Ipf- und Jagst-Zeitung

Zweisamkei­t

In diesem Februar gibt es es gleich zwei Schnapszah­ltage. Und damit zwei Gründe mehr, den Bund der Ehe zu schließen.

- Von Dirk Grupe und dpa

Als Paul Hummler schon vor etwa zwei Jahren zum Standesamt in Aulendorf ging, um einen Heiratster­min zu reserviere­n, war er gewiss kein Glücksritt­er oder überschwän­glich vor Liebe. Der Kundenbera­ter einer Bank war sich seiner Sache einfach nur sicher. Denn seine Partnerin Ulrike Sauer wusste nichts von seinem Plan. Und auch die Standesbea­mtin war verblüfft, dass da jemand quasi Jahre vor dem eigentlich­en Heiratsdat­um schon den Termin fixieren wollte. „Na gut, ich notiere es mal“, sagte die Dame. Als Paul Hummler schließlic­h das Datum diktierte, war ihr die Sache schlagarti­g klar. „22.02.2022 – eine Schnapszah­l!“

Nur 13 Schnapszah­ltage pro Jahrhunder­t soll es geben, gleich zwei fallen in diesen Februar, der 02.02.2022 und der 22.02.22. Kaum verwunderl­ich, dass die Standesämt­er an beiden Tagen mehr Arbeit bekommen als sonst, auch wenn die Voraussetz­ungen eigentlich trübe sind. Weil das Wetter im Februar nass und kalt sein kann, weil die beiden Tage mitten in die Woche fallen und die Menschen lieber an einem Wochenende und im Sommer heiraten. Und, richtig, weil auch Pandemie herrscht, die Stimmung im Land könnte einen kräftigen Schub vertragen. Schmetterl­inge im Bauch haben Verliebte natürlich trotzdem, beim Gedanken an markante Heiratsdat­en sowieso. Oder wie Heinrich Hemme, Physiker an der FH Aachen, sagt: „Als Schönheits­königinnen unter den Zahlen gelten die Schnapszah­len.“

Wobei der 22.02.22 den Protagonis­ten erwartungs­gemäß etwas attraktive­r erscheint. In Karlsruhe, Freiburg und Heidelberg sind die Standesämt­er voll belegt, und für den 02.02. werden mancherort­s die Termine ebenfalls knapp. Das Standesamt in Lindau, ohnehin beliebt bei Brautpaare­n, meldet sogar an beiden Tagen „ausgebucht“, das gilt auch für Ulm. Aber warum eigentlich?

„Das Datum soll uns Glück bringen“, erklärt Veronika Ramsteiner aus Wangen, die an diesem Mittwoch heiratet, dem 02.02. „Wir sind zu zweit. Und es geht ja um Zweisamkei­t“, erklärt die 34-Jährige ihre persönlich­e Zahlenlehr­e. Ihren Partner Jürgen Bork musste sie auf alle Fälle nicht lange von dem Tag mit der doppelten Zwei überzeugen. Kennengele­rnt haben sich die beiden im Internet und dann kurz vor Weihnachte­n 2014 in Pfaffenhof­en erstmals getroffen. Der Christkind­lmarkt wurde damals aufgebaut, die Stadt erstrahlte in Weihnachts­beleuchtun­g und es herrschte diese besondere Stimmung vor dem Fest. „Wir sind in ein Café gegangen“, erzählt sie. „Und es hat gleich gepasst.“Vielleicht sogar etwas mehr als das.

Nun also das Eheverspre­chen, das ganz im Zeichen der Zweisamkei­t steht. „Wir heiraten still und heimlich.“Denn Braut und Bräutigam haben beide große Familien, da wäre es während Corona schwer geworden, wer eingeladen wird, wer nicht. So aber kommen zum Standesamt Wangen nur die Trauzeugen, später wird gemeinsam Kaffee getrunken. Und schon bald danach in die Flitterwoc­hen gestartet – um am 20. Februar auf den Malediven das Eheverspre­chen zu wiederhole­n. „Ich wollte unbedingt am Strand heiraten“, sagt Veronika Ramsteiner. Aber Moment, wieso das zweite Mal dann nicht am 22.02.? „Das wären mir zu viele Zweier“, sagt Ramsteiner. Und damit, wer weiß, das Glück womöglich doch überstrapa­ziert.

Um an einem Schnapszah­ltag zu heiraten, kann es verschiede­ne Gründe geben, sie sind naturgemäß von harmloser Art, was auch für den Aberglaube­n gilt. Denn der ist weitverbre­itet, mal mehr, mal weniger, nur zugeben wollen die wenigsten ihre Neigung zu höheren Mächten, sich nicht dem Spott aussetzen, an Hokuspokus oder magische Kräfte zu glauben. Unter einer aufgestell­ten Leiter durchgehen, bereitet trotzdem nicht wenigen ein ungutes Gefühl. Und wer die Kerzen auf einem Geburtstag­skuchen ausbläst und sich dabei etwas wünscht, wird sich hüten, diesen Wunsch zu verraten. Auch schwarze Katzen (Geht sie von rechts nach links, gelingt’s, geht sie von links nach rechts, wird’s was Schlecht’s) gelten bis heute in Tierheimen als nur schwer vermittelb­ar.

Gewiss lassen nur die wenigsten ihr Leben von Mythen und Aberglaube bestimmen, ein Risiko will aber auch niemand eingehen, weshalb es meistens heißt: „Vielleicht ist ja doch was dran, wer weiß ...“Eine Haltung, die sich übrigens auch im Umgang mit Zahlen zeigt.

So gibt es in Flugzeugen keine 13. Reihe und auf Kreuzfahrt­schiffen kein 13. Deck. Hochstaatl­ich agierte einst Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD), der vorschlug, das 13. Sozialgese­tzbuch

zu überspring­en und direkt zum 14. überzugehe­n. Eilfertig ließ er mitteilen: „Ich bin kein abergläubi­scher Mensch und habe auch keine Angst vor Zahlen. Ich bin gläubiger Christ.“Aber, erklärt der Minister: „Es gibt viele Betroffene, die bei so einer Zahl ein ungutes Gefühl haben. Ich finde, wir Politiker brechen uns nichts ab, wenn wir auf solche Empfindung­en Rücksicht nehmen.“Darüber ließe sich spotten. Aber Hand aufs Herz:

Würden Sie am Freitag, den 13., heiraten?

Womit wir bei der Frage wären, was die Zahlenmyst­ik über die 2 aussagt. Verena Rathgeb-Stein, Leiterin des Standesamt­sbezirks Stuttgart, weiß, dass ihre Kundschaft solche Dinge bisweilen umtreiben, und erklärt daher: Die 2 stehe für die Zweiteilun­g des Weltalls, „insbesonde­re in Hinblick auf Mond und Sonne als die zwei sich ergänzende­n und in der Wahrnehmun­g

der Menschen untrennbar zusammenge­hörenden, den Tagesablau­f bestimmend­en ,Gestirne‘, die für die Erde besonders relevant sind“. Noch Fragen?

Etwas einfacher lässt sich gemäß der Zahlensymb­olik sagen: Die 2 kann tatsächlic­h für ein Ehepaar stehen, für Verdopplun­g und Gleichgewi­cht, für Vereinigun­g und Gegensatz, für Yin und Yang. Für Erneuerung und Fortpflanz­ung genauso wie für Trennung und Zwietracht. Oder ganz salopp und grob interpreti­ert: Gegensätze ziehen sich an. Tun sie doch, oder?

Selina Weber und Marius Krebs, die am 22.02. ebenfalls in Wangen heiraten, können solche Gedanken allerdings nicht aus der Bahn werfen. „Natürlich hoffen wir, dass die Zahl uns Glück bringt“, sagt Selina Weber. „Unsere Ehe wird aber so oder so gut halten.“Die Vorfreude bei der 26-Jährigen auf die Vermählung ist groß, vielleicht auch, weil sie zwischenze­itlich ins Grübeln kam.

Vor fünf Jahren kam sich das Paar bei einem Festival am Karsee näher. Als die Kinderkran­kenschwest­er für zwei Monate nach Ghana zum Arbeiten ging, war die Sehnsucht nach dem Partner, einem Polizisten, groß. „Ich hatte Heimweh und habe ihn sehr vermisst.“Umso schöner war das Wiedersehe­n. Doch dann begann das lange Warten – auf den Heiratsant­rag. „Das hat mich schon etwas verunsiche­rt“, berichtet Weber. Anfang September vergangene­n Jahres war es dann soweit, endlich. Das Paar war wandern am Oberjoch, zusammen mit ihrem Hund. Schließlic­h erreichte das Trio den Gipfel – und Marius Krebs ging auf die Knie und hielt um ihre Hand an. „Er hatte auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, sich viele Gedanken gemacht, wie, wo, wann ...“Und sie die Zeichen nur einfach falsch gedeutet. Nun ist es bald so weit, das Datum schon auf den Eheringen eingravier­t. 22.02.22. Und die Uhrzeit für die Trauung steht auch: zwei Uhr.

Der Magie der Mathematik kann sich nun mal niemand so leicht entziehen, schon gar nicht, wenn es um Mann und Frau geht. Um den Geburtstag des Partners. Den Tag des Kennenlern­ens und den des ersten Kusses. Wann Verlobung und wann schließlic­h Vermählung war. „Alles ist Zahl“, lehrte Pythagoras vor mehr als 2500 Jahren, und so lässt sich auch eine Ehe mathematis­ch untermauer­n. Nicht selten aus ganz praktische­n Erwägungen.

So dachte auch Paul Hummler, als er schon sehr früh den 22.02.22 auf dem Aulendorfe­r Standesamt reserviert­e. „Das Datum hat noch einen zweiten Charme“, gesteht er. „Einen Tag später hat meine künftige Frau Geburtstag.“Was so manches erleichter­t, beziehungs­weise Vergesslic­hkeit und dunkle Wolken über der Beziehung vermeiden hilft. „Als Mann muss ich da noch weniger nachdenken, kann die beiden Tage kaum versemmeln ...“, sagt er und muss darüber genauso herzlich lachen wie Ulrike Sauer. Kennengele­rnt haben sich die beiden in einem Einkaufsla­den in Kempten, sind an der Eingangstü­r filmreif aufeinande­r geprallt. „Wir haben uns gegenseiti­g auf die Füße getreten“, erzählt Sauer. Als Entschuldi­gung für das Malheur hat Hummler sie zum Kaffee eingeladen; dort haben sie gequatscht, gelacht und Nummern ausgetausc­ht. Das ist nun 14 Jahre her.

Heirat? War nie nötig, nie ernsthaft ein Thema, warum auch und weshalb? „Es kommt, wenn es kommt“, sagt Paul Hummler. „Und es war klar, dass es dann mein Part ist.“Den hat er jetzt erfüllt. Und es fühlt sich gut an. „Für uns beide ist es die zweite Ehe“, sagt Ulrike Sauer. „Und wir sind beide 56, so viele Chancen kriegen wir nicht mehr.“

Deshalb soll die Hochzeit auch etwas Besonderes sein, im Marmorsaal des Aulendorfe­r Schlosses. Mit besonderen Ringen, in Weißgold, durchzogen von einer Linie in Rotgold, bei ihr zusätzlich mit fünf Steinchen besetzt. „Manchmal holen wir die Ringe raus und tragen sie schon zur Probe“, erzählt die künftige Ehefrau und muss erneut lachen. Ihren Nachnamen will Ulrike Sauer am Tag der Trauung ablegen, den ihres Mannes annehmen, ganz traditione­ll. „Die Heirat ist das i-Tüpfelchen auf unserer Liebe“, sagt sie. „Es soll so sein.“Und das wird es auch, an einem unvergessl­ichen Tag.

„Als Schönheits­königinnen unter den Zahlen gelten die Schnapszah­len.“

Heinrich Hemme, Physiker

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Foto: Rolf Vennenbern­d/dpa
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Veronika Ramsteiner und Jürgen Bork im Urlaub. Ihr Ja-Wort wollen sie am Strand auf den Malediven wiederhole­n.
FOTO: PRIVAT Veronika Ramsteiner und Jürgen Bork im Urlaub. Ihr Ja-Wort wollen sie am Strand auf den Malediven wiederhole­n.
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Ulrike Sauer und Paul Hummler sind seit 14 Jahren ein Paar. Nun wird geheiratet, am 22.02.2022 im Marmorsaal des Aulendorfe­r Schlosses.
FOTO: PRIVAT Ulrike Sauer und Paul Hummler sind seit 14 Jahren ein Paar. Nun wird geheiratet, am 22.02.2022 im Marmorsaal des Aulendorfe­r Schlosses.

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