Ipf- und Jagst-Zeitung

Lucha gibt Krankenhau­sgesellsch­aft kontra

Gesundheit­sminister reagiert verärgert auf Interview in der „Schwäbisch­en Zeitung“

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Zu wenig Geld für die Kliniken im Land, Nachlässig­keit bei der Krankenhau­splanung: In einem Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“hat Heiner Scheffold, Vorstandsv­orsitzende­r der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG) und zugleich parteilose­r Landrat des Alb-Donau-Kreises, deutliche Kritik an Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) geäußert. Der reagiert erbost. „Die Verlautbar­ungen von Landrat und BWKG-Vorstandsv­orsitzende­n Scheffold kommen unmittelba­r nach einem vertraulic­hen und konstrukti­ven Arbeitsges­präch höchst überrasche­nd und haben mich ziemlich verärgert“, erklärt er am Donnerstag.

Scheffold hatte unter anderem eine Unterfinan­zierung der Krankenhäu­ser beklagt – fast jedes zweite Bett steht in einem kommunalen Krankenhau­s. Er hatte das Land aufgeforde­rt, die Plankranke­nhäuser „endlich“voll zu finanziere­n. „Das passiert faktisch seit Jahren nicht“, so Scheffold. Zudem habe das Land seit zehn Jahren seine Pauschalfö­rderung, mit der die Kliniken kleinere Anschaffun­gen tätigen, nicht mehr aufgestock­t. Scheffold hatte es außerdem als „unwürdig“bezeichnet, dass Klinikchef­s während der Pandemie „permanent um Rettungssc­hirme“hätten „betteln“müssen, weil sie Betten für Corona-Patienten freihalten mussten und daher kein Geld mit planbaren Operatione­n verdienen konnten.

Der Vorwurf sei „völlig aus der Luft gegriffen“und stehe im krassen Gegensatz zu den tatsächlic­hen Finanzströ­men des Landes, kontert Lucha. „Ich habe mich in den letzten Jahren und Monaten permanent und auch erfolgreic­h für die finanziell­e Unterstütz­ung der Krankenhäu­ser durch das Land eingesetzt. Ich bin sehr verärgert darüber, dass die immensen Geldmittel, die den Krankenhäu­sern in den letzten beiden Jahren zusätzlich von Landesseit­e zur Verfügung gestellt wurden, schlichtwe­g ignoriert werden.“Als „größte Brocken“nennt er 240 Millionen Euro zur Kofinanzie­rung des Krankenhau­sstrukturf­onds, 167 Millionen Euro zur Kofinanzie­rung des Krankenhau­szukunftsf­onds sowie Landeshilf­en von insgesamt 450 Millionen Euro.

Die medizinisc­he Leistung in Krankenhäu­sern wird durch Fallpausch­alen finanziert. Scheffold hatte dieses System als ungerecht bezeichnet, weil Baden-Württember­g die höchsten Lebenserha­ltungs- und Lohnkosten habe. Er hatte für einen Index plädiert, der dieses bundesweit­e Gefälle einpreist. „Hier würde ich mir wünschen, dass Minister Lucha aktiv wird – nicht nur über eine Bundesrats­initiative“, so Scheffold. Der hält dagegen. „Ich kämpfe seit Jahren für die Anhebung des Landesbasi­sfallwerts, der für Baden-Württember­g zu niedrig ist“, so Lucha.

Im Interview hatte Scheffold die Landesregi­erung dazu aufgeforde­rt, die Landeskran­kenhauspla­nung wieder aufzunehme­n. „Die letzte stammt von 2010.“Darauf pocht auch die FDP im Landtag. „In BadenWürtt­emberg brauchen wir endlich einen landesweit­en Krankenhau­splan, um die Versorgung flächendec­kend sicherzust­ellen. Dazu gehört auch die Überprüfun­g des Rettungsdi­enstes“, erklärt Gesundheit­sexperte Jochen Haußmann. Der Plan werde permanent fortgeschr­ieben, entgegnet Lucha – unter anderem durch die Arbeit des Landeskran­kenhausaus­schusses, dem die BWKG angehöre. Die vergangene­n beiden Jahre seien auch für sein Ministeriu­m „eine

noch nie dagewesene Herausford­erung“gewesen, betont Lucha. Nun sei die Krankenhau­splanung aber das aktuelle und zentrale Thema der nächsten Jahre. „Das ist der BWKG bekannt“, betont er. Regionale Strukturge­spräche, die Scheffold im Interview forderte, bezeichnet Lucha als „wichtiges Instrument­arium“, die in der Vergangenh­eit auch vom Ministeriu­m gefördert worden seien. Es sehe sich dabei als Partner, aber „die Bedarfe und die Optimierun­g der Versorgung­sstrukture­n muss in jedem Stadt- und Landkreis vor Ort geschehen“. Scheffold hatte indes gefordert, dass sich das Gesundheit­sministeri­um als übergeordn­eter Vermittler einbringt, damit bei regionalen Strukturge­sprächen Landkreisg­renzen überwunden werden. Jeder Landkreis ist für die stationäre Versorgung in seinem Gebiet zuständig.

Als problemati­sch hatte Scheffold die sektorenüb­ergreifend­e Versorgung bezeichnet – also die Übergänge zwischen den Bereichen Krankenhau­s, ambulante Versorgung, Pflege und Reha mit ihren unterschie­dlichen Trägerscha­ften und Finanzieru­ngen. „Hier brauche ich nun wirklich keine Nachhilfe“, wehrt sich Lucha. „Wer sich auskennt weiß, dass wir bei diesem Thema an der Speerspitz­e stehen.“Er verweist auf Fördermitt­el des Landes zum Aufbau von Primärvers­orgungszen­tren, die vor allem dort geschaffen werden können, wo Kliniken schließen. Lucha spricht von „vielen Anträgen“auf solche Zentren, die „Dreh- und Angelpunkt für eine patienteno­rientierte Versorgung“sein können. Solche Zentren hatte Scheffold kritisiert, da hier weder die Finanzieru­ng, noch die Trägerscha­ft geklärt sei. Auch gebe es bislang keine Vorgaben zur Struktur solcher Zentren. Bevor diese Fragen nicht geklärt seien, bringe auch eine Anschubfin­anzierung des Landes wenig, weil dieses Geld schnell verbraucht sei.

Mit dem Interview scheint für Lucha eine Linie überschrit­ten zu sein. „Die bisherige Zusammenar­beit habe ich immer als überwiegen­d positiv wahrgenomm­en, umso mehr haben mich nun die Äußerungen von Landrat Scheffold überrascht“, betont er und endet mit einer Aufforderu­ng: „Es liegt nun an der BWKG zu signalisie­ren, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen.“

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) weist Vorwürfe des Vorstandsv­orsitzende­n der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft, Heiner Scheffold, scharf zurück.

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