„Versöhnung hat mit dem Herzen zu tun“
Augsburger Bischof Bertram Meier sprach bei der Vertriebenenwallfahrt auf dem Schönenberg
ELLWANGEN-SCHÖNENBERG Nach zweijähriger Zwangspause hat am Sonntag zum 72. Mal die Vertriebenenwallfahrt auf den Schönenberg stattgefunden. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Begegnung mit Ostmittel- und Südosteuropa“. Hauptzelebrant war der Augsburger Bischof Bertram Meier.
Nach einem Platzkonzert des Musikvereins Rattstadt auf dem Kirchplatz begrüßte Schönenbergpfarrer Martin Leitgöb bei strahlend blauem Himmel die Wallfahrerinnen und Wallfahrer. Oberbürgermeister Michael Dambacher ging in seinem Grußwort auf die Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Die damals noch gehegte Hoffnung, in die Heimat zurückkehren zu können, habe sich nicht erfüllt, sagte der OB. Die Vertriebenen seien aber stets für den Erhalt des Friedens und das friedliche Zusammenleben der Völker und für ein starkes und stabiles Europa eingetreten. In diesem Zusammenhang sprach Dambacher den „unsäglichen Krieg“in der Ukraine und die sechs Millionen ukrainischen Flüchtlinge an, die Schutz in den westlichen Ländern gesucht hätten.
Dekan Matthias Koschar (Tuttlingen) führte im Namen der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen (AKVO) in die Wallfahrt ein. Mit der Bemerkung, dass Ellwangen und der Schönenberg jahrhundertelang zur Diözese Augsburg gehört hatten, schlug er den Bogen zu Bischof Bertram Meier. Aus Augsburg kam auch eine sudetendeutsche Abordnung auf den Schönenberg. Meiers 91-jährige Mutter stammt aus dem Sudetenland. Sein Großvater war vor der Vertreibung von der SS wegen Wehrkraftzersetzung erschossen worden.
Eine Wallfahrt müsse mit allen Sinnen stattfinden, um das Unterwegssein zu spüren, sagte Bertram Meier zu Beginn seiner Predigt. Damit wandte er sich gegen virtuelle Wallfahrten, die in Corona-Zeiten angeboten wurden. Meier thematisierte die belastende Erfahrung, die
Heimat verlassen zu müssen, und sprach von einem „großen Familientreffen“bei der Wallfahrt auf den Schönenberg und vom „Geist der Versöhnung“. Wörtlich sagte er: „Versöhnung, das ist nicht etwas auf dem Papier, Versöhnung hat mit dem Herzen zu tun.“
„Wenn ich in die Runde schaue“, sagte Meier zu den versammelten Gläubigen: „Manche sind nicht mehr die jüngsten Semester. Sie haben durchgehalten. Sie sind zäh, Sie sind treu und Sie leben voller Hoffnung.“Und er erinnerte an das, was Paulus an seine Lieblingsgemeinde Philippi schreibt: „Unsere Heimat ist im Himmel.“Anschließend brachten Vertreter der Ackermanngemeinde (für die
Sudetendeutschen), des Sankt-Gerhardswerks (Donauschwaben), des Volksbunds der Karpatendeutschen (Slowakei), der Eichendorffgilde (Schlesien), der Ermlandfamilie (Ostpreußen) und der Diözese Rottenburg-Stuttgart (für alle Verfolgten und Vertriebenen) Kerzen zum Altar, die der Bischof entzündete.
Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes übernahmen der Schülerchor und das Orchester des Cyril-Method-Gymnasiums aus dem mährischen Brno (Brünn). Der Chor und das Orchester treten auch auf dem Katholikentag in Stuttgart auf. Die Deutschlehrerin Dagmar Penazova stellte den 1998 gegründeten Schülerchor und das Orchester vor.
Für die Glaubenskundgebung war eigentlich Stefan Vesper als Redner vorgesehen. Doch der frühere Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken musste aufgrund einer Corona-Erkrankung kurzfristig absagen. Der Geschäftsführer der AKVO, Professor Rainer Bendel, trug eine Predigt des 1947 verstorbenen Ermländer Bischofs Maximilian Kaller von Pfingsten 1945 vor. Kaller deutete die Vertreibung als Prüfung. Auf einen neuen Anfang in den Herzen komme es auch heute an.
Die Wallfahrt endete am Nachmittag mit einer Marienandacht mit Dekan Matthias Koschar, dem bischöflichen Beauftragten für Heimatvertriebene und Aussiedler.