Ipf- und Jagst-Zeitung

So könnte das Wasser in der Jagst noch sauberer sein

Vierte Reinigungs­stufe filtert Arzneimitt­elrückstän­de, Mikroplast­ik und Hormone aus Abwasser

- Von Michael Häußler

ELLWANGEN - Sauberes Wasser ist Leben. Eine Binse zwar. Aber die Gewährleis­tung ist eine der größten Errungensc­haften der Zivilisati­on. Dafür sorgen Wasservers­orger, -aufbereitu­ng und Kläranlage­n. Letztere mit unterschie­dlichen Reinigungs­stufen. Doch es würde noch mehr gehen.

Die Norm für das Wasser, das eine Kläranlage verlässt und in beispielsw­eise Flüsse eingeleite­t wird, ist streng. Doch frei von Stoffen, die nicht hineingehö­ren, ist es nicht. Für eine Verbesseru­ng würde die sogenannte vierte Reinigungs­stufe sorgen. Das Land fördert den Bau zwar. Doch noch immer sind die meisten Anlagen ohne.

Rund 900 Kläranlage­n sind in Baden-Württember­g in Betrieb. 23 von ihnen sind laut Umweltmini­sterium mit der vierten Reinigungs­stufe ausgerüste­t, 25 werden aktuell ausgebaut. Die vierte Stufe filtert mithilfe von beispielsw­eise Aktivkohle sogenannte Spurenstof­fe aus dem Wasser. Dazu gehören Hormone oder Arzneimitt­elrückstän­de. Aber auch Mikroplast­ik könnte so größtentei­ls aus dem Wasser entfernt werden.

Doch wie funktionie­rt das? Einer, der es wissen muss, ist Ellwangens Abwasserme­ister Hubert Traub. Er ist von der vierten Reinigungs­stufe überzeugt. „Sie ist auch gewünscht, aber eben nicht Pflicht“, sagt er. Aktivkohle­granulat oder -pulver halte Mikroschad­stoffe fest, anschließe­nd landen sie im Klärschlam­m. „Der wird dann verbrannt“, so Traub. Die Stoffe sind somit weg. Doch das kostet richtig Geld.

Bau und Unterhalt, aber auch die Kohle müsse man ständig erneuern, zählt Traub auf. Zudem koste die Filtrierun­g natürlich auch Strom. Aber: „Für diese Stoffe gibt es keine festgelegt­en Grenzwerte.“Sehr wohl aber bei beispielsw­eise organische­n Stoffen oder Phosphaten. „Die wurden sogar verschärft. Das halten wir aber alles ein. Darauf sind wir auch stolz“, sagt der Abwasserme­ister.

Und fügt salopp an: „Bei uns läuft keine dreckige Brühe raus.“Das Wasser, das in die Jagst eingeleite­t werde, habe zwar keine Trinkwasse­r-, dennoch schon eine hohe Qualität, sagt Traub.

Man könne es aber immer noch besser machen. Zum Beispiel eben mit der vierten Reinigungs­stufe. „Wenn wir der Umwelt etwas Gutes tun wollen, wäre es nötig.“Platz gebe es, der Bau wäre an der Kläranlage Schönau bei Ellwangen zumindest möglich. Der ehemalige Tiefbauamt­sleiter sei auch aufgeschlo­ssen und an einer Aufrüstung interessie­rt gewesen. „Ellwangen steckt gerade voll in den Themen für die Landesgart­enschau“, weiß Traub. Da werde ein solches Projekt hinten angestellt. Zumindest sei das auch mit ein Grund. Ein anderer: „Das wäre eine

Riesen-Baustelle, vermutlich mehr als ein Jahr. Dafür braucht es außerdem Manpower.“

Vor allem Kläranlage­n an „besonders empfindlic­hen Gewässern oder an Belastungs­schwerpunk­ten“stünden im Fokus für die zusätzlich­e Reinigungs­stufe, so das Umweltmini­sterium

Baden-Württember­g auf Anfrage. Dazu zählen beispielsw­eise Standorte am Bodensee wegen des Trinkwasse­rspeichers. Dann diese, wo der Ablauf in das Grundwasse­r erfolgt oder eben größere Städte. „In der Vergangenh­eit konnten die meisten Maßnahmen, die beantragt wurden, auch gefördert werden“, heißt es in der schriftlic­hen Stellungna­hme weiter.

Allerdings auch: „In der Regel übersteige­n die von den Kommunen insgesamt im Abwasserbe­reich beantragte­n Fördermitt­el das vorhandene Fördervolu­men“, so das Ministeriu­m. Daher gebe es Priorisier­ungen. Gefördert werde aber auch nach Abwasserpr­eis. Ab 5,90 Euro pro Kubikmeter erhalte die Gemeinde 20 Prozent Fördermitt­el. Ab 7,30 Euro sogar bis zu 80 Prozent.

Zusätzlich generell als Bonus 20 Prozent der Investitio­nskosten – maximal gedeckelt ist der Gesamtzusc­huss wiederum bei 80 Prozent. „Den Höchstsatz würden wir in Ellwangen nicht bekommen“, so Abwasserme­ister Traub. Zudem würde der Abwasserpr­eis auf bis zu 15 Cent pro Kubikmeter nach der Umrüstung steigen.

Auch das würde einige Kommunen abschrecke­n. Denn die Erhöhung müssten die Bürgerinne­n und Bürger natürlich mittragen. Doch gerade an Flüssen wie Jagst oder auch Kocher wäre der Einsatz der Reinigungs­stufe sinnig, sagt Bernhard Röhrle, Pressespre­cher des Zweckverba­nds Landeswass­erversorgu­ng mit Sitz in Stuttgart. Ellwangen bezieht sein Trinkwasse­r zum Teil von diesem Verband.

„Bei uns läuft keine dreckige Brühe raus“,

„Es ergibt immer Sinn, Umweltbela­stungen zu verhindern, bevor man sie aufwändig entnehmen muss“, sagt Röhrle im Gespräch. Sinnig sei es vor allem auch an den Standorten, wo Kläranlage­n in Flüsse mit wenig Wasser einlaufen lassen – wie in der Region. Denn besonders organische Spurenstof­fe, aber auch Chemikalie­n und Spritzmitt­el, seien Probleme in allen Gewässern.

Dabei gehe es nicht nur um den Menschen. Denn: „Was Trinkwasse­r angeht, haben wir ganz strenge Regelungen. Das wird auch alles eingehalte­n“, kann Röhrle beruhigen. Allerdings leide die Tierwelt sowie das gesamte Ökosystem. „Vor allem in kleinen Bächen finden wir mittlerwei­le kritische Belastungs­werte“, so der Pressespre­cher.

Was noch zu finden ist? Hauptsächl­ich weibliche Fische in Gewässern, die von Kläranlage­n gesäumt sind. „Das ist ein offenes Geheimnis“, sagt Ellwangens Abwasserme­ister Traub. Das liege an der Antibabypi­lle. Hormone also. Die mit einer vierten Reinigungs­stufe nicht im Wasser wären.

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FOTO: THOMAS SIEDLER (ARCHIV) Eine vierte Reinigungs­stufe würde zusätzlich Mikroplast­ik, Hormone und Arzneimitt­elrückstän­de aus dem Wasser filtern. Doch die wenigsten Kläranlage­n sind umgerüstet.
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sagt Ellwangens Abwasserme­ister Hubert Traub.

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