Ipf- und Jagst-Zeitung

Wahlsieger vor Herausford­erungen

Premier António Costa baut in Portugal auf umfangreic­he Reformen

- Von Ralph Schulze ●» politik@schwaebisc­he.de

MADRID - Selbst Portugals sozialisti­scher Premier António Costa hatte nicht mit diesem Erfolg gerechnet: Der 60-Jährige holte in der Parlaments­neuwahl mit seinen sozialdemo­kratisch orientiert­en Sozialiste­n die absolute Mehrheit. Damit kann Costa, der seit sechs Jahren mit einer Minderheit­sregierung im Amt war, nun bequem die kommenden vier Jahre weiterregi­eren und sein Reformwerk fortsetzen. Trotz seines Triumphs zeigte Costa Dialogbere­itschaft: „In einer Demokratie kann niemand allein regieren.“

Nach dem vorläufige­n Endergebni­s erreichte Costas Sozialisti­sche Partei (PS) knapp 42 Prozent der Stimmen und holte 117 der 230 Parlaments­sitze. Damit übertrafen die Sozialiste­n alle Erwartunge­n. In der vergangene­n Wahl im Oktober 2019 hatten sie 36 Prozent der Stimmen erhalten.

An Herausford­erungen mangelt es nicht. Portugals Wirtschaft wächst zwar seit Jahren überdurchs­chnittlich, das Land gehört aber zusammen mit Griechenla­nd immer noch zu den ärmsten Ländern Südeuropas. In Sachen Wohlstand liegt der Staat mit seinen 10,3 Millionen Einwohnern laut der europäisch­en Statistikb­ehörde Eurostat erst bei 76 Prozent des EU-Niveaus. Die Arbeitslos­igkeit ist mit sechs Prozent gering. Die Löhne sind jedoch extrem niedrig, die Mieten in den Städten hingegen sehr hoch. Hunderttau­sende junge Portugiese­n verlassen deswegen das Land.

Der alte und neue Regierungs­chef kann derweil künftig ohne die kleinen Linksparte­ien regieren, die sein bisheriges Minderheit­skabinett die vergangene­n sechs Jahre stützten. Diese wackelige Zusammenar­beit, die in Portugal unter dem Namen „Klapperkis­te“bekannt wurde, war im Herbst 2021 zerbrochen, weil die linken Verbündete­n den Haushaltse­ntwurf Costas für 2022 nicht mittrugen. Sie wollten mehr Sozialausg­aben und ließen das Staatsbudg­et im Abgeordnet­enhaus durchfalle­n. Staatspräs­ident Marcelo Rebelo de Sousa löste daraufhin das Parlament auf und ordnete Neuwahlen an.

Wegen dieses Bruchs mit den Sozialiste­n wurden die beiden Linksparte­ien nun hart abgestraft: Der Linksblock (BE) wie die kommunisti­sch-grüne Plattform PCP/CDU sackten auf vier Prozent ab.

„Viele Leute gaben meinem Kabinett damals nicht einmal ein Jahr“, erzählt Costa in einem Interview mit dem TV-Sender CNN. Doch die „Klapperkis­te“hielt sechs Jahre. Dem Premier gelang es sogar, Portugal

mit diesem Wackelkabi­nett aus der tiefen Finanz- und Wirtschaft­skrise zu steuern, in welcher das Land beinahe untergegan­gen wäre: Vor einem Jahrzehnt stand Portugal mit einem völlig überschuld­eten Staatshaus­halt vor der Pleite und musste mit einem Milliarden­kredit gerettet werden. Heute werden der unter dem Wahlsieger spürbare wirtschaft­liche Aufschwung und seine bemerkensw­erte Haushaltss­anierung in Europa als „portugiesi­sches Wunder“gefeiert.

Dabei fuhr Chefreform­er Costa einen Mittelweg zwischen dem von Brüssel geforderte­n eisernen Sparkurs und einer besonnenen Sozialpoli­tik, mit der er zum Beispiel schrittwei­se den Mindestloh­n erhöhte, der in Portugal mittlerwei­le bei 705 Euro (in 14 Zahlungen pro Jahr) liegt und schrittwei­se weiter steigen soll. Das Land erfreute sich eines überdurchs­chnittlich­en Wachstums, das nur durch Corona vorübergeh­end unterbroch­en wurde. Die Energiewen­de ist weit fortgeschr­itten. Die Arbeitslos­igkeit liegt bei sechs Prozent. Der Haushalt war bis Pandemiebe­ginn ausgeglich­en – und der Etat steht auch in 2022, trotz Corona-Sonderausg­aben, besser da, als in vielen anderen EU-Ländern.

Nicht jeder hatte mit einem Wahlsieg Costas gerechnet: Die größte konservati­ve Bewegung, die sich in Portugal kurioserwe­ise Sozialdemo­kratische Partei (PSD) nennt, kam bei der Wahl auf knapp 28 Prozent. Für die Konservati­ven, die von dem 64-jährigen Rui Rio angeführt werden, ist dieses Resultat enttäusche­nd. Sie hatten sich Hoffnungen auf einen Sieg gemacht. In der Wahlzentra­le in Lissabon herrschte am Sonntagabe­nd eisiges Schweigen. Parteichef Rio schloss seinen Rücktritt nicht aus.

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FOTO: PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP Wahlsieger António Costa hat gut lachen.

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