plant die künftige Regierung im Kampf gegen Zucker?
Für Renate Künast, die für die Grünen maßgeblich den Ernährungsbereich im Koalitionsvertrag ausgehandelt hat, zeigt die Pandemie nochmal in aller Deutlichkeit auf, welche Folgen der übermäßige Konsum von Zucker hat. Die frühere Landwirtschaftsministerin sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Menschen mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören heute zu den Corona-Risikopatienten.“Die Wissenschaft spräche deshalb zu Recht im Zusammenhang mit Zucker von einer Epidemie.
Die drastischste Maßnahme, die die Ampel im Kampf gegen diese Epidemie plant, ist das Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet (siehe Hintergrund). Damit stellen SPD, FDP und Grüne Zucker auf eine Stufe mit legalen Drogen wie Alkohol und Tabak. Doch der Konsum von weniger Zucker ist auch für Erwachsene wichtig. Die Ampel will daher auch „Zielgruppenabgestimmte Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz“festlegen. Die Zuckerreduktion in Fertiglebensmitteln ist ein wesentlicher Aspekt dabei.
Die Grünen wären gerne noch weitergegangen und wollten eine Limonadensteuer durchsetzen. Die Idee dahinter: Je höher der Zuckeranteil in einem Getränk, desto höher wäre die Steuer gewesen. Andere Länder wie Großbritannien konnten damit den Zuckergehalt in Süßgetränken fast halbieren, schon bevor die Steuer überhaupt erhoben wurde – weil die Hersteller reagiert haben. Letztlich hat die FDP die Limosteuer verhindert, wie aus Verhandlungskreisen bestätigt wurde.
Wie viel Zucker ist in Ordnung? Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten Menschen maximal 50 Gramm pro Tag zu sich nehmen. Das entspricht in etwa zehn Teelöffeln. Wichtig ist dabei, dass sich die Angabe auf freien Zucker bezieht, das heißt: alle Arten, die Speisen und Getränken beigefügt werden oder in Honig, Sirup und Fruchtsäften vorkommen. Höchstmengen bei Zucker, der sich natürlicherweise in Obst, Gemüse und Milch befindet, halten die Experten nicht für notwendig.
Und wie viel Zucker konsumieren die Deutschen?
Im Beobachtungszeitraum 2019/20 waren es nach Angaben der Statistikplattform Statista 33,8 Kilogramm Weißzucker pro Jahr und Kopf. Der Wert ist dabei seit den 1970er-Jahren erstaunlich stabil – allerdings auf hohem Niveau. Pro Tag sind das 93 Gramm und damit fast doppelt so viel wie empfohlen.
Kann man süchtig nach Zucker werden?
Da ist sich die Wissenschaft nicht ganz einig. Befürworter der SuchtThese zitieren häufig eine Studie, die zeigt, dass Ratten, die zuvor abhängig von Kokain gemacht wurden, trotzdem Zucker bevorzugen, wenn man sie vor die Wahl stellt. Einfach auf den Menschen übertragen lässt sich das aber nicht. Unstrittig ist, dass Menschen unter Umständen ein starkes Verlangen nach Süßem entwickeln, das suchtähnliches Verhalten auslösen kann. Falk Kiefer, Ärztlicher Direktor beim Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim und Professor für Psychiatrie an der Universität Heidelberg, sagt, dass das Essverhalten bei übergewichtigen Patienten starke Ähnlichkeiten mit süchtigem Verhalten von Alkohol- oder Drogenerkrankten aufweise. Im Mittelpunkt steht dabei das Belohnungssystem im Gehirn. Wenn Menschen zum Beispiel Schokolade essen, bekommen Muskeln und Gehirn einen Extraschub Energie. Dazu kommt, dass der Körper mehr Serotonin produziert – das sogenannte Glückshormon sorgt für gute Laune.
Was hat der Konsum von zu viel Zucker für Folgen?
Für den Einzelnen, der deswegen an Übergewicht oder Adipositas, also starkem Übergewicht, leidet: ein erhöhtes Risiko, Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Knochenprobleme zu entwickeln. Das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, ist schon bei leichtem Übergewicht (BMI von 27) um 100 Prozent erhöht. Neben individuellen Leiden verursacht das in Summe für die Gesellschaft hohe Kosten: Alleine die Behandlungen von Adipositas – das betrifft rund jeden vierten Erwachsenen hierzulande – kosten das Gesundheitssystem laut einer OECDStudie jährlich 29 Milliarden Euro – das sind für jeden Steuerzahler umgerechnet rund 430 Euro.