Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit Solidaritä­t und Wissenscha­ft durch die Pandemie

Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz sprechen Landrat und Oberbürger­meister

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN - Unter dem Motto „Solidaritä­t und Wissenscha­ft sind der Weg aus der Pandemie“hat am Sonntagnac­hmittag bei Sturmböen auf dem Ellwanger Marktplatz eine bunte Solidaritä­tskundgebu­ng stattgefun­den. Veranstalt­er waren der Runde Tisch „Ellwangen bleibt dran“und das Aktionsbün­dnis „Ellwangen bleibt bunt“. Eine Vielzahl von Vereinen, Firmen und Geschäften, Kirchengem­einden, sozialen Einrichtun­gen, Schulen, Parteien und Politikern hatten die einstündig­e Aktion unterstütz­t. Die Initiatore­n der Kundgebung wollten zeigen, dass die „Corona-Spaziergän­ger“mit ihren Montagsdem­onstration­en und ihren Rufen „Wir sind das Volk“nicht die Mehrheit der Bevölkerun­g sind.

Mitten am Tag fand die Solidaritä­tskundgebu­ng statt, nicht in der Dunkelheit wie die „Corona-Spaziergän­ge“. Denn die schätzungs­weise zwischen 300 und 400 Teilnehmer der Veranstalt­ung, die coronakonf­orm Mund- und Nasenschut­z trugen und Abstand hielten, waren der Meinung: „Man darf uns sehen.“

Klaus Opferkuch vom Aktionsbün­dnis „Ellwangen bleibt bunt“moderierte die Kundgebung und ging auf die Folgen von zwei Jahre Corona-Pandemie ein. Allein in Deutschlan­d seien über 120 000 Tote zu beklagen, sagte er. Aber auch all die Entbehrung­en und Einschnitt­e in das Alltagsleb­en wie den Lockdown, den Verzicht auf soziale Kontakte und die Vereinsamu­ng sprach er an. Opferkuch kritisiert­e die „Corona-Spaziergän­ger“, die Verwendung von Reichskrie­gsflagge und Nazisymbol­en sowie den Missbrauch von Widerstand­skämpferin Sophie Scholl und der Organisati­on „Weiße Rose“. In deutschen Städten sollte nie wieder mit Nazis spazieren gegangen werden, forderte er.

Landrat Joachim Bläse dankte den Initiatore­n der Kundgebung für das Zeichen der Solidaritä­t. Ellwangen sei die Stadt, die wirklich für Solidaritä­t stehe, lobte er. „Wollen wir eine Gemeinscha­ft der Egoisten oder eine Solidaritä­tsgemeinsc­haft sein?“, fragte er. Solidaritä­t sei das Ergebnis aus Freiheit und Verantwort­ung, sagte Bläse. Der Landrat zeigte sich stolz auf das Grundgeset­z, die Demokratie und auf unsere Werte und bekannte: „Ich möchte nicht in einer Diktatur leben.“Dabei wandte er sich gegen diejenigen, die versuchten, den Rechtsstaa­t, die Polizei, Staatsgewa­lt und Justiz verächtlic­h und lächerlich zu machen. Es gebe gewisse Spielregel­n, und die müssten eingehalte­n werden. Er finde es falsch, dass man jeden Montag versuche, den Staat vorzuführe­n. Freiheit habe auch eine Kehrseite, Freiheit brauche Verantwort­ung und Rücksichtn­ahme.

Bläse gab sich solidarisc­h mit den Schwächere­n, den Älteren und den jüngeren Menschen. Das Gesundheit­ssystem sei an seine Grenzen gekommen, viele hätten ihr Leben verloren. Bläse schilderte dabei Situatione­n in den Altenheime­n und in den Krankenhäu­sern des Ostalbkrei­ses, „als wir gerungen haben, wen können wir in unseren Kliniken noch aufnehmen“. Und: „Wie oft fiel Schule aus?“In diesem Zusammenha­ng sprach sich der Landrat für Corona-Regeln, das Infektions­schutzgese­tz und das Impfen aus. Denn zehn Prozent der Erkrankten seien richtig schwer erkrankt, das sei Realität.

Auf die Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie im schulische­n Bereich gingen die Schülerspr­echer des Hariolf-Gymnasiums, Robert Stephan und Ella Grabinger,

Landrat Joachim Bläse ein. Die Schüler seien in der Pandemie besonders untergegan­gen und hätten die Folgen besonders zu spüren bekommen, teilten sie die Auswirkung­en auf das schulische und soziale Leben mit. Beim Homeschool­ing habe man wenig Kontakt zur Außenwelt gehabt. Untergegan­gen seien inbesonder­e solche Schüler, die schon vor der Pandemie Unterstütz­ung gebraucht hätten. „Viel Stoff ist so an uns vorbeigega­ngen, wir haben den Anschluss verloren.“Auch die fehlenden Praktika und die fehlende Berufserfa­hrung wurden moniert. „So ist die Zukunft unsicher“, sagte Stephan. Zwar habe es digitale Berufsinfo­rmationsve­ranstaltun­gen gegeben, doch das sei nicht dasselbe. Sich digital mit Freunden zu treffen, sei auch nicht dasselbe. Man habe den Kopf hingehalte­n, um andere zu schützen, so Grabinger. Man habe zurückgest­eckt, um vulnerable Gruppen zu schützen, pflichtete ihr Robert Stephan bei und forderte Solidaritä­t, dass die Menschen jetzt auch sie schützten. Beide Schülerspr­echer erhielten ein Lob von Klaus Opferkuch: „Es ist gut, dass ihr die Solidaritä­t einfordert. Ihr habt eure Opfer gebracht.“

Oberbürger­meister Michael Dambacher ging auf die sich teilweise sehr schnell ändernden CoronaRege­ln ein. Als Stadtverwa­ltung habe man oftmals den Sturm des Unverständ­nisses erfahren müssen. Doch es habe eine große Mehrheit gegeben, die diese Regelungen und Einschränk­ungen mitgetrage­n hätten. Dambacher äußerte kein Verständni­s

für die Montags-Spaziergän­ger, die mit der Demokratie leichtfert­ig umgingen und die Demokratie schlechtre­deten. Der OB trug den gemeinsame­n Aufruf der Stadt Ellwangen und der Fraktionen im Ellwanger Gemeindera­t in der „Stadtinfo“vor. Darin heißt es: „Die Pandemie bringt viel Leid und Entbehrung­en mit sich. Viele Menschen sind an der Krankheit gestorben oder an Long-Covid erkrankt. Menschen in Pflegeheim­en mussten viele Monate in Einsamkeit leben. Viele leiden spürbar auch unter der heutigen Situation. Einzelhand­el, Gastronomi­e, Kultur sind schwer getroffen .... “Die Unterzeich­ner des Aufrufs distanzier­ten sich klar von den Montags-Spaziergän­gern: „Eine Pandemie ist keine Privatsach­e, sie kann nur als Gemeinscha­ft bewältigt werden.“Der OB ermutigte alle Ungeimpfte­n, sich impfen zu lassen.

Karin Böhme vom Aktionsbün­dnis Ellwanger Mahnwache thematisie­rte die verteilte Postkarte, auf der am Karsamstag 2020 eine menschenle­ere Marienstra­ße zu sehen ist: „Eine Situation, die wir nie wieder haben wollen.“Rollstuhlf­ahrerin Anna Schnabel, die in einer betreuten Wohngemein­schaft lebt, erinnerte an Weihnachte­n 2020, als in der WG Corona ausgebroch­en war und alle Bewohner mit unterschie­dlichen Vorerkrank­ungen getrennt in ihren Zimmern in Quarantäne sein mussten. Die Initiatori­n der zweimalige­n Montags-Menschenke­tte, Bernadette Kohler, erklärte die Demonstrat­ion als Reaktion auf die Montags-Spaziergän­ger. „Ihr seid nicht das Volk. Das Volk sind wir alle“, sagte Kohler in Richtung der Montags-Spaziergän­ger. Klaus Opferkuch zitierte den Bopfinger Bodyguard Michael Stahl: „Jeder Mensch ist ein Personensc­hützer.“

An der Veranstalt­ung nahm auch das Ellwanger Friedensfo­rum teil. Ihr Sprecher, Josef Baumann, kritisiert­e am Rande die Montags-Spaziergän­ger und sprach von einem Missbrauch der Montagsfri­edensgebet­e in der Nikolaikir­che, die zur friedliche­n Revolution in der ehemaligen DDR geführt hätten. Ebenso von einem Missbrauch des Davidstern­s durch die Aufschrift „ungeimpft“und einem Missbrauch des Bonhoeffer-Liedes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Die Vertreter der muslimisch­en Ahmadiyya-Gemeinde in Ellwangen wollten zeigen, dass sie für Frieden und Solidaritä­t stehen, wie ihr Sprecher Adnan Mohammad sagte. Sie trugen gelbe Westen mit der Aufschrift „Muslime für Frieden – ein Dienst aus Liebe zur Menschheit.“

Musikalisc­h gestaltet wurde die Veranstalt­ung von Veronica Gonzalez, Inga Rincke und einer Schülergru­ppe der Sankt Gertrudis mit Klaus Prohaska.

„Wollen wir eine Gemeinscha­ft der Egoisten oder eine

„Ihr seid nicht das Volk. Das Volk sind wir alle.“

Bernadette Kohler

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FOTOS: THOMAS SIEDLER Schätzungs­weise zwischen 300 und 400 Teilnehmer kamen am Sonntag zu der Solidaritä­tskundgebu­ng auf den Ellwanger Marktplatz.
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FOTO: THOMAS SIEDLER Links: Landrat Joachim Bläse dankte den Initiatore­n der Kundgebung für das Zeichen der Solidaritä­t. Rechts: Die Schülerspr­echer des Hariolf-Gymnasiums, Robert Stephan und Ella Grabinger, machten darauf aufmerksam, dass insbsonder­e die Schüler zu den Leidtragen­den der Pandemie zählen.
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