Wirtschaft
BERLIN - Wie mit Ländern wie China und Russland umgehen? Diese Frage beschäftigt natürlich auch die künftigen Ampel-Koalitionäre. Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger ist mit dem Kurs, auf den sich die neue Regierung verständigt hat, recht zufrieden. Gute Zusammenarbeit werde es weiterhin geben, „aber dann müssen internationale Regeln und Werte eingehalten werden, auf die wir uns alle selbst verpflichtet haben“, sagt die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ravensburg.
Frau Brugger, wie viel Brugger steckt im Koalitionsvertrag in den Kapiteln zur Außen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das wir gemeinsam mit SPD und FDP in intensiven Gesprächen verhandelt haben. Die Themen, die mir besonders am Herzen lagen, waren unter anderem eine strengere und restriktive Rüstungsexportpolitik mit einem nationalen Rüstungsexportgesetz, eine feministische Außenpolitik, eine klare Haltung in der Frage der Menschenrechte und ein starker Einsatz für den Klimaschutz und die globale Gerechtigkeit. Diese Punkte wurden alle aufgenommen.
Vom früheren Außenminister Sigmar Gabriel stammt die Aussage, dass Europa der letzte Vegetarier in einer Welt von Fleischfressern sei. Macht sich Deutschland mit dem neuen Ansatz einer „wertebasierten Außenpolitik“nun zum Veganer in der Welt der Fleischfresser? Überhaupt nicht. Es wird oft ein künstlicher Gegensatz zwischen Werten und Interessen konstruiert. Natürlich ist es ein wichtiges Interesse Deutschlands, mit anderen Staaten, die unsere Wertevorstellung teilen, zusammenzuarbeiten, um globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Kein Land kann die Klimakrise oder die Corona-Pandemie allein bewältigen. Wir brauchen eine regelbasierte, multilaterale Ordnung. Das ist auch der Kurs von US-Präsident Joe Biden, die er mit der Allianz der Demokratien verfolgt. In einer immer unfriedlicheren Welt müssen diejenigen zusammenhalten, die sich an Werte und Multilateralismus gebunden fühlen, damit sie nicht zerrieben werden von den Regelbrechern. Sonst wäre all das, was wir in den vergangenen Jahrzehnten mühsam aufgebaut haben, in Gefahr. Eine Politik der Werte ist auch eine Politik der Stärke.
Hat die bisherige Außenpolitik nicht auf Werten beruht? Was ist neu an Ihrem Ansatz?
Neu ist beispielsweise das Bekenntnis zu einer feministischen Außenpolitik und eine eindeutige Haltung gegenüber Staaten wie Russland und China. Wir haben einen sehr wachsamen Blick darauf, wenn Menschenrechte verletzt werden oder außenpolitische Aggressionen stattfinden. Da dürfen wir uns nicht bequem wegducken. In solchen Fällen werden wir selbstbewusst und gemeinsam mit unseren Partnern auf der internationalen Bühne einen Kurs von Dialog und Härte fahren. Aber davon abgesehen steckt natürlich auch viel Kontinuität im Koalitionsvertrag – unter anderem ein starkes Bekenntnis zu einer handlungsfähigen, souveränen Europäischen Union.
China hat recht schnell auf den Koalitionsvertrag reagiert und den Wunsch geäußert, es möge alles so bleiben wie bisher. Kann die Regierung diesen Wunsch erfüllen? Eine Politik, die wegschaut, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden, ist keine Politik, die in unserem Interesse liegt. Unser Ziel können nicht einzelne kurzfristige Wirtschaftsinteressen sein, sondern wir müssen der Sicherheit und den Menschenrechten mehr Gewicht geben, als es die bisherige Bundesregierung getan hat.
Haben Sie bei diesen Überlegungen auch die Interessen der deutschen, exportorientierten im Blick?
Natürlich. Wir stehen in einem intensiven Austausch. Aber es ist nicht so, dass faire Wirtschaftsbeziehungen und Menschenrechte nur in der Politik ein Thema sind. Viele Unternehmen wollen weg von Geschäftsmodellen, in denen Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung der Umwelt ein Wettbewerbsvorteil sind. Natürlich werden und wollen wir auch weiterhin mit allen Ländern gut zusammenarbeiten, aber dann müssen internationale Regeln und Werte eingehalten werden, auf die wir uns alle selbst verpflichtet haben.
Wie hoch ist die Gefahr, dass Ihr neuer Kurs den Unternehmen in Deutschland schaden könnte?
Diese Gefahr sehe ich nicht. Nochmal: Niemand möchte die Wirtschaftsbeziehungen unnötig belasten oder gar abbrechen, im Gegenteil. Wir haben ein großes Interesse an guten Beziehungen – auf Basis der gemeinsamen Werte und Regeln. Von deren Einhaltung profitieren auch die deutschen Unternehmen. Aber auch der Schutz und die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft und Infrastruktur müssen eine größere Rolle spielen, in manchen Bereichen wie Digitalisierung oder Energie müssen wir in der EU unabhängiger und souveräner werden, damit wir nicht erpressbar sind.
Ein anderer Fleischfresser, um bei diesem Bild zu bleiben, sitzt in Moskau. Wie wird das Verhältnis zu Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin unter der künftigen Ampel aussehen?
Die Tür zum Dialog und zur Kooperation steht vonseiten der Europäischen Union und auch der deutschen Bundesregierung immer offen. Wir sind aber nicht naiv, wir sehen das, was in den vergangenen Jahren passiert ist, von der außenpolitischen Aggression des Kreml in der Ukraine und in Syrien über den Tiergartenmord vor den Toren des Bundestags, den Hackerangriffen bis zum Umgang mit russischen Oppositionellen wie Alexej Nawalny. Das kann nicht unbeantwortet bleiben. Hier braucht es eine konsequentere Haltung der Bundesregierung.
Putin lässt erneut Truppen an der Grenze zu Ukraine aufmarschieren. Wie weit sollte die Nato gehen, falls Russland tatsächlich in die Ukraine einmarschiert?
Die Nato hat Wladimir Putin klar gemacht, dass sie diese Truppenkonzentration mit sehr großer Sorge sieht. Die Botschaft an den Kreml muss deutlich sein: Ein solcher Angriff würde vonseiten der Europäischen Union und all unserer Verbündeter nicht unbeantwortet bleiben, auch die Sanktionen sind noch nicht ausgereizt. Ein Angriff auf die Ukraine würde harte Konsequenzen nach sich ziehen. Das halte ich an dieser Stelle auch für richtig. Das sind wir den Menschen in der Ukraine und unseren Partnern in Mittelund Osteuropa schuldig, hier füreinander einzustehen.
Etwas überraschend ist, dass die Bewaffnung von Drohnen im Koalitionsvertrag steht. In der Großen Koalition hatte die SPD bei diesem Thema Rückzieher gemacht. Wie kam es dazu?
Wir wollten diese Entscheidung nicht noch einmal auf die lange Bank schieben. Wir als Grüne haben uns bereits bei einem Parteitag von unserem harten, bedingungslosen Nein verabschiedet und uns darauf verständigt, dass Kampfdrohen zum Schutz der Soldaten unter bestimmten Umständen mit strengen Regeln infrage kommen können. Die SPD war in einem parteiinternen Verfahren zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen, die FDP hatte sich ohnehin dafür ausgesprochen. Insofern hatten wir alle eine sehr ähnliche Haltung. Wir haben auch auf unser Drängen transparente Regeln und eine Beachtung ethischer und völkerrechtlicher Aspekte beim Einsatz bewaffneter Drohnen in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen.