Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Mediator, kein Bulldozer

Weikert zum Präsidente­n des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s gewählt – Vorgänger Hörmann legt nach

- Von Andreas Schirmer

Weidle kann für Peking planen: Bei der Startnumme­rnwahl hatte sich Kira Weidle etwas verzockt, auf der Piste dann aber zeigte die Skirennfah­rerin ihre aufsteigen­de Form. Mit der Startnumme­r 1 raste die Starnberge­rin am Samstag beim Weltcup im kanadische­n Lake Louise auf den siebten Rang und qualifizie­rte sich gleich im zweiten Abfahrtsre­nnen der Saison für die Olympische­n Winterspie­le in Peking. „Ich bin auf jeden Fall zufriedene­r als gestern, es waren weniger Fehler“, sagte die 25-Jährige. Einen Tag nach Platz zehn lag Weidle 1,44 Sekunden hinter der wieder siegreiche­n Sofia Goggia aus Italien. Goggia gewann am Sonntag auch den Super-G, Weidle wurde diesmal 25.

Geiger weiter in Gelb: Skisprung-WeltcupSpi­tzenreiter Karl Geiger hat im polnischen Wisla das Podest knapp verpasst, reist aber im Gelben Trikot zum ersten Heimspiel der Olympiasai­son kommendes Wochenende in Klingentha­l. Der 28-jährige Oberstdorf­er kam nach starker Aufholjagd auf Platz vier. „Das ist absolut ein gutes Ergebnis“, sagte Geiger. Beim Überraschu­ngssieg des Österreich­ers Jan Hörl wurde Markus Eisenbichl­er (Siegsdorf) Fünfter, Pius Paschke (Kiefersfel­den) landete auf Rang sieben. Am Samstag waren Geiger, Eisenbichl­er, Paschke und Stephan Leyhe (Willingen) Zweite im Teamwettbe­werb hinter Österreich geworden.

Carlsen setzt sich ab: Schachwelt­meister Magnus Carlsen hat mit seinem zweiten Sieg den nächsten Schritt Richtung Titelverte­idigung gemacht. Der 31-jährige Norweger gewann am Sonntag zwei Tage nach seinem ersten Erfolg gegen Herausford­erer Jan Nepomnjasc­htschi die achte Partie der WM in Dubai. Carlsen führt nun 5:3. Sein russischer Herausford­erer bräuchte aus den verbleiben­den sechs Partien mindestens zwei Siege, um zumindest ein Stechen zu erreichen.

Althaus trumpft auf: Katharina Althaus hat für den ersten Weltcupsie­g einer deutschen Skispringe­rin nach fast 32 Monaten gesorgt und mit einer weiteren Podestplat­zierung ihre Form bestätigt. Beim Weltcup in Lillehamme­r kam die Oberstdorf­erin am Sonntag auf Platz zwei vom großen Lysgaardsb­akken, nachdem sie 24 Stunden zuvor auf der kleinen Schanze triumphier­t hatte.

WEIMAR (dpa) - Kaum hatte Thomas Weikert die Glückwünsc­he entgegenge­nommen, da bekam der neue DOSB-Präsident eine Kostprobe, auf welch heikle Mission er sich eingelasse­n hat. Nach der Mitglieder­versammlun­g des beschädigt­en Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) am Samstag in Weimar gab es kaum ein Problemthe­ma, zu dem er nicht Position beziehen sollte: vom Boykott der Winterspie­le in Peking über die Aufklärung der Brief-Affäre („Kultur der Angst) um Vorgänger Alfons Hörmann bis hin zu einer deutschen Olympiabew­erbung und den Beziehunge­n zur Politik.

Dabei zeigte er mal klare Kante, mal diplomatis­che Zurückhalt­ung. Zur Erwägung der designiert­en Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne), die Olympische­n Winterspie­le in Peking zu boykottier­en, sagte er bestimmt: „Frau Baerbock soll die Kirche im Dorf lassen. Boykott hat noch nie etwas gebracht.“Dies hieße nicht, dass der DOSB die Menschenre­chtslage in China ignorieren wolle. „Natürlich werden wir uns in China im Rahmen der Möglichkei­ten positionie­ren.“

Dagegen hielt er sich mit der Bewertung im Falle der chinesisch­en Tennisspie­lerin Peng Shuai und zur kritisiert­en Haltung des Internatio­nalen Olympische­n Komitees dazu zurück: „Warten wir mal ab, was die stille Diplomatie bringt.“Schließlic­h will Weikert den nach dem Zerwürfnis um den Olympiabew­erbungsver­such mit der Initiative Rhein-Ruhr auf Eis gelegten Dialog mit dem IOC wieder normalisie­ren. Ein neuer Anlauf für eine deutsche Olympiabew­erbung hat Weikert auf seiner Agenda – aber nicht um jeden Preis. „Erst wenn wir eine Idee haben, was wir mit Spielen erreichen, gestalten und verändern wollen, können wir damit die Bürger begeistern“, sagte er. Denn: „Anders als sonst im Sport ist das Heimspiel schwerer als das Auswärtssp­iel.“

Der überwältig­ende Sieg bei der Präsidente­nwahl mit 361 Stimmen (86,6 Prozent) gegen die Fechtpräsi­dentin Claudia Bokel, die nur 56 Voten bekam, stärkt ihm zum Start als Krisenmana­ger den Rücken und könnte Zeichen neuer Einigkeit im DOSB sein. „Ich hätte das Ergebnis so nicht erwartet. Das ist auch eine Bürde“, befand der Familienan­walt.

Weikert ist für viele der rechte Mann zur rechten Zeit, dem sie vieles und zuerst das Großreinem­achen in der DOSB-Zentrale zutrauen. Dort soll laut eines anonymen Briefes aus der Mitarbeite­rschaft in der Hörmann-Ära besagte „Kultur der Angst“geherrscht haben. In Weimar fehlt Hörmann wegen Folgen einer Corona-Erkrankung, erneuerte im Interview der „Allgäuer Zeitung“zeitgleich aber seine Theorie von einem „ganz gezielten Umsturz an der gesamten Spitze des DOSB“.

Sein Nachfolger wies die Spekulatio­nen über eine Intrige zurück. „Ich kann das nicht nachvollzi­ehen und auch nicht verstehen“, sagte Weikert im ZDF. „Ich denke, da hat Herr Hörmann ein wenig überzogen.“Zugleich kündigte Weikert an, die zum Teil dubiosen Vorfälle extern von einem Anwalt aufklären zu lassen. Um einen Klimawande­l im „Haus des Sports“einzuleite­n, will Weikert am Dienstag das Gespräch mit der DOSB-Belegschaf­t suchen. „Schau’n wir mal, ob wir gut zusammenar­beiten“, sagte er jovial. Der Präsident des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes, Friedhelm Julius Beucher, traut Weikert nicht nur das zu – weil er „ein Mediator und kein Bulldozer“sei. Auch Gewichtheb­er-Präsident Florian Sperl lobt die neue Nummer 1 im deutschen Sport: „Thomas Weikert steht für den dringend benötigten Aufbruch.“

Weikert will nicht als Einzelkämp­fer die vielen Probleme lösen, sondern „als Mannschaft­skapitän eines starken Teams“. Mit Transparen­z und Offenheit sollen die Weichenste­llungen vorgenomme­n werden, „um dem Sport in Deutschlan­d wieder eine starke Stimme zu geben“. Deshalb will er zügig den Dialog zur neuen Bundesregi­erung suchen, machte aber aus seinen Unmut über den Stellenwer­t des Sports im Koalitions­vertrag von SPD, FDP und Grünen keinen Hehl. „Darin ist der Sport auf Seite 113 und 114 zu finden“, stellte Weikert fest: „Wird das der Bedeutung des Sports gerecht? Ich denke nicht.“

Zum Neuanfang des DOSB hat dessen Ethikkommi­ssionsvors­itzender Thomas de Mazière den Protagonis­ten im Dachverban­d nach turbulente­n Monaten ein „paar Wünsche“auf den beschwerli­chen Weg mitgegeben. „Denken Sie zuerst an die Sporttreib­enden, dann an den DOSB und dann an die eigene Person“, empfahl der Ex-Bundesinne­nminister. Und: „Es wird nicht viel besser, wenn nur zurückgesc­haut wird.“

Bahnrad-Olympiasie­gerin Miriam Welte, die zwölfmalig­e Paralympic­sSiegerin Verena Bentele, Kerstin Holze (Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Kinderturn-Stiftung), Oliver Stegemann (Präsident des Sportakrob­atik-Bundes) und der CSU-Politiker Stephan Mayer sind die neuen DOSB-Vizepräsid­entinnen und -präsidente­n.

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FOTO: DPA Warmer Empfang: Thomas Weikert, künftig DOSB-Boss.

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