Zurück zu den Wurzeln
Nach dem Verkauf an Planmeca versucht der Biberacher Dentalspezialist Kavo, wieder auf eigenen Beinen zu stehen
BIBERACH - Mit den Produkten des Biberacher Unternehmens Kavo ist wohl schon jeder mindestens einmal in Berührung gekommen. Sehr viele dürften diese Begegnungen in eher schlechter Erinnerung haben. Denn Kavo stellt Instrumente und Behandlungseinheiten für Zahnärzte her. Das hochfrequente Kreischen etwa, wenn der Bohrer auf den Zahnschmelz des Patienten trifft, kommt aus den Handund Winkelstücken des schwäbischen Dentalspezialisten. Genau wie der Zahnarztstuhl der samt Tisch und Geräteträger als Behandlungseinheit verkauft wird.
Weltweit, erklärt Unternehmenschef Martin Rickert, nutzten 90 Prozent der Zahnarztpraxen in der entwickelten Welt „mindestens ein Produkt von Kavo“. Und fast alle Kunden, so Rickert, seien Wiederholungstäter, würden nach dem erstmaligen Kauf dem Unternehmen die Stange halten.
Rickert ist kein Unbekannter in Biberach. Zwischen 2000 und 2006 bestimmte der Manager schon einmal die Geschicke von Kavo. Nach einer mehr als fünfzehnjährigen Abstinenz ist er nun erneut angetreten, die Erfolgsgeschichte des Unternehmens fortzuschreiben. Eine Geschichte, die vor mehr als 110 Jahren in Berlin begann.
1909 gründete Alois Kaltenbach ein Dentalunternehmen, aus dem zehn Jahre später mit dem Einstieg von Richard Voigt als Partner Kavo wurde. Der Firmenname rekrutiert sich aus den beiden Anfangsbuchstaben der Nachnamen von Kaltenbach und Voigt. Nach dem zweiten Weltkrieg wird Kavo im oberschwäbischen Biberach neu aufgebaut und mausert sich über die Jahre zu einem der weltweit führenden Hersteller für Dentalinstrumente und Behandlungseinheiten.
Seitdem werden in Biberach und im benachbarten Warthausen hochpräzise Hand- und Winkelstücke für Zahnärzte hergestellt – angetrieben entweder durch mit Druckluft betriebene Turbinen oder durch Elektromotoren. Auch sogenannte Scaler hat das Unternehmen im Programm, mit denen beispielsweise Zahnstein durch Ultraschallvibrationen entfernt wird. Später kommen ganze Behandlungseinheiten für Dentalpraxen hinzu.
Typisch für Kavo sind die hohe Fertigungstiefe – bei den Instrumenten geschieht 95 Prozent der Wertschöpfung im eigenen Haus – und Innovationen. Weltweit hält das Unternehmen 2200 Patente und Gebrauchsmuster im Dentalbereich. Die Multiflex-Kupplung mit der die Hand- oder Winkelstücke angeschlossen werden sind noch heute Standard.
Streitereien im Gesellschafterkreis führten 2004 zum Verkauf von Kavo an den US-Mischkonzern Danaher. 350 Millionen Euro war den Amerikanern damals der oberschwäbische Dentalspezialist wert, der später Teil der Envista Holding wurde. Im vergangenen Jahr dann die Trennung: Käufer ist der finnische Unternehmer Heikki Kyöstilä und die von ihm 1971 gegründete Planmeca-Gruppe.
„Heikki hatte mich damals angerufen und gefragt, ob ich da mitmache“, erklärte Rickert, der seit seinem Ausscheiden bei Kavo 2006 ein eigenes Unternehmen aufgebaut und wieder verkauft hatte und zum damaligen Zeitpunkt Privatier war. Rickert machte mit. Zusammen schlugen die beiden rund 30 weitere Interessenten aus dem Feld, ehe Anfang September 2021 der Kaufvertrag unterschrieben wurde. Dem Vernehmen nach 455 Millionen US-Dollar – umgerechnet aktuell rund 408 Millionen Euro – inklusive eines erfolgsabhängigen Anteils von bis zu 30 Millionen US-Dollar (27 Millionen Euro) legte Kyöstilä für Kavo auf den Tisch.
Unter dem Dach von Planmeca will Rickert mit Kavo „ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufschlagen“, erklärte er am Montag. Dabei soll Kavo wieder als eigenständige Firma funktionieren – so wie es vor dem Verkauf an Danaher jahrzehntelang der Fall war. „Das Herz von Kavo schlägt wieder in Biberach und Warthausen“, sagte Rickert.
Die Philosophie des neuen finnischen Eigentümers passe in diesem Zusammenhang gut zu Kavo: Denn auch bei Planmeca handele es sich um ein Unternehmen mit familiären Wurzeln; man teile gemeinsame Werte. Außerdem gebe es Synergien sowohl bei der Produktpalette als auch bei den von Planmeca und Kavo bedienten Märkten. Kurzfristig etwa ist angedacht, Dentalinstrumente und Mikromotoren von Kavo in die Planmeca-Behandlungseinheiten zu integrieren. Umgekehrt geschieht das mit den Kleinröntgensystemen von Planmeca, die ihren Weg in die Kavo-Behandlungseinheiten finden sollen.
Zusammen kommen beide Unternehmen auf einen Umsatz von rund 1,1 Milliarden Euro und 4500 Mitarbeiter weltweit – jeweils rund ein Drittel davon bringt Kavo in die Verbindung ein (Umsatz: 356 Millionen Euro; Mitarbeiter: 1600, davon 1200 an den Standorten Biberach und Warthausen). Während die Stärken von Kavo insbesondere in der Mechanik liegen, punktet Planmeca bei digitalen Lösungen für den DentalpraxisWorkflow. „Wirtschaftlich und kulturell passen wir gut zusammen“, ist sich Rickert daher sicher. Der neue Eigentümer bringe langfristige Perspektiven bei Kavo ein, die nicht nur am nächsten Quartalsbericht
„Das Herz von Kavo schlägt wieder in Biberach und Warthausen.“
Martin Rickert, CEO des Dentalspezialisten Kavo
ausgerichtet seien.
Das dürfte als Seitenhieb auf den früheren Eigner Envista zu verstehen sein, der als börsennotierter Dentalkonzern immer auch die recht kurzfristigen Interessen seiner Aktionäre im Blick haben muss.
Die Abnabelung von Envista ist allerdings noch nicht vollständig vollzogen. Funktionsbereiche wie Vertrieb, Finanzen und Personal – die früher zentral auf Holdingebene bei Envista angesiedelt waren und für alle Tochtergesellschaften galten – müssten noch final entflochten und in Biberach neu aufgebaut werden. Dafür habe man vertraglich bis Februar 2023 Zeit. Vor allem im IT- und Finanzbereich sei das „sehr komplex“, räumte Rickert ein.
Parallel dazu laufen gerade die Jahresgespräche mit den Fachhändlern an – bei denen Kavo erstmals wieder als eigenständiges Unternehmen auftritt. Für das laufende Jahr, kündigte der Vorstandschef schon einmal an, sei produktseitig „einiges zu erwarten“. Insbesondere Zahnärztinnen habe man dabei im Fokus.