Hamilton stellt alles auf Anfang
Nach dem Sieg des Briten sind Verstappen und er vor dem Formel-1-Finale punktgleich
DSCHIDDA (SID/dpa) - Strategiepoker, Farce, böses Foulspiel: Die Formel 1 hat ihr Herzschlagfinale bekommen. Aber wie! Lewis Hamilton und Max Verstappen gehen in der engsten WM-Saison der Geschichte punktgleich ins letzte Saisonrennen kommenden Sonntag. Über die Umstände wird aber noch lange gesprochen werden. In einem denkwürdigen Rennen berührten sich die beiden prägenden Figuren der Saison am Sonntag beim „Versuch“, die Plätze zu tauschen – sie berührten sich, weil Verstappen den Rekordchampion quasi auffahren ließ. Letztlich gewann Mercedes-Star Hamilton dennoch vor seinem Rad-Bull-Rivalen. Verstappen drohte im Nachgang aber noch eine Strafe, er musste (nach Andruck dieser Ausgabe) bei den Stewards vorsprechen. Zunächst jedoch blieb der Niederländer WM-Spitzenreiter, weil er einen Sieg mehr auf dem Konto hat.
Für Abu Dhabi gilt somit: Wer vor dem anderen in den Punkterängen ins Ziel fährt, ist Weltmeister.
„Ich fahre schon lange Rennen, aber das war unglaublich hart“, sagte Hamilton. „Ich habe nicht verstanden, was bei der Berührung passiert ist. Es war ein bisschen verwirrend.“Verstappen sprach von einem „ereignisreichen“Rennen: „Es ist viel passiert, mit dem ich nicht einverstanden bin. Ich habe versucht, auf der Strecke alles zu geben.“
Rang drei ging an Hamiltons Mercedes-Teamkollegen Valtteri Bottas. Ex-Weltmeister Sebastian Vettel musste seinen Aston Martin nach mehreren Kontakten mit Kontrahenten vorzeitig abstellen. Haas-Pilot Mick Schumacher schied nach einem Unfall aus – mit dem er die Dynamik des 21. Saisonrennens in Gang setzte.
Nach seinem Crash im Qualifying, der ihn Startplatz eins gekostet hatte, blieb Verstappen vor dem Rennen von weiteren schlechten Nachrichten verschont: Red Bull war der Ansicht, das Getriebe in seinem Rennwagen nicht austauschen zu müssen, Verstappen wurde damit eine Rückversetzung in der Startaufstellung von Rang drei auf acht erspart. „Ich bin immer noch hier, um zu gewinnen“, betonte der 24-Jährige nach seinem Fehler am Samstag, für den er die volle Verantwortung übernahm und mit dem er Mercedes – auf den Startplätzen eins (Hamilton) und zwei (Bottas) – einen taktischen Vorteil schenkte. Denn der gerade rechtzeitig fertiggestellte Hochgeschwindigkeitsstadtkurs mit seinen vielen Mutkurven ist zwar selektiv, bietet jedoch kaum Überholmöglichkeiten. Dafür ist die Strecke gefährlich, wie mehrere Unfälle in der Formel 2 gezeigt hatten.
Beim Start zügelten sich die Fahrer wohl auch deswegen, auf den ersten fünf Plätzen gab es keine Veränderungen. Der Mercedes-Plan ging zunächst voll auf: Hamilton setzte sich bei freier Fahrt ab, Verstappen kam nicht an dessen Adlatus Bottas heran. Dann allerdings crashte Schumacher („Ich bin zu schnell in die Kurve rein und habe das Heck verloren“) in der 10. von 50 Runden. Das Safety-Car rückte aus. Hamilton holte sich neue Reifen, während Verstappen ins Risiko ging und weiterfuhr. Es zahlte sich aus: Die Bande war nach Schumachers Unfall nach Ansicht der Rennleitung so stark beschädigt, dass das Rennen unterbrochen wurde – Verstappen durfte nun ohne Zeit- und Positionsverlust seinen Reifenwechsel vornehmen. Hamilton war bedient.
Nach dem Re-Start kamen die Wagen nicht mal eine Runde weit: Nikita Masepin (Haas), Verstappen-Teamkollege Sergio Pérez und George Russell (Williams) schieden nach Unfällen aus, wieder wurde unterbrochen. An der Spitze blieb Verstappen vor Hamilton – allerdings, indem er die Strecke verließ. Deswegen startete Verstappen beim dritten Versuch nur von Rang drei hinter Esteban Ocon im Alpine und Hamilton. Vorangegangen war eine ewige Funk-Feilscherei zwischen Rennleiter Michael Masi und dem Red-Bull-Kommandostand. Hätte Red Bull die Rückversetzung nicht akzeptiert, wären die Rennkommissare eingeschaltet worden.
Von Rang drei sprintete Verstappen unbeeindruckt an die Spitze, Hamilton hing eine Runde hinter Ocon fest, ehe er sich auf die Jagd machte. Lange konnte sich Verstappen verteidigen, in Runde 37 allerdings nicht mehr mit fairen Mitteln. Da nahm er offensichtlich Gas weg, als Hamilton vorbeiziehen wollte – der Brite touchierte den Hinterreifen des Red Bull. Verstappen ließ Hamilton dann zwar passieren, attackierte aber direkt wieder. Die Rennleitung hatte genug: Er bekam eine Fünf-Sekunden-Strafe. Durchs Ziel fuhr Hamilton als Erster.