Mit Solidarität und Wissenschaft durch die Pandemie
Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz sprechen Landrat und Oberbürgermeister
ELLWANGEN - Unter dem Motto „Solidarität und Wissenschaft sind der Weg aus der Pandemie“hat am Sonntagnachmittag bei Sturmböen auf dem Ellwanger Marktplatz eine bunte Solidaritätskundgebung stattgefunden. Veranstalter waren der Runde Tisch „Ellwangen bleibt dran“und das Aktionsbündnis „Ellwangen bleibt bunt“. Eine Vielzahl von Vereinen, Firmen und Geschäften, Kirchengemeinden, sozialen Einrichtungen, Schulen, Parteien und Politikern hatten die einstündige Aktion unterstützt. Die Initiatoren der Kundgebung wollten zeigen, dass die „Corona-Spaziergänger“mit ihren Montagsdemonstrationen und ihren Rufen „Wir sind das Volk“nicht die Mehrheit der Bevölkerung sind.
Mitten am Tag fand die Solidaritätskundgebung statt, nicht in der Dunkelheit wie die „Corona-Spaziergänge“. Denn die schätzungsweise zwischen 300 und 400 Teilnehmer der Veranstaltung, die coronakonform Mund- und Nasenschutz trugen und Abstand hielten, waren der Meinung: „Man darf uns sehen.“
Klaus Opferkuch vom Aktionsbündnis „Ellwangen bleibt bunt“moderierte die Kundgebung und ging auf die Folgen von zwei Jahre Corona-Pandemie ein. Allein in Deutschland seien über 120 000 Tote zu beklagen, sagte er. Aber auch all die Entbehrungen und Einschnitte in das Alltagsleben wie den Lockdown, den Verzicht auf soziale Kontakte und die Vereinsamung sprach er an. Opferkuch kritisierte die „Corona-Spaziergänger“, die Verwendung von Reichskriegsflagge und Nazisymbolen sowie den Missbrauch von Widerstandskämpferin Sophie Scholl und der Organisation „Weiße Rose“. In deutschen Städten sollte nie wieder mit Nazis spazieren gegangen werden, forderte er.
Landrat Joachim Bläse dankte den Initiatoren der Kundgebung für das Zeichen der Solidarität. Ellwangen sei die Stadt, die wirklich für Solidarität stehe, lobte er. „Wollen wir eine Gemeinschaft der Egoisten oder eine Solidaritätsgemeinschaft sein?“, fragte er. Solidarität sei das Ergebnis aus Freiheit und Verantwortung, sagte Bläse. Der Landrat zeigte sich stolz auf das Grundgesetz, die Demokratie und auf unsere Werte und bekannte: „Ich möchte nicht in einer Diktatur leben.“Dabei wandte er sich gegen diejenigen, die versuchten, den Rechtsstaat, die Polizei, Staatsgewalt und Justiz verächtlich und lächerlich zu machen. Es gebe gewisse Spielregeln, und die müssten eingehalten werden. Er finde es falsch, dass man jeden Montag versuche, den Staat vorzuführen. Freiheit habe auch eine Kehrseite, Freiheit brauche Verantwortung und Rücksichtnahme.
Bläse gab sich solidarisch mit den Schwächeren, den Älteren und den jüngeren Menschen. Das Gesundheitssystem sei an seine Grenzen gekommen, viele hätten ihr Leben verloren. Bläse schilderte dabei Situationen in den Altenheimen und in den Krankenhäusern des Ostalbkreises, „als wir gerungen haben, wen können wir in unseren Kliniken noch aufnehmen“. Und: „Wie oft fiel Schule aus?“In diesem Zusammenhang sprach sich der Landrat für Corona-Regeln, das Infektionsschutzgesetz und das Impfen aus. Denn zehn Prozent der Erkrankten seien richtig schwer erkrankt, das sei Realität.
Auf die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie im schulischen Bereich gingen die Schülersprecher des Hariolf-Gymnasiums, Robert Stephan und Ella Grabinger,
Landrat Joachim Bläse ein. Die Schüler seien in der Pandemie besonders untergegangen und hätten die Folgen besonders zu spüren bekommen, teilten sie die Auswirkungen auf das schulische und soziale Leben mit. Beim Homeschooling habe man wenig Kontakt zur Außenwelt gehabt. Untergegangen seien inbesondere solche Schüler, die schon vor der Pandemie Unterstützung gebraucht hätten. „Viel Stoff ist so an uns vorbeigegangen, wir haben den Anschluss verloren.“Auch die fehlenden Praktika und die fehlende Berufserfahrung wurden moniert. „So ist die Zukunft unsicher“, sagte Stephan. Zwar habe es digitale Berufsinformationsveranstaltungen gegeben, doch das sei nicht dasselbe. Sich digital mit Freunden zu treffen, sei auch nicht dasselbe. Man habe den Kopf hingehalten, um andere zu schützen, so Grabinger. Man habe zurückgesteckt, um vulnerable Gruppen zu schützen, pflichtete ihr Robert Stephan bei und forderte Solidarität, dass die Menschen jetzt auch sie schützten. Beide Schülersprecher erhielten ein Lob von Klaus Opferkuch: „Es ist gut, dass ihr die Solidarität einfordert. Ihr habt eure Opfer gebracht.“
Oberbürgermeister Michael Dambacher ging auf die sich teilweise sehr schnell ändernden CoronaRegeln ein. Als Stadtverwaltung habe man oftmals den Sturm des Unverständnisses erfahren müssen. Doch es habe eine große Mehrheit gegeben, die diese Regelungen und Einschränkungen mitgetragen hätten. Dambacher äußerte kein Verständnis
für die Montags-Spaziergänger, die mit der Demokratie leichtfertig umgingen und die Demokratie schlechtredeten. Der OB trug den gemeinsamen Aufruf der Stadt Ellwangen und der Fraktionen im Ellwanger Gemeinderat in der „Stadtinfo“vor. Darin heißt es: „Die Pandemie bringt viel Leid und Entbehrungen mit sich. Viele Menschen sind an der Krankheit gestorben oder an Long-Covid erkrankt. Menschen in Pflegeheimen mussten viele Monate in Einsamkeit leben. Viele leiden spürbar auch unter der heutigen Situation. Einzelhandel, Gastronomie, Kultur sind schwer getroffen .... “Die Unterzeichner des Aufrufs distanzierten sich klar von den Montags-Spaziergängern: „Eine Pandemie ist keine Privatsache, sie kann nur als Gemeinschaft bewältigt werden.“Der OB ermutigte alle Ungeimpften, sich impfen zu lassen.
Karin Böhme vom Aktionsbündnis Ellwanger Mahnwache thematisierte die verteilte Postkarte, auf der am Karsamstag 2020 eine menschenleere Marienstraße zu sehen ist: „Eine Situation, die wir nie wieder haben wollen.“Rollstuhlfahrerin Anna Schnabel, die in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, erinnerte an Weihnachten 2020, als in der WG Corona ausgebrochen war und alle Bewohner mit unterschiedlichen Vorerkrankungen getrennt in ihren Zimmern in Quarantäne sein mussten. Die Initiatorin der zweimaligen Montags-Menschenkette, Bernadette Kohler, erklärte die Demonstration als Reaktion auf die Montags-Spaziergänger. „Ihr seid nicht das Volk. Das Volk sind wir alle“, sagte Kohler in Richtung der Montags-Spaziergänger. Klaus Opferkuch zitierte den Bopfinger Bodyguard Michael Stahl: „Jeder Mensch ist ein Personenschützer.“
An der Veranstaltung nahm auch das Ellwanger Friedensforum teil. Ihr Sprecher, Josef Baumann, kritisierte am Rande die Montags-Spaziergänger und sprach von einem Missbrauch der Montagsfriedensgebete in der Nikolaikirche, die zur friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR geführt hätten. Ebenso von einem Missbrauch des Davidsterns durch die Aufschrift „ungeimpft“und einem Missbrauch des Bonhoeffer-Liedes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Die Vertreter der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Ellwangen wollten zeigen, dass sie für Frieden und Solidarität stehen, wie ihr Sprecher Adnan Mohammad sagte. Sie trugen gelbe Westen mit der Aufschrift „Muslime für Frieden – ein Dienst aus Liebe zur Menschheit.“
Musikalisch gestaltet wurde die Veranstaltung von Veronica Gonzalez, Inga Rincke und einer Schülergruppe der Sankt Gertrudis mit Klaus Prohaska.
„Wollen wir eine Gemeinschaft der Egoisten oder eine
„Ihr seid nicht das Volk. Das Volk sind wir alle.“
Bernadette Kohler