So könnte das Wasser in der Jagst noch sauberer sein
Vierte Reinigungsstufe filtert Arzneimittelrückstände, Mikroplastik und Hormone aus Abwasser
ELLWANGEN - Sauberes Wasser ist Leben. Eine Binse zwar. Aber die Gewährleistung ist eine der größten Errungenschaften der Zivilisation. Dafür sorgen Wasserversorger, -aufbereitung und Kläranlagen. Letztere mit unterschiedlichen Reinigungsstufen. Doch es würde noch mehr gehen.
Die Norm für das Wasser, das eine Kläranlage verlässt und in beispielsweise Flüsse eingeleitet wird, ist streng. Doch frei von Stoffen, die nicht hineingehören, ist es nicht. Für eine Verbesserung würde die sogenannte vierte Reinigungsstufe sorgen. Das Land fördert den Bau zwar. Doch noch immer sind die meisten Anlagen ohne.
Rund 900 Kläranlagen sind in Baden-Württemberg in Betrieb. 23 von ihnen sind laut Umweltministerium mit der vierten Reinigungsstufe ausgerüstet, 25 werden aktuell ausgebaut. Die vierte Stufe filtert mithilfe von beispielsweise Aktivkohle sogenannte Spurenstoffe aus dem Wasser. Dazu gehören Hormone oder Arzneimittelrückstände. Aber auch Mikroplastik könnte so größtenteils aus dem Wasser entfernt werden.
Doch wie funktioniert das? Einer, der es wissen muss, ist Ellwangens Abwassermeister Hubert Traub. Er ist von der vierten Reinigungsstufe überzeugt. „Sie ist auch gewünscht, aber eben nicht Pflicht“, sagt er. Aktivkohlegranulat oder -pulver halte Mikroschadstoffe fest, anschließend landen sie im Klärschlamm. „Der wird dann verbrannt“, so Traub. Die Stoffe sind somit weg. Doch das kostet richtig Geld.
Bau und Unterhalt, aber auch die Kohle müsse man ständig erneuern, zählt Traub auf. Zudem koste die Filtrierung natürlich auch Strom. Aber: „Für diese Stoffe gibt es keine festgelegten Grenzwerte.“Sehr wohl aber bei beispielsweise organischen Stoffen oder Phosphaten. „Die wurden sogar verschärft. Das halten wir aber alles ein. Darauf sind wir auch stolz“, sagt der Abwassermeister.
Und fügt salopp an: „Bei uns läuft keine dreckige Brühe raus.“Das Wasser, das in die Jagst eingeleitet werde, habe zwar keine Trinkwasser-, dennoch schon eine hohe Qualität, sagt Traub.
Man könne es aber immer noch besser machen. Zum Beispiel eben mit der vierten Reinigungsstufe. „Wenn wir der Umwelt etwas Gutes tun wollen, wäre es nötig.“Platz gebe es, der Bau wäre an der Kläranlage Schönau bei Ellwangen zumindest möglich. Der ehemalige Tiefbauamtsleiter sei auch aufgeschlossen und an einer Aufrüstung interessiert gewesen. „Ellwangen steckt gerade voll in den Themen für die Landesgartenschau“, weiß Traub. Da werde ein solches Projekt hinten angestellt. Zumindest sei das auch mit ein Grund. Ein anderer: „Das wäre eine
Riesen-Baustelle, vermutlich mehr als ein Jahr. Dafür braucht es außerdem Manpower.“
Vor allem Kläranlagen an „besonders empfindlichen Gewässern oder an Belastungsschwerpunkten“stünden im Fokus für die zusätzliche Reinigungsstufe, so das Umweltministerium
Baden-Württemberg auf Anfrage. Dazu zählen beispielsweise Standorte am Bodensee wegen des Trinkwasserspeichers. Dann diese, wo der Ablauf in das Grundwasser erfolgt oder eben größere Städte. „In der Vergangenheit konnten die meisten Maßnahmen, die beantragt wurden, auch gefördert werden“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme weiter.
Allerdings auch: „In der Regel übersteigen die von den Kommunen insgesamt im Abwasserbereich beantragten Fördermittel das vorhandene Fördervolumen“, so das Ministerium. Daher gebe es Priorisierungen. Gefördert werde aber auch nach Abwasserpreis. Ab 5,90 Euro pro Kubikmeter erhalte die Gemeinde 20 Prozent Fördermittel. Ab 7,30 Euro sogar bis zu 80 Prozent.
Zusätzlich generell als Bonus 20 Prozent der Investitionskosten – maximal gedeckelt ist der Gesamtzuschuss wiederum bei 80 Prozent. „Den Höchstsatz würden wir in Ellwangen nicht bekommen“, so Abwassermeister Traub. Zudem würde der Abwasserpreis auf bis zu 15 Cent pro Kubikmeter nach der Umrüstung steigen.
Auch das würde einige Kommunen abschrecken. Denn die Erhöhung müssten die Bürgerinnen und Bürger natürlich mittragen. Doch gerade an Flüssen wie Jagst oder auch Kocher wäre der Einsatz der Reinigungsstufe sinnig, sagt Bernhard Röhrle, Pressesprecher des Zweckverbands Landeswasserversorgung mit Sitz in Stuttgart. Ellwangen bezieht sein Trinkwasser zum Teil von diesem Verband.
„Bei uns läuft keine dreckige Brühe raus“,
„Es ergibt immer Sinn, Umweltbelastungen zu verhindern, bevor man sie aufwändig entnehmen muss“, sagt Röhrle im Gespräch. Sinnig sei es vor allem auch an den Standorten, wo Kläranlagen in Flüsse mit wenig Wasser einlaufen lassen – wie in der Region. Denn besonders organische Spurenstoffe, aber auch Chemikalien und Spritzmittel, seien Probleme in allen Gewässern.
Dabei gehe es nicht nur um den Menschen. Denn: „Was Trinkwasser angeht, haben wir ganz strenge Regelungen. Das wird auch alles eingehalten“, kann Röhrle beruhigen. Allerdings leide die Tierwelt sowie das gesamte Ökosystem. „Vor allem in kleinen Bächen finden wir mittlerweile kritische Belastungswerte“, so der Pressesprecher.
Was noch zu finden ist? Hauptsächlich weibliche Fische in Gewässern, die von Kläranlagen gesäumt sind. „Das ist ein offenes Geheimnis“, sagt Ellwangens Abwassermeister Traub. Das liege an der Antibabypille. Hormone also. Die mit einer vierten Reinigungsstufe nicht im Wasser wären.