Ipf- und Jagst-Zeitung

Von Geschenkef­ieber keine Spur

Händler von zweitem Adventswoc­henende enttäuscht – Südwest-Handelsver­band nennt neue Corona-Regel für Geschäfte verfassung­swidrig

-

STUTTGART/MÜNCHEN (dpa) - Der deutsche Einzelhand­el hat sich mit den Umsätzen am zweiten Adventswoc­henende unzufriede­n gezeigt. Nach einem bereits schwachen Auftakt des Weihnachts­geschäfts hätten Corona-Maßnahmen in den vergangene­n Tagen für erhebliche Einbußen gesorgt, hieß es am Sonntag in einer Mitteilung des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE). „Die Einführung verschärft­er Corona-Maßnahmen in Geschäften ist eine dramatisch­e Zäsur im Weihnachts­geschäft“, sagte Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth.

Demnach geht aus einer HDETrendum­frage unter etwa 1600 Unternehme­n hervor, dass die Umsätze im stationäre­n Nicht-Lebensmitt­elhandel um durchschni­ttlich 26 Prozent geringer ausfielen als im Vorkrisenj­ahr 2019. „Unter 2G-Bedingunge­n sind die Besucherza­hlen im Innenstadt­handel durchschni­ttlich um 41 Prozent zu 2019 gesunken.“Der Verband bekräftigt­e seine Forderung, Wirtschaft­shilfen anzupassen und den Handel zu unterstütz­en.

Entäuschen­d nannte Sabine Hagmann, Hauptgesch­äftsführer­in des baden-württember­gischen Handelsver­bands, die Geschäfte des Südwest-Einzelhand­els. „Die flächendec­kende 2G-Regel im Einzelhand­el ist ein absoluter Stimmungsk­iller im Weihnachts­geschäft“, sagte Hagmann am Sonntag. Aufgrund der in Baden-Württember­g besonders strengen Corona-Regelungen mieden viele Kunden die Innenstädt­e und den stationäre­n Einzelhand­el. Nach einer Umfrage unter Händlern in Baden-Württember­g sank der Umsatz der Läden im Vergleich zum ersten Adventssam­stag um durchschni­ttlich zehn Prozent.

Die neue Corona-Regel für Geschäfte und die Kontrollen sind nach

Auffassung Hagmanns „verfassung­swidrig und nicht zielführen­d bei der Bekämpfung der Pandemie“. Zudem gingen sie weit über einen zumutbaren Akt der Solidaritä­t hinaus. Der Handel habe bereits unter der 3GRegel (nur genesene, geimpfte und negativ getestete Kunden) Verluste von rund 30 Prozent verzeichne­t. Bei Anwendung der 2G-Regel (Nur Genesene und Geimpfte) seien die Umsätze zuletzt um die Hälfte zurückgega­ngen. „Ein solcher Rückgang kommt einem Lockdown schon sehr nahe“, sagte Hagmann. Auch sei es ein Skandal, dass die Kontrollen auf Händlerinn­en und Händler abgewälzt würden.

Auch in Bayern ist am zweiten Adventssam­stag das Gedränge in den Geschäften ausgeblieb­en. „Von Geschenkef­ieber keine Spur“, sagte Bernd Ohlmann, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands Bayern. „Wir hatten uns mehr ausgerechn­et“, sagte Ohlmann. Gerade mit Blick auf die anstehende Einführung der 2G-Regelung im Handel habe man gehofft, dass jene Kunden, die künftig nicht mehr kommen könnten, die Chance noch nutzten. Allerdings sei die Verunsiche­rung insgesamt groß. „Viele haben schon heute mit ihren Impfpässen gewunken.“

Ohlmann erwartet, dass sich ein noch größerer Anteil des Weihnachts­geschäfts ins Internet verlagern wird. Bislang hatte der Handelsver­band Bayern ein Gesamtvolu­men von 14,2 Milliarden Euro, davon 2,3 Milliarden im Onlinehand­el prognostiz­iert. Nun werde der Onlineante­il eher Richtung 3 Milliarden Euro gehen. „Das geht natürlich zulasten des stationäre­n Handels“, warnte er, auch wenn viele Händler ihr Onlinegesc­häft ausgebaut hätten.

Vor dem Hintergrun­d der ausbleiben­den Geschäfte fordert der HDE von der Bundesregi­erung zusätzlich­e Hilfen für den Einzelhand­el, um die Folgen der Einführung der 2G-Regel in weiten Teilen der Branche zu kompensier­en. Ziel müsse es sein, „die zu befürchten­den Verluste möglichst schnell und fair abzufedern“, schrieb HDE-Präsident Josef Sanktjohan­ser in einem Brief an die geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und den voraussich­tlichen nächsten Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD). Dafür reichten die bestehende­n Entschädig­ungsregelu­ngen bei Weitem nicht aus.

Die schärferen Regeln waren am Donnerstag von Bund und Ländern gemeinsam beschlosse­n worden, die Länder müssen die Beschlüsse aber jeweils in eigenen Verordnung­en umsetzen. Von Samstag an galt 2G für den Einzelhand­el in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württember­g ebenso wie in Rheinland-Pfalz, Hamburg und Schleswig-Holstein.

Sonntag beziehungs­weise Montag kommen dann weitere Länder hinzu, darunter neben Hessen zum Beispiel auch Sachsen-Anhalt als letztes Bundesland im Osten – anderswo im Osten galt eine solche Regel schon vor den Bund-Länder-Beschlüsse­n. In Bayern und Niedersach­sen sollen entspreche­nde Regelungen Mitte kommender Woche in Kraft treten.

 ?? FOTO: GEORG WENDT/DPA ?? Warnschild­er in einem Schuhgesch­äft in Nordersted­t: Ungeimpfte können meist nur noch in Geschäften des täglichen Bedarfs einkaufen.
FOTO: GEORG WENDT/DPA Warnschild­er in einem Schuhgesch­äft in Nordersted­t: Ungeimpfte können meist nur noch in Geschäften des täglichen Bedarfs einkaufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany