„Die Sucht bestimmt das Leben“
Aktionswoche Alkohol will das Thema Sucht aus der Tabuzone holen – Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe in der Ellwanger Fußgängerzone
ELLWANGEN (kca) - Wie es ist, mit einem Alkoholrausch auf einer geraden Linie zu laufen, das haben Passanten in der Innenstadt testen können. Im Rahmen der Aktionswoche Alkohol hatte der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Aalen und Bopfingen einen Infostand aufgebaut, um auf das Thema Sucht aufmerksam zu machen.
Mit zwei unterschiedlich starken Rauschbrillen konnten Fußgänger testen, ob sie auf einem geraden Strich laufen können. „Wir haben hier eine Brille, die simuliert einen Rausch von 1,2 Promille“, erklärte Jürgen Koch, der stellvertretende Leiter des Aalener Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe. Gegenstände doppelt sehen und alles verschwommen wahrnehmen sowie Abstände nicht mehr richtig einschätzen können, das sei bei dieser Stärke normal.„Bei so einer Promilleanzahl sollte nicht mehr Auto gefahren werden“, ergänzte Koch und fügte hinzu: „Es gab Zeiten, da konnte ich unter zwei Promille nicht Auto fahren.“Koch war 30 Jahre lang Alkoholiker, seit 21 Jahren ist er „clean“. „Die Sucht bestimmt das Leben, dabei sollte es andersherum sein.“
Deswegen gehe er regelmäßig an Schulen, um über Sucht aufzuklären. „Das Thema muss eigentlich viel öfters an die Öffentlichkeit“, so Koch. Denn nicht nur der Suchtkranke sei betroffen, auch die Angehörigen leiden darunter. Um aufzuhören, brauche es meistens einen Anstoß, sei es der Arbeitgeber, der Ehepartner oder dass einem der Führerschein entzogen wird. Andere Suchtkranke würden nie davon wegkommen.
„Wir als Selbsthilfegruppe wollen die Leute an die Hand nehmen“, erklärte Koch. Die Gruppe treffe sich einmal wöchentlich zum Austausch. „Die Leute sollen da über sich reden und ihre Probleme, wie es ihnen geht und was sie in der Woche beschäftigt hat.“Zwischen sieben und 15 Menschen nehmen an den Treffen teil. Das jüngste Mitglied ist 22.
In der Gruppe in Bopfingen sind acht bis zwölf Personen aktiv. Diese treffen sich alle zwei Wochen. „Wir sind offen für alle Arten von Süchten“, führte Gruppenleiterin Eva Rinckleb aus. Es komme vermehrt vor, dass vor allem junge Menschen mit Mehrfachabhängigkeiten in die Gruppe kommen. Rinckleb möchte das Thema Sucht aus der Tabuzone holen. „Es ist eine Krankheit, die sich durch die Gesellschaft zieht.“Ihr Stellvertreter Gustav Krause ergänzte: „Wir wollen zeigen, dass es Hilfe gibt.“Durch die Selbsthilfegruppe erhielten Betroffene neue Perspektiven.
Die Aktionswoche Alkohol ist eine deutschlandweite Aktion, die alle zwei Jahre stattfindet. In dieser Woche informieren Freiwillige aus der Suchthilfe und Suchtprävention über die Risiken des Alkoholkonsums.