Die Party soll weitergehen
Frankfurter Euro-Helden von Zehntausenden gefeiert – Club hofft nach Erfolg auf rosige Zukunft
SEVILLA/FRANKFURT (dpa) - Kapitän Sebastian Rode um 21.35 Uhr auf dem Balkon des Frankfurter Rathauses erschien und neben ihm zuerst Torwart Kevin Trapp den silbernen Euro-Pott in die Höhe reckte, verwandelte sich der Römerberg mit zigtausenden jubelnden und tanzenden Eintracht-Fans in ein Tollhaus. „Hier ist das das Ding, jetzt lasst uns weiter feiern“, sagt Rode mit heiserer Stimme.
Einen Tag nach dem 5:4-Finaltriumph in Sevilla wurde den Euro-Helden von Eintracht Frankfurt eine Megaparty in einer bisher unbekannten Dimension bereitet. In der Mainmetropole herrschte Ausnahmezustand - und das trotz des Unwetters, das am frühen Abend aufgezogen war. Insgesamt waren 100 000 Anhänger in der Innenstadt erwartet worden.
Nach dem siegreichen Elfmeterdrama gegen die Glasgow Rangers am Mittwochabend in Sevilla hatten die Spieler die Nacht zum Tag gemacht. „Es war feucht-fröhlich und ging bis 6 Uhr in der Früh“, berichtete Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann nach der Landung in Frankfurt von der rauschenden Siegesparty in einem Nobelclub der südspanischen Metropole. Selbst der sonst so ruhige Trainer Oliver Glasner – der den Pokal beim Autokorso durch die Stadt nicht aus der Hand gab – mutierte zum Partybiest. „Ich lasse die Sau raus und feiere jetzt bis Samstag durch – und am Sonntag gehe ich in den Urlaub“, verkündete der Österreicher.
Die Eintracht-Profis fühlten sich nach dem zweiten internationalen Titel der Vereinsgeschichte nach dem UEFA-Cup-Sieg vor 42 Jahren wie im Märchen – sicherten sie sich neben dem massiven Pokal doch auch die erstmalige Teilnahme an der Champions League. Ein sportlicher und finanzieller Quantensprung für den Traditionsverein, der vor einigen Jahren noch als „launische Diva vom Main“bezeichnet wurde. „Es wird ein paar Jahre dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird“, sagte der von einer Kopfwunde gezeichnete Rode. Und Kevin Trapp betonte: „Wir haben immer nach Superlativen gesucht. Aber es gibt einfach kein Wort, um das zu beschreiben.“
Der Nationaltorwart war einer der Helden des dramatischen Endspiels. Erst rettete der 31-Jährige seine Mannschaft mit einer Monsterparade kurz vor dem Ende der Verlängerung in das Elfmeterschießen, wo er dann den Versuch von Aaron Ramsey parierte. „Die Jungs kamen zu mir und haben gesagt: ,Du holst uns das Ding!’
Die Anspannung, die es in diesem Moment gibt, kannst du nicht trainieren. Ich bin stolz, dass ich einen Teil dazu beitragen konnte“, sagte Trapp.
Nachdem Rafael Borré den letzten Elfmeter eiskalt zum 5:4 verwandelt hatte, herrschte Ekstase pur – auch auf den Rängen des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán und in der Heimat, wo knapp 60 000 Fans im und rund um das Frankfurter Stadion beim Public Viewing die Daumen gedrückt hatten.
Der Erfolg, den fast neun Millionen Menschen vor den TV-Geräten verfolgten, war die vorläufige Krönung einer rasanten Entwicklung in den vergangenen Jahren. 2017 verloren die Hessen gegen Borussia Dortmund das DFB-Pokalfinale, in dem sie ein Jahr später gegen Bayern München triumphierten. 2019 folgte der Einzug ins Halbfinale der Europa League und nun der ganz große Erfolg mit einer makellosen Bilanz: von 13 Spielen verlor die Eintracht kein einziges.
„Die Marke Eintracht Frankfurt ist in den vergangenen Jahren bereits eine internationale geworden, jetzt hat sie noch einmal an Strahlkraft gewonnen. Die Eintracht ist ein Vorbild für viele Clubs nicht nur in Deutschland“, würdigte DFB-Direktor Oliver Bierhoff die ertragreiche Arbeit am Main.
Mit ihrem Auftreten in Europa verschafften die Hessen auch der Bundesliga internationales Renommee. Immerhin lag der letzte deutsche Titelgewinn in diesem Wettbewerb schon 25 Jahre zurück. „Das ist ein herausragender Erfolg für Eintracht
Frankfurt und gleichermaßen auch für den deutschen Fußball“, sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga und Geschäftsführer beim Vizemeister Borussia Dortmund. „Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen in der Champions League.“
Einen Vorgeschmack auf die Königsklasse gibt es für die Eintracht schon am 10. August beim Supercup. Dann heißt der Gegner in Helsinki entweder FC Liverpool oder Real Madrid. Von Gegnern dieses Kalibers wurde am Main bisher allenfalls geträumt.
Wenn die Feierlichkeiten vorüber sind, wollen die Eintracht-Verantwortlichen in Ruhe über die Strategie für die nähere Zukunft beraten. Die Perspektiven sind glänzend. „Natürlich
tun die zusätzlichen Einnahmen nach zwei Jahren Corona gut. Das hilft uns extrem für die Zukunft“, sagte Sportvorstand Markus Krösche. Auch bei Vertragsgesprächen mit Stars wie Filip Kostic.
Schon jetzt ist klar: Trotz aller Wachstumschancen will sich der Verein treu bleiben. „Die Champions League ist natürlich außergewöhnlich für Eintracht Frankfurt, aber wir werden unsere Transferstrategie nicht ändern“, verkündete Krösche. Und der „unfassbar stolze“Präsident Peter Fischer bekräftigte: „Der Wettbewerb wird härter und schärfer. Aber wir gehen jetzt nicht groß einkaufen, weil wir uns einmal für die Champions League qualifiziert haben. In diesem Verein wird es kein Harakiri geben.“