Nadal-Rekord und der ungläubige Blick
Ellenberg, Bopfingen und Co. schauen auf Tennis-Geschichte: Episches Spiel als Vorbild
ELLENBERG/BOPFINGEN - 5:24 Stunden vor dem Fernseher auf dem Sofa können dann doch anstrengend sein. Wie soll das erst sein, wenn man 5:24 Stunden Tennis spielt? Aber nicht nur ein bisschen auf dem Sandplatz nebenan, sondern auf dem Hartplatz in dr Rod Laver Arena in Melbourne, bei fast 30 Grad im sommerlichen Australien, im Fokus der Weltöffentlichkeit. In einem epischen Spiel.
An diesem Sonntagnachmittag schrieb Rafael Nadal Tennis-Geschichte. Der 21. Grand-Slam-Turnier-Titel – Rekord. Ein geschichtsträchtiges Finale. 2:6, 6:7 (5:7), 6:4, 6:4 und 7:5 und sein zweiter, bedeutendster Sieg bei den Australien Open war perfekt. Martin Fuchs war wie Millionen Tennis-Fans nicht live dabei, sondern daheim im winterlichen Ellenberg vor dem TV. Er hat genau zum richtigen Zeitpunkt eingeschaltet, als dieses Spiel mit dem dritten Satz eine Wendung nahm, die kaum einer für möglich gehalten hat – außer vielleicht der willensstarke Nadal. „Ich habe den Kampf genossen“, sagte Nadal nach dem eigentlich unglaublichen Erfolg – ihm machte zuvor eine Fußverletzung ein halbes Jahr lang zu schaffen. Nach zwei verlorenen Sätzen war der spanische Starspieler zurück – und Fuchs mit seiner Familie blieb dran bis zum krönenden Schluss. Für einen Tennistrainer und Jugendwart könnte es keinen besseren Anschauungsunterricht geben. Fuchs trainiert beim TC Ellenberg die Kids, schon an diesem Mittwoch geht es mit den zehn- und elfjährigen Nachwuchsspielern wieder in die kleine Halle in dem Ort im Virngrund. Immerhin Halle statt Sand- oder Hartplatz in diesen Winterzeiten. „Das ist absolut wichtig für die Kinder“, sagt Fuchs. Kinder benötigen viel Bewegung und Trainingszeit, auch so schult sich die Einstellung zum Sport.
„Nadal ist ein Vorbild an Einstellung und was er sportlich leistet“, befindet der Nachwuchstrainer. Die Einstellung ist im Sport manchmal entscheidend bei allem Talent. Über fünf Stunden Tennis auf höchsten Niveau – und Nadal ist 35 und spielt gefühlt schon ewig, sein Finalgegner Daniil Medwedew (25) war bei Nadals ersten Triumph in Australien 2009 gerade einmal 13 Jahre alt. Die fast unglaubliche Aufholjagd nach einem Rückstand mit zwei Sätzen gegen einen zehn Jahre jüngeren Spieler mit dem Rekordsieg hinterließ in der Medienwelt allerhand Reaktionen – auch von seinem Rivalen Novak Djokovic (34) via twitter (“Fantastische Leistung“), der nach seiner verbotenen Einreise nicht auf den 21. Titel gehen konnte. Und dem ebenso 20-fachen Grand-Slam-Mann Roger Federer (40) via Instagram (“Fantastisch. Unterschätze nie einen großen Champion“).
Sowie ein Staunen auf Millionen heimischen Sofas. „Man hat es kaum für möglich gehalten, dass er da solange durchhält. Wir haben immer gedacht: Irgendwann wird Nadal einbrechen, aber er hat noch mehr Gas gegeben“, sagt Fuchs. Der 42-Jährige spielt selbst noch für die Herren 30 des Clubs in der Bezirksklasse. Auch Christoph Leuze (37), Vorstand Jugend des TV Bopfingen, spielt am Ipf noch Tennis für die Herren des Vereins in der Bezirksoberliga und war wie Fuchs und Millionen weiterer Zuschauer von diesem langen, langen Spiel begeistert. „Es war eine wahnsinnige Energieleistung von Nadal. Dass er so zurückkommt – Respekt. Was mich überrascht hat: Dass er körperlich keine Probleme hat. Nadal ist ein Vorbild für den Nachwuchs“, sagt Leuze. Nadal, ein Vorbild und Kämpfer mit „unbändigen Siegeswillen“. Leuze sah auch einen weiteren Aspekt, solch eine Leistung abzuliefern. „Man sieht, dass er Erfahrung hat und schon öfters Spiele über fünf Sätze gewonnen hat“, so der Jugendvorstand. Fünf Sätze über fünf Stunden – „das war ein einmaliges Finale“, schwärmt Leuze. „Jeder Ballwechsel wurde zu Einhundertprozent gespielt. Da können sich alle Nachwuchsspieler eine Scheibe von abschneiden“, merkt der Funktionär an. So ein Tennisspiel wie das von Sonntag macht Lust auf mehr.
Dabei ist Funktionärskollege Fuchs kein Nadal-Fan. Alexander Zverev „schaue ich gerne“. Der 24jährige deutsche Top-Spieler schied allerdings schon in der dritten Runde aus. Und könnte möglicherweise bei den nächsten Australien Open auch auf Nadal treffen. „Ich werde alles dran setzen, um im nächsten Jahr wieder hier zu sein“, erklärte Nadal – und posierte an diesem Montag ganz entspannt mit seiner neueste Trophäe auf einer grünen Wiese.