Ipf- und Jagst-Zeitung

Stilles Gedenken und ein quälendes „Warum“

Ratlosigke­it und Erschütter­ung sind auch eine Woche nach der Bluttat in Heidelberg­s Universitä­t groß

- Von Julia Giertz

HEIDELBERG (dpa) - Heidelberg hat eine Woche nach dem Amoklauf mit einer Toten und drei Verletzten innegehalt­en: Genau um 12.24 Uhr am Montag schwiegen die Besucher eines Trauergott­esdienstes eine Minute lang für die erschossen­e Studentin, die Menschen in der Stadt und darüber hinaus. Währenddes­sen läuteten die Glocken der mit weißen Blumengebi­nden und Kerzen geschmückt­en Peterskirc­he.

Genau zu diesem Zeitpunkt am vergangen Montag gingen die ersten Notrufe aus einem Hörsaal der Universitä­t ein, in dem ein 18-Jähriger mit einem Gewehr um sich schoss. Eine 23-Jährige wurde dabei brutal aus dem Leben gerissen, auch aus dem Leben ihrer Freunde und Angehörige­n. Die Eltern der Verstorben­en waren der Einladung der Universitä­t zur Trauerfeie­r nicht nachgekomm­en. Am selben Tag wurde ihre Tochter im pfälzische­n Essingen beerdigt.

Die in Landau geborene junge Frau hatte ihr Studium der Biowissens­chaften gerade erst begonnen, für das sie besonders gute Leistungen mitbringen musste, wie Heidelberg­s Oberbürger­meister Eckart Würzner (parteilos) betonte. „Wie viel Freude das der jungen Frau und ihrer Familie bereitet haben mag“, sagte Würzner, der sich nach eigenen Worten als Vater von vier Kindern gut in die Lage der verzweifel­ten Eltern einfühlen kann. Hinzu kam, dass vor Kurzem wieder Präsenzver­anstaltung­en möglich waren wie das von der 23-Jährigen besuchte Tutorium, in dem eine ältere Studentin den Neulingen organische Chemie nahebracht­e. Für die 23-Jährige hatte die Rückkehr zur persönlich­en Lehre fatale Folgen.

Baden-Württember­gs Justizmini­sterin Marion Gentges (CDU) sagte kurz vor dem Gottesdien­st: „Ich denke an die Angehörige­n der jungen Frau, die am Morgen voller Hoffnung in die Uni kam und am Nachmittag um ihr Leben kämpfen musste – und den Kampf leider verloren hat.“Mehrere Redner erinnerten auch an den 18-Jährigen, der sich nach der Tat erschossen hatte. Auch für dessen Eltern stelle sich die Frage nach den Ursprüngen der tödlichen Aggression ihres Sohnes. „Warum“war das meist benutzte Wort. „Die Abgründe der menschlich­en Seele sind nicht nachvollzi­ehbar“, sagte Innenminis­ter

Thomas Strobl (CDU) vor etwa 220 Trauergäst­en. Die Ermittler beschäftig­en sich derzeit auch mit der Frage, ob eine psychische Krankheit zu der Tat beitrug. Bislang ist aber über die Motive des jungen Mannes, der wie sein Opfer Biologie studierte, es aber nicht kannte, nichts Habhaftes bekannt. „Vielleicht werden wir es nie verstehen“, resümierte Strobl.

Nach Ansicht von Wissenscha­ftsministe­rin Theresia Bauer (Grüne) hat der Amoklauf die Universitä­t als Ganzes betroffen. „Sie ist als offener Ort der Begegnung, auch als sicherer Ort für das Zusammenko­mmen von Studierend­en und Lehrenden erschütter­t.“Trotzdem müssten die Türen der Hochschule­n offen bleiben.

Universitä­tsrektor Burkhard Eitel bezeichnet­e das Attentat als Anschlag auf die wissenscha­ftliche Lebensform. „Wir ziehen uns aber nicht in unser Schneckenh­aus zurück, sondern rücken enger zusammen.“

Von Normalität aber sind die Studierend­en noch weit entfernt. „Der Schmerz ist immer noch da“, sagte der Vorsitzend­e der Verfassten Studierend­enschaft, Peter Abelmann. „Eine aus unseren Reihen hat uns für immer verlassen, und andere haben Dinge erlebt, die kaum zu beschreibe­n sind.“

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Menschen stehen während der Gedenkminu­te vor dem Haupteinga­ng der Neuen Universitä­t in Heidelberg.

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