„Der Winter wird reisetechnisch zäh“
Anja Horn betreibt ein virtuelles Reisebüro – So wirkt sich Corona derzeit auf die Branche aus
BOPFINGEN - Wer Anja Horn in den Ferien besuchen möchte, wird in der Regel vor verschlossener Tür stehen. Denn zu dieser Zeit befindet sich die 44-Jährige meist auf Reisen. Mehr als 50 Länder hat sie bereits gesehen, und ihre Leidenschaft ist dabei nicht nur ein Hobby, sondern Profession. Die Bopfingerin betreibt ein virtuelles Reisebüro, das vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie eine rege Nachfrage erfahren hat. Gerade jetzt in der Wintersaison herrscht laut Anja Horn durch steigende Zahlen und drohende Lockdowns allerdings verstärkt Unsicherheit bei Urlaubern, die nicht wissen, ob sie ihre Reise überhaupt antreten können. Manche Länder sollte man aber auch gar nicht bereisen, findet die Reisekauffrau. Pandemie hin oder her.
„Die Welt ist ganz schön klein geworden“, sagt Anja Horn und bezieht sich dabei auf die Corona-Reisebeschränkungen, die sich in den Pandemie-Monaten immer wieder verändert haben. Und daran wird sich nach Meinung der weitgereisten Bopfingerin auch im kommenden Jahr nicht viel ändern. Der Trend gehe weiterhin zum grenznahen Urlaub in Österreich oder Italien. Beliebt blieben auch weiterhin die Kanaren, Griechenland sowie die Dominikanische Republik. Viele Hotels dort hätten sehr gute Hygienekonzepte, weiß Horn. Sie hofft, dass sich zudem Südafrika wieder erholen und für Reisende öffnen werde. Ein kleiner Geheimtipp sei die polnische Ostseeküste mit „guten Hotels und gutem Essen“.
Last-Minute-Angebote werden 2022, wie Anja Horn vermutet, aber kaum angeboten werden. Schon dieses Jahr habe es kurzfristig keine Schnäppchen gegeben. Entweder war alles ausgebucht oder sehr teuer. Das werde nächstes Jahr nicht anders sein. Daher ihr Tipp: So früh wie möglich buchen.
Corona hat sich, wie Anja Horn beobachtet, nicht nur auf die Preise, sondern auch auf die Art, wie Menschen ihren Urlaub verbringen, ausgewirkt. Der Bedarf an Raum und Freiheit sei gestiegen. Viele wollten keine Menschenmassen um sich herum. Zum Beispiel Angebote mit privatem Pool seien dadurch entstanden. „Oder man teilt sich einen Pool nur mit wenigen anderen.“Auch Hausboote sind nach Erfahrung der Bopfingerin derzeit ein kleiner Trend – ob in Irland oder in der Uckermark. Hausboote würden entschleunigen und man könne Menschenmengen entgehen, sagt Anja Horn. Zudem brauche man dafür nicht einmal einen Bootsführerschein.
Was den Winterurlaub in der aktuellen Saison betrifft, da zeigt sich die Bopfingerin, die am liebsten mit Ehemann und Tochter verreist, eher weniger optimistisch. Es gebe derzeit eine große Unsicherheit bei Urlaubern und Reiseveranstaltern. Viele, die normalerweise über Weihnachten oder Silvester verreisen würden, hätten in diesem Jahr nicht gebucht. Auch das Interesse an Skitouren sei eher verhalten. „Es weiß ja gerade keiner, wie es in der nächsten Zeit mit Österreich weitergeht“, erzählt Anja Horn. In der Alpenrepublik herrscht derzeit ein Lockdown.
Ähnlich sieht es wohl auch Anfang 2022 aus. Sie habe viele Kunden, die Anfang des Jahres ins Warme fahren wollten. Reisen nach Sansibar beispielsweise habe der Veranstalter aber bereits komplett abgesagt, berichtet die 44-Jährige. „Der Winter wird reisetechnisch zäh. Ich glaube, das wird erst nach Ostern wieder richtig anlaufen.“
Obwohl sie vom Verkauf von Urlaubsreisen lebt, steht für Anja Horn die Sicherheit ihrer Kunden an erster
Stelle. „Man muss sich nicht sehenden Auges in einen Corona-Hotspot stürzen“, sagt sie. Dennoch findet sie das sogenannte „Urlaubs-Shaming“, das manchmal betrieben werde, schade. Sie selbst sei im Herbst auf den Kanaren gewesen. Dort sei alles ordentlich und vor allem hygienisch gewesen. Reisen seien derzeit aber dennoch ein „zweischneidiges Schwert“.
Knapp 200 Länder gibt es auf der Welt. Etwa ein Viertel davon hat Anja Horn bereits bereist. Manche Destinationen würde sie ihren Kunden unabhängig von Corona aber gar nicht oder nur eingeschränkt empfehlen. China zum Beispiel sei „grenzwertig“. Selten habe sie sich so beobachtet gefühlt wie im Herbst 2019 in Shanghai. Obwohl sie selbst im Sozialismus aufgewachsen sei und staatliche Überwachung kenne, erläutert die Bopfingerin. Polizisten mit Maschinengewehr auf Anschlag würden einem vorgeben, wo man über die Straße zu gehen habe. Und überall gebe es Kameras. Ansonsten sei Shanghai aber eine „supermoderne Stadt“, in der es nahezu keine Kriminalität gebe.
Anja Horn hat ihre Passion schon früh zum Beruf gemacht. Vor 25 Jahren absolvierte sie eine Ausbildung zur Reisekauffrau, leitete unter anderem Reisebüros von Anbietern für Busreisen. Ständig bildete sie sich weiter, machte zudem ihren Fachwirt. Seit 2016 führt sie einen privaten Reiseblog, den sie zur Kundeninformation mittlerweile in die berufliche Tätigkeit eingebunden hat. Das seien alles Reisen, die sie selbst gemacht habe. Im Normalfall gehe sie viermal pro Jahr auf Fernreisen. Meist mit der Familie, daher sei sie während der Schulferien eigentlich nie daheim, erläutert die 44-Jährige. Als Ergänzung für ihr digitales Reisetagebuch hat Anja Horn jüngst auch einen Podcast produziert.
Die Bopfingerin betreibt als selbstständige Kooperationspartnerin ein virtuelles Reisebüro. TakeoffReisen sind eine 100-prozentige Tochter der TUI. Dass sie kein festes Büro besitzt, sieht Anja Horn als Vorteil, der sich vor allem während der Pandemie noch einmal besonders herauskristallisiert hat. Sie sei immer für ihre Kunden da, versichert die 44Jährige. Auch wenn eine Anfrage am Sonntagnachmittag käme. Sie habe es früher schon immer nicht so toll gefunden, dass sich Kunden an die Öffnungszeiten des Reisebüros hätten halten müssen. Beratungen finden per Internet oder am Telefon statt. Von der Luxusreise bis zum Kurztrip möchte sie sämtliche Kundenwünsche erfüllen. Sie selbst sei ja auch Kunde und hätte bestimmte Ansprüche, sagt Anja Horn.