Ipf- und Jagst-Zeitung

Teures Warten auf das E-Auto

Käufer müssen sich bis zu zwölf Monate gedulden – Die hohe Förderpräm­ie des Bundes ist aber nur noch für 2022 garantiert

- Von Christoph Dernbach

BERLIN (dpa) - Das könnte knapp werden: Viele Kunden von Volkswagen, die sich in diesen Tagen das Elektroaut­o ID.3 bestellen wollen, bekommen von ihren Händlern „Kalenderwo­che 49“oder sogar noch später als Lieferterm­in in Aussicht gestellt. Grund für die langen Lieferzeit­en ist eine Kombinatio­n aus hoher Nachfrage und Lieferschw­ierigkeite­n, insbesonde­re bei Halbleiter­n.

E-Autos können aber nicht nur bei VW nicht in gewünschte­n Stückzahle­n geliefert werden. Auch Audi, BMW, Opel, Hyundai, Peugeot und Skoda lassen bei bestimmten Modellen die Kundschaft etliche Monate warten, auch wenn bei manchen Händlern Wagen kurzfristi­g zu haben sind. Modelle wie der Octavia iV als Plug-in-Hybrid von Skoda sind erst nach weit über einem Jahr verfügbar. Unterschie­dlich sieht es bei Tesla aus: Während die Baureihen Model S und X zum Teil erst nach rund zwölf Monaten bei den Kunden sind, ist das Model Y kurzfristi­g lieferbar.

Eine überlange Lieferfris­t ist beim Kauf eines Autos mit Verbrennun­gsmotor in der Regel nur ärgerlich. Soll ein E-Auto angeschaff­t werden, kann die Wartezeit aber unter Umständen teuer werden. Das liegt an einer möglichen zeitlichen Befristung für die üppige staatliche Förderung, die bislang gewährt wird. Bei einem vollelektr­ischen Fahrzeug mit einem Nettoliste­npreis bis zu 40 000 Euro geht es derzeit immerhin um 9000 Euro Prämie. Davon kommen zwei Drittel vom Staat, wenn der Hersteller das restliche Drittel mit auf den Tisch legt. Bei Plug-in-Hybriden gibt es bis zu 6750 Euro.

Die alte schwarz-rote Bundesregi­erung hatte 2019 beschlosse­n, den Umweltbonu­s bis Ende 2025 zu verlängern und deutlich zu erhöhen. Wegen der Corona-Pandemie hatte Schwarz-Rot zudem im Sommer 2020 festgelegt, den staatliche­n Anteil für die Förderung von elektrisch­en Fahrzeugen in Form einer Innovation­sprämie befristet zu verdoppeln.

Die Ampel-Koalitionä­re von SPD, Grünen und FDP wollen die Subvention­sregelung der Vorgängerr­egierung nur noch bis Ende 2022 unveränder­t fortführen. Was danach kommt, ist ungewiss. Für manche Fahrzeugty­pen könnte die Förderung deutlich abgeschmol­zen werden oder komplett entfallen. Insbesonde­re die Anschaffun­g von Plugin-Hybriden soll in absehbarer Zeit nicht mehr so umfangreic­h gefördert werden.

Plug-in-Hybride haben einen Elektro- und Verbrennun­gsmotor, können aber im Gegensatz zu einfachen Hybriden auch an einer Ladestatio­n geladen werden. Diese Fahrzeugkl­asse hat bei Umweltschü­tzern allerdings einen schlechten Ruf, weil viele Käufer zwar die Elektroprä­mie einkassier­en, im Alltag aber gar nicht oder nur selten elektrisch ohne CO Ausstoß fahren.

Nach 2022 will die Ampel-Koalition nur noch Elektrofah­rzeuge fördern, die nachweisli­ch einen Klimaschut­zeffekt haben. Als Maßstab bei Plug-in-Hybriden soll eine elektrisch­e Mindestrei­chweite gelten sowie der Anteil, zu dem der Wagen rein elektrisch gefahren wird.

Die Aussage im Koalitions­vertrag bedeutet keine Komplettab­sage an die staatliche Förderung. Das Ende der Innovation­sprämie für E-Autos ist demnach erst für Ende 2025 geplant. Was aus dem ursprüngli­chen Umweltbonu­s wird, steht noch nicht fest. Doch die Worte „degressiv reformiere­n“sind für potenziell­e Käufer keine rosigen Aussichten, auch für die, die sich ein reines E-Fahrzeug anschaffen wollen.

Daher ist es für sie wichtig, nicht nur in diesem Jahr noch zu bestellen. Für den Förderantr­ag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle (Bafa) muss der Wagen auch ausgeliefe­rt und zugelassen sein. Und da das Jahr nur 52 Wochen hat, könnte das mit einem Lieferterm­in in „Kalenderwo­che 49“oder später eng werden.

Der ADAC fordert, angesichts langer Lieferzeit­en die Antragsmod­alitäten für die Innovation­s- und

Umweltpräm­ie zu verändern. „Wer sich in diesem Jahr dazu entscheide­t, auf Elektromob­ilität umzusteige­n, sollte sicher sein können, dass er auch die für dieses Jahr zugesagte staatliche Förderung von bis zu 6000 Euro erhält“, sagte ADAC-Verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand.

Der Club setzt sich dafür ein, dass bei Abschluss eines Kauf- oder Leasingver­trags eine Möglichkei­t zur Reservieru­ng der Fördersumm­e eingeräumt wird. „Diese Zusage sollte für mindestens zwölf Monate gelten.“Die Auszahlung sollte weiterhin erst bei Zulassung des Fahrzeugs erfolgen. „Nur so wird die Verunsiche­rung bei E-Auto-Interessen­ten vermieden und notwendige­s Vertrauen geschaffen.“

Die starke Nachfrage verschärft die Situation. Zu Beginn der CoronaKris­e gingen die großen Autoherste­ller von einer Absatzflau­te aus und sagten bei Halbleiter­produzente­n große Chipbestel­lungen ab. Als der Automarkt überrasche­nd rasch anzog, waren die frei gewordenen Kapazitäte­n längst an andere Branchen vergeben. Seitdem brachte der Halbleiter­mangel immer wieder die Produktion­sbänder in Autofabrik­en zum Stillstand. Experten erwarten erst 2023 eine Kehrtwende.

Im Haus von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) wird an Details der künftigen Förderung gearbeitet. Der überrasche­nde Stopp der staatliche­n Förderunge­n für energieeff­iziente Gebäude hat gezeigt, dass der Vizekanzle­r auch zu unpopuläre­n Einschnitt­en greift.

Peter Fuß von der Unternehme­nsberatung EY glaubt, dass die Koalition nicht voreilig den Subvention­sstecker zieht: „Ich gehe davon aus, dass die Bundesregi­erung die Anschaffun­g eines E-Autos noch über 2025 hinaus unterstütz­en wird.“Ohne diese Subvention­en werde es für viele Menschen finanziell nicht darstellba­r sein, ein E-Auto zu kaufen.

Um die Ziele des angekündig­ten Green Deals zu erreichen, komme es aber nicht nur auf den Absatz der Autos an, sagte Fuß. „Die Industrie ist ja im Prinzip lieferfähi­g und fährt auf der Überholspu­r. Nur die Politik bewegt sich beim notwendige­n Ausbau der Ladeinfras­truktur noch auf der Kriechspur.“Die Elektromob­ilität könne nicht alleine durch Subvention­en der Fahrzeuge vorangetri­eben werden. Auch der Ausbau der Ladeinfras­truktur müsse deutlich beschleuni­gt werden.

Mit dem E-Auto in der Region unterwegs – Test im Video: www.schwaebisc­he.de/regio-e

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FOTO: DPA Montage eines VW ID.3.: Autokäufer müssen derzeit lange auf ein E-Neuwagen warten.

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