Kliniken: „Uns einzumischen ist unsere Pflicht“
Aalener Gemeinderat diskutiert über Neukonzeption – Grünen-Antrag auf städtisches Gutachten scheitert
AALEN - Knapp drei Stunden lag hat sich der Aalener Gemeinderat am Donnerstag mit der Neukonzeption der Kliniken Ostalb befasst. Deren Vorstandsvorsitzender Professor Ulrich Solzbach erläuterte ihre aktuelle, aus seiner Sicht so nicht länger haltbare Situation und hielt den jetzigen Zeitpunkt für richtig, in eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Krankenhäuser einzusteigen. Nach ausgiebigen Stellungnahmen aus den Reihen des Rats lehnte eine breite Mehrheit einen Antrag der Grünen ab, die Stadt solle ein eigenes Gutachten zu den Kliniken in Auftrag geben.
Es sei Aufgabe der Stadt und des Gemeinderats, „uns einzumischen, wenn unmittelbar Belange unserer Bürger und unserer Klinik betroffen sind“, sagte OB Frederick Brütting zum bisherigen, weitgehend hinter verschlossenen Türen stattgefundenen Vorgehen in Sachen Klinikkonzeption. Es sei eine gemeinsame und öffentliche Diskussion notwendig, die Reaktionen aus der Bürgerschaft auf das Thema machten dazu Mut.
Solzbach sagte, dass er voll hinter den Grundwerten der Kliniken Ostalb stehe, nämlich Patientenwohl, Mitarbeiterwohl und öffentliche Trägerschaft. „Ich könnte mir nicht vorstellen, für einen privaten Träger zu arbeiten, dem das Geld wichtiger ist als die anderen Punkte“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kliniken Ostalb. Er schilderte deren „gewisse Schieflage“, wie er sagte, mit Verweis auf einen eklatanten Mangel an Pflegekräften, Ärzten und Hebammen sowie auf Vorgaben und Strukturanforderungen, die in der jetzigen Konstellation immer schwerer bis gar nicht mehr zu erfüllen seien. Darunter würden Patienten, Mitarbeiter, Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit der Klinken leiden.
Das mit der Fusion der drei Krankenhäuser zu den Kliniken Ostalb 2017 angestoßene Medizinkonzept 2025 habe nur in Ansätzen einen Schub gebracht und sei dann steckengeblieben, sagte Solzbach weiter. Auch, weil sich die Rahmenbedingungen seitdem noch einmal dramatisch verändert hätten. Alle bisher eingeholten Expertenmeinungen, auch das Gutachten des renommierten Professors Boris Augurzky, würden im Prinzip zum Schluss kommen, dass der Ostalbkreis sein medizinisches Angebot bündeln müsse. „Unsere Leuchttürme waren eher Funkfeuer, die sich gegenseitig das Licht ausgeblasen haben“, sagte Solzbach zur bisherigen Einschätzung der Kliniken durch die Kreispolitik.
Jetzt gehe es aber um die Gretchenfrage, „was wir in Zukunft überhaupt noch im Kreis behandeln können und wollen“. Dabei müssten alle mitreden können, betonte er. Der Prozess böte die Chance, am Ende zu einer Zweihäusigkeit zu kommen. Oberste Ziele seien aber, die Patientenversorgung im Kreis zu sichern und dabei auch die Chancen der Zukunft zu nutzen.
Brütting machte deutlich, Aalen sei die größte Stadt der Region und der zentralste Ort im Ostalbkreis. In das Ostalb-Klinikum seien immense Summen investiert worden. „Bei der Suche nach einem zentralen Standort drängt sich die Aalener Klinik auf“, so Brütting. Die Stadt sehe aber auch die übergeordneten Ziele einer guten Gesundheitsversorgung für den Kreis, und Aalen wolle dazu seinen Beitrag leisten. „Wir müssen die Stärken stärken“, kritisierte der OB den Vorschlag des Lenkungsausschusses zur Neukonzeption, neben der Zusammenlegung von Aalen und Mutlangen zu einer neuen, großen Klinik mit Ellwangen das kleinste der drei Krankenhäuser erhalten zu wollen. „Bis dahin werden wir in der medizinischen Versorgung schlechter werden und am Ende vor einem
Scherbenhaufen stehen“, befürchtete Brütting.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Michael Fleischer hielt den Übergang von einer internen zur öffentlichen Diskussion für verunglückt und forderte einen Öffentlichkeitsprozess, der diesen Namen auch verdiene. Er beantragte, wie schon angekündigt, die Einholung eines Zweitgutachtens durch die Stadt, das auch für den Kreis hilfreich sein könne. Sein Fraktionskollege Thomas Battran, selbst Arzt, erklärte, für ihn habe sich aus Patientensicht die Dreihäusigkeit der Kliniken Ostalb keinesfalls überlebt. Sie habe ganz viele Vorteile für die Bevölkerung und müsse so bezahlbar sein wie die Feuerwehr.
Für die CDU-Fraktion forderte Armin Abele einen öffentlichen Faktencheck und warnte davor, vorhandene Strukturen ohne eine überzeugende Alternative zu zerschlagen.
Ein Zentralklinikum löse die akuten Probleme nicht. Vielmehr plädiere die CDU für eine dezentrale Notfallstruktur und zentralisierte Spezialisierungen.
Der 2017 eingeleitete Fusionsgedanke sei für die SPD noch nicht zu Ende gedacht, sagte ihr Fraktionsvorsitzender Hermann Schludi. Ein Zentralklinikum würde am Ende unter denselben Problemen leiden und die Einhaltung der Rettungsund Notfallfristen gefährden. Und eine „frühzeitige Frontenbildung“brauche man nicht, warnte er davor, dass ein Gutachten aus Aalener Sicht auch solche aus Ellwangen und Schwäbisch Gmünd nach sich ziehen würde.
Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Thomas Rühl, kritisierte „Entscheidungen hinter verschlossenen Landratsamtstüren“und forderte, statt einem neuen Gutachten müsse das vom Kreis in Auftrag gegebene erst einmal in die öffentliche Diskussion gebracht werden. AFD-Fraktionschef Frank Gläser, einst selbst Chefarzt am Ostalb-Klinikum, sagte, der beste Weg für den Ostalbkreis wäre ein einziges Krankenhaus, „das aber nicht weit weg von Aalen sein sollte“. Damit bestünde die Chance, ein echtes Haus der Zentralversorgung aufzubauen. Auch Inge Birkhold (fraktionslos) hielt einen „Magnet für die Region“in Form eines neuen und modernen Klinikums für die beste Lösung. Roland Hamm (Linke) warf den „großen Parteien“vor, über Jahrzehnte das Gesundheitssystem kaputt gespart zu haben. Jetzt gehe es darum, dass ein Gesamtkonzept die gesamte Raumschaft mit erreichbaren Strukturen, auch ambulanten, abdecke. Arian Kriesch (FDP) hielt es für abwegig, mit einer Neukonzeption Patienten aus Stuttgart oder Ulm auf die Ostalb holen zu wollen. Norbert Rehm (Aktive Bürger) schließlich forderte, Aalen müsse sich im Kreis für seine Anliegen Verbündete suchen und taktisch klug agieren. „Wenn wir uns als Gemeinderat für ein Krankenhaus in Aalen einsetzen, ist das kein böser Zungenschlag, sondern ein Beitrag zur Debatte und unsere Pflicht“, sagte der OB.
„Unsere Leuchttürme waren eher Funkfeuer, die sich gegenseitig das Licht ausgeblasen haben“,
so der Vorstandvorsitzende der Kliniken Ostalb, Ulrich Solzbach, über die bisherige Einschätzung der Krankenhäuser durch die Kreispolitik.