Ipf- und Jagst-Zeitung

„Die schießen“

Bei einer Verkehrsko­ntrolle werden zwei Polizisten getötet – Spielt totes Wild eine Rolle?

- Von Wolfgang Jung und Jan Brinkhus

KUSEL (dpa) - Die ländlich geprägte Gegend um die kleine pfälzische Kreisstadt Kusel wirkt friedlich, doch an diesem Montag trügt das Idyll: Ganz in der Nähe sind zwei Polizisten bei einer Verkehrsko­ntrolle erschossen worden. Am Nachmittag nimmt die Polizei im benachbart­en Saarland zwei 32 und 38 Jahre alte Männer unter dringendem Tatverdach­t fest. Die Ermittler hatten zuvor öffentlich nach dem 38-Jährigen aus Spiesen-Elversberg im Kreis Neukirchen gefahndet.

Die Polizei hat den Tatort, der sich auf der Kreisstraß­e 22 befindet, den ganzen Tag über weiträumig abgeriegel­t. Kurz hinter dem Ort Mayweilerh­of ist die zweispurig­e Straße nach Ulmet mit rot-weißem Flatterban­d abgesperrt. Schwer bewaffnete Polizisten in Schutzausr­üstung patrouilli­eren neben ihren Einsatzfah­rzeugen. Auch Stunden nach der Tat ist vieles an dem Verbrechen noch unklar. Nach den bisherigen Erkenntnis­sen hatten der 29-jährige Polizist und seine 24-jährige Kollegin, die nach Angaben der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) noch an der Hochschule der Polizei studierte, dort gegen 4.20 Uhr ein Fahrzeug kontrollie­rt. Den Ermittlern zufolge waren die beiden zuvor auf einer routinemäß­igen Streifenfa­hrt unterwegs gewesen.

Warum ihnen der Wagen auffiel und was dann passierte, ist Gegenstand der Ermittlung­en. Wie aus Sicherheit­skreisen zu erfahren war, setzten die Polizisten noch per Funk einen Hilferuf ab: „Die schießen.“Ob es sich tatsächlic­h um einen, zwei oder noch weitere Täter handelte, war unklar. Die Fahndung der Polizei lief daher auch nach der Festnahme der beiden Männer zunächst weiter.

Die beiden Polizisten hatten demnach bei der Kontrolle totes Wild in dem Fahrzeug gefunden. Offenbar kam es zu einem Schusswech­sel, der 29-Jährige feuerte mehrere Schüsse aus seiner Dienstwaff­e ab. Er und seine Kollegin trugen Uniformen und Sicherheit­swesten. Die Dienstwaff­e der 24-Jährigen steckte noch im Holster, sie schoss demnach offensicht­lich nicht.

Als Verstärkun­g der Polizei eintraf, konnte sie den beiden nicht mehr helfen. Die Täter waren mit dem Auto geflüchtet. Die Tat sorgte weit über die Region hinaus für großes Entsetzen. „Wir durchleben gerade den realen Alptraum aller Polizistin­nen und Polizisten“, sagte die GdP-Landesvors­itzende Sabrina Kunz.

Politiker aller Couleur zeigten sich erschütter­t. „Unabhängig davon, welches Motiv der Tat zugrunde liegt: Diese Tat erinnert an eine Hinrichtun­g, und sie zeigt, dass Polizistin­nen und Polizisten jeden Tag ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren“, sagte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD). Die beiden getöteten Beamten stammten ursprüngli­ch aus dem Saarland, auch dort sind Trauer und Entsetzen groß.

Warum die Täter plötzlich das Feuer auf die Beamten eröffneten, ist bisher unklar. Die Polizei hatte am Montag Autofahrer im Kreis Kusel und im angrenzend­en Saarland davor gewarnt, Anhalter mitzunehme­n, da mindestens einer der Täter bewaffnet sei.

Der Ort, an dem die Schüsse fielen, ist weit von den Absperrung­en entfernt und aus der Distanz nicht zu erkennen. Hinter einer Unterführu­ng steht ein Fahrzeug der Einsatzkrä­fte, das Blaulicht glänzt auf dem regennasse­n Asphalt. Drei Kilometer sind es von hier, von der Alten Römerstraß­e, nach Ulmet.

Fahles Sonnenlich­t fällt an diesem Tag auf die kahlen Bäume entlang der Straße, die hier leicht ansteigt. „Der Weg wird gerne als Abkürzung genutzt oder als Schleichwe­g, wenn einer was getrunken hat“, sagt ein Mann, der in Mayweilerh­of vor dem Haus steht. Dass hier zwei Menschen in der Nacht zuvor erschossen wurden, sei erschütter­nd. „Die Täter waren bestimmt nicht von hier. Wir sind friedliche Leut'“, meint er im Pfälzer Dialekt. Eine Frau aus Ulmet berichtet, sie habe in der Nacht Schüsse gehört. „Wir haben hier immer wieder einmal Jäger und Militärman­över, aber das klang anders.“Einige Zeit später habe sie ein Martinshor­n gehört. „Ich dachte, da sei ein Unfall passiert. Wer denkt hier bei uns gleich an ein Verbrechen?“

 ?? FOTO: S. GOLLNOW/DPA ?? Einsatz am Morgen nach der Tat: Polizisten an einer Absperrung an der Kreisstraß­e 22 in der Westpfalz, einen Kilometer vom Tatort entfernt.
FOTO: S. GOLLNOW/DPA Einsatz am Morgen nach der Tat: Polizisten an einer Absperrung an der Kreisstraß­e 22 in der Westpfalz, einen Kilometer vom Tatort entfernt.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany