SPD und FDP läuten die Woche des Wechsels ein
Sozialdemokraten und Liberale billigen mit hoher Zustimmung Ampel-Vertrag – Kanzlerwahl am Mittwoch
BERLIN - Nachdem am Samstag bereits die Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben, zogen die Liberalen am zweiten Adventssonntag nach. Nun steht nur noch das Votum der Grünen aus. Daran, dass es am Mittwoch zu Kanzlerwahl und Regierungsbildung kommt, bezweifelt aber niemand.
Der künftige Bundesminister und Noch-Generalsekretär der FDP, Volker Wissing, brachte es nach der erfolgreichen Abstimmung – 92,2 Prozent stimmten mit Ja – auf den Punkt: „Jetzt kommt eine neue Zeit für die freien Liberalen.“Dass dies nicht selbstverständlich ist, machte Parteichef Christian Lindner in seiner mehr als einstündigen Parteitagsrede deutlich. Er warb für den Koalitionsvertrag und schaffte gleichzeitig verbal den Schwenk von der Oppositionszur Regierungspartei. In Sachen Corona hörte sich das so ein: „Freiheit ist mit Verantwortung für andere verbunden.“77 Prozent der FDP-Anhänger wollen eine allgemeine Impfpflicht, auch das habe Lindner „nachdenklich gemacht“.
Dann trat Lindner hinter dem Rednerpult hervor, beendete damit das Pandemiethema und sprach über die Ampel. Ja, natürliche Bündnispartner
wären CDU und CSU gewesen. Aber die Liberalen hätten bei den Gesprächen nach der Bundestagswahl erkannt, dass die Union „ihre Mitte verloren“habe. Dagegen habe die Diskretion bei den Verhandlungen mit Grünen und SPD gezeigt, was da möglich ist. „Für mich ein Versprechen einer neuen politischen Kultur.“
Beim Koalitionsvertrag hätten sich die beteiligten Parteien „ergänzt“und nicht einander „eingeschränkt“.
Trotzdem seien mehr „liberale Positionen enthalten“als es bei einem Jamaika-Bündnis (Union, Grüne, FDP) möglich gewesen wäre – und auch mehr als bei der dann gescheiterten Jamaika-Koalition vor vier Jahren. Die Tatsache, dass es heftige Kritik von der Linkspartei und von den Unionsparteien gibt, zeige: „Das ist ein Koalitionsvertrag der Mitte“, sagte Lindner.
Die SPD-Delegierten hatten bereits am Vortag gezeigt, wie groß ihre
Begeisterung für die künftige Ampel-Koalition ist. Fast 100 Prozent (98,8) der Sozialdemokraten stimmten auf den digitalen Endgeräten, die für das Voting genutzt wurden, mit Ja zum Koalitionsvertrag. Das Abstimmungsergebnis brachte die ohnehin große Begeisterung des hybriden Parteitages auf einen endgültigen Höhepunkt.
Zuvor hatte Noch-Parteichef Norbert Walter-Borjans, der mit dem SPD-Wahlsieg seine Mission als erfüllt ansieht, daran erinnert, dass die SPD durch schwere Zeiten gegangen sei und nicht bei den Erfolgen stehenbleiben dürfe. „Die Partei muss immer wieder boostern“, gab er seinen Parteifreunden mit auf den Weg. Seine Co-Vorsitzende, Saskia Esken, sprach von einem neuen „Kapitel in der Geschichte der Sozialdemokratie“und davon, dass der Schlüssel für den Wahlsieg die Einigkeit war. „Wir wollen so regieren, dass wir wiedergewählt werden“, sagte Parteichefin Esken.
Olaf Scholz, der am Mittwoch Bundeskanzler werden soll, sprach davon, dass es schon richtig sei, dass man „Fortschritt wagen“müsse. Der Fortschritt komme nicht von allein. „Er wird von Menschen gemacht, der ereignet sich nicht einfach. Aber das Wagnis ist erforderlich.“