Kleckern statt klotzen
Am letzten Tag kommt Bewegung in den Transfermarkt – Bundesliga investiert zurückhaltend
MÜNCHEN (dpa/SID) - Bei 150 Millionen Euro Umsatzeinbußen ist selbst Bayern München bescheiden geworden. Wintertransfers? Gibt es beim Rekordmeister ebenso wie bei Borussia Dortmund nicht. Und auch bei den Gehältern „müssen wir uns an bestimmte wirtschaftliche Grenzen halten“, sagte unlängst Bayern-Vorstandschef Oliver Kahn.
Wie dem FC Bayern geht es in Corona-Zeiten vielen Clubs in der Fußball-Bundesliga. Das zeigt auch der aktuelle Transfermarkt, der am Montagabend schloss. Kleckern statt klotzen, Vernunft statt Wahnsinn heißt die Devise bei den deutschen Clubs, die mit der englischen Premier League, inzwischen aber auch mit der italienischen Serie A längst nicht mehr mithalten können. Rund 80 (!) Millionen Euro überwies allein Juventus Turin für Dusan Vlahovic an Florenz. Dagegen nimmt sich der Winter-Rekordeinkauf in der Bundesliga sehr bescheiden aus: Rund 17 Millionen Euro investierte der FC Augsburg für das US-Talent Ricardo Pepi.
Obwohl die ganz großen Namen und teuren Millionen-Transfers ausblieben, kam es auch auf dem deutschen Markt am letzten Tag der Transferperiode aber nochmal zu einem hektischen Schlussspurt – ausgelöst durch die viel diskutierte Rückkehr von Max Kruse von Union Berlin zum VfL Wolfsburg. Der in die Abstiegszone abgestürzte Champions-LeagueTeilnehmer sorgte rund um Ex-Nationalspieler Kruse sogar für eine richtige Rochade im Sturm und bewegte dabei das meiste Geld. Kruse (33) soll fünf Millionen Euro kosten, der dänische Nationalstürmer Jonas Wind (22) vom FC Kopenhagen sogar zwölf. Kevin Paredes kommt für rund sieben Millionen aus Washington. „In dieser Situation war das unserer Einschätzung nach nötig“, begründete Wolfsburgs Sport-Geschäftsführer Jörg Schmadtke gegenüber dem Sportbuzzer die Transferoffensive. „Wir glauben, dass uns ein anderer Geist guttut.“
Im Gegenzug brachte der Verkauf von Torjäger Wout Weghorst zum FC Burnley dem VfL angeblich 14 Millionen ein. Mit dem 29-Jährigen verlieren die Wölfe allerdings den zweitbesten Torjäger ihrer Bundesliga-Geschichte nach Edin Dzeko. In 118 Einsätzen traf er 59 Mal. Beim Premier-LeagueSchlusslicht wurde Weghorst mit großem Tamtam vorgestellt. Unter anderem mit einem „Jurassic Park“-Video: Als der Niederländer in die Stadt kommt, zittert das Wasser in den Gläsern, am Ende begrüßt er mit einem lauten Urschrei.
Bei den neureichen und oft von Investoren finanzierten Clubs aus England gibt es offenbar keine PandemieAuswirkungen und nach wie vor keine Grenzen. Zweistellige MillionenTransfers waren auch im Winter Alltag. Der FC Liverpool zahlte 45 Millionen für Luis Diaz vom FC Porto. Newcastle United, seit geraumer Zeit von Saudi-Arabien unterstützt, gab fast 90 Millionen Euro für Bruno Guimaraes, Chris Wood und Kieran Trippier
aus. Den teuersten Transfer im Winter leistete sich jedoch Juve mit Vlahovic. Und selbst der mit über einer Milliarde verschuldete FC Barcelona ging ins Risiko: 55 Millionen für Fernan Torres von Manchester City.
In der Bundesliga stehen die großen Summen hingegen eher auf der Einnahmeseite. So erhält Borussia Mönchengladbach für den im Sommer ablösefreien Denis Zakaria von Juventus Turin doch noch ein paar erhoffte Millionen – offenbar zwischen fünf und acht. Der ehemalige Weltmeister Matthias Ginter bleibt dagegen in Gladbach und wird nun im Sommer ablösefrei zu einem neuen Club wechseln. Als aussichtsreichster Anwärter gilt Inter Mailand, wohin in diesem Winter schon Nationalmannschafts-Kollege Robin Gosens für rund 22 Millionen Euro von Atalanta Bergamo gewechselt war.
Bei diesen Summen kann die Bundesliga nicht mithalten. Mit rund 61 Millionen Euro liegt Deutschland laut Transfermarkt.de bei den Ausgaben weltweit auf Rang fünf. Davor kommen mit weitem Abstand an der Spitze Englands Premier League, die über 300 Millionen ausgab, gefolgt von der Serie A (170), der Premier Liga aus Russland (71,95) und der spanischen La Liga (64,85). Selbst die amerikanischen Major League Soccer (55,36) rückte der Bundesliga, die vor Corona noch rund 200 Millionen Euro während der Wintertransperiode ausgegeben hatte, mittlerweile näher.
Angesichts dieser internationalen Aktivitäten dürfte sich der Wunsch von Oliver Kahn auch in Zukunft eher nicht erfüllen. Für den FC Bayern sei es „wichtig“sagte er, „auf Gehälterebene eine gewisse Beruhigung ins Fußball-Geschäft reinzubekommen. Auch bei Transfers wäre das wichtig.“