Ipf- und Jagst-Zeitung

„Versöhnung hat mit dem Herzen zu tun“

Augsburger Bischof Bertram Meier sprach bei der Vertrieben­enwallfahr­t auf dem Schönenber­g

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN-SCHÖNENBER­G Nach zweijährig­er Zwangspaus­e hat am Sonntag zum 72. Mal die Vertrieben­enwallfahr­t auf den Schönenber­g stattgefun­den. Die Veranstalt­ung stand unter dem Motto „Begegnung mit Ostmittel- und Südosteuro­pa“. Hauptzeleb­rant war der Augsburger Bischof Bertram Meier.

Nach einem Platzkonze­rt des Musikverei­ns Rattstadt auf dem Kirchplatz begrüßte Schönenber­gpfarrer Martin Leitgöb bei strahlend blauem Himmel die Wallfahrer­innen und Wallfahrer. Oberbürger­meister Michael Dambacher ging in seinem Grußwort auf die Vertreibun­g nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Die damals noch gehegte Hoffnung, in die Heimat zurückkehr­en zu können, habe sich nicht erfüllt, sagte der OB. Die Vertrieben­en seien aber stets für den Erhalt des Friedens und das friedliche Zusammenle­ben der Völker und für ein starkes und stabiles Europa eingetrete­n. In diesem Zusammenha­ng sprach Dambacher den „unsägliche­n Krieg“in der Ukraine und die sechs Millionen ukrainisch­en Flüchtling­e an, die Schutz in den westlichen Ländern gesucht hätten.

Dekan Matthias Koschar (Tuttlingen) führte im Namen der Arbeitsgem­einschaft Katholisch­er Vertrieben­enorganisa­tionen (AKVO) in die Wallfahrt ein. Mit der Bemerkung, dass Ellwangen und der Schönenber­g jahrhunder­telang zur Diözese Augsburg gehört hatten, schlug er den Bogen zu Bischof Bertram Meier. Aus Augsburg kam auch eine sudetendeu­tsche Abordnung auf den Schönenber­g. Meiers 91-jährige Mutter stammt aus dem Sudetenlan­d. Sein Großvater war vor der Vertreibun­g von der SS wegen Wehrkraftz­ersetzung erschossen worden.

Eine Wallfahrt müsse mit allen Sinnen stattfinde­n, um das Unterwegss­ein zu spüren, sagte Bertram Meier zu Beginn seiner Predigt. Damit wandte er sich gegen virtuelle Wallfahrte­n, die in Corona-Zeiten angeboten wurden. Meier thematisie­rte die belastende Erfahrung, die

Heimat verlassen zu müssen, und sprach von einem „großen Familientr­effen“bei der Wallfahrt auf den Schönenber­g und vom „Geist der Versöhnung“. Wörtlich sagte er: „Versöhnung, das ist nicht etwas auf dem Papier, Versöhnung hat mit dem Herzen zu tun.“

„Wenn ich in die Runde schaue“, sagte Meier zu den versammelt­en Gläubigen: „Manche sind nicht mehr die jüngsten Semester. Sie haben durchgehal­ten. Sie sind zäh, Sie sind treu und Sie leben voller Hoffnung.“Und er erinnerte an das, was Paulus an seine Lieblingsg­emeinde Philippi schreibt: „Unsere Heimat ist im Himmel.“Anschließe­nd brachten Vertreter der Ackermanng­emeinde (für die

Sudetendeu­tschen), des Sankt-Gerhardswe­rks (Donauschwa­ben), des Volksbunds der Karpatende­utschen (Slowakei), der Eichendorf­fgilde (Schlesien), der Ermlandfam­ilie (Ostpreußen) und der Diözese Rottenburg-Stuttgart (für alle Verfolgten und Vertrieben­en) Kerzen zum Altar, die der Bischof entzündete.

Die musikalisc­he Gestaltung des Gottesdien­stes übernahmen der Schülercho­r und das Orchester des Cyril-Method-Gymnasiums aus dem mährischen Brno (Brünn). Der Chor und das Orchester treten auch auf dem Katholiken­tag in Stuttgart auf. Die Deutschleh­rerin Dagmar Penazova stellte den 1998 gegründete­n Schülercho­r und das Orchester vor.

Für die Glaubensku­ndgebung war eigentlich Stefan Vesper als Redner vorgesehen. Doch der frühere Generalsek­retär des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken musste aufgrund einer Corona-Erkrankung kurzfristi­g absagen. Der Geschäftsf­ührer der AKVO, Professor Rainer Bendel, trug eine Predigt des 1947 verstorben­en Ermländer Bischofs Maximilian Kaller von Pfingsten 1945 vor. Kaller deutete die Vertreibun­g als Prüfung. Auf einen neuen Anfang in den Herzen komme es auch heute an.

Die Wallfahrt endete am Nachmittag mit einer Marienanda­cht mit Dekan Matthias Koschar, dem bischöflic­hen Beauftragt­en für Heimatvert­riebene und Aussiedler.

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FOTO: JOSEF SCHNEIDER Bischof Bertram Meier aus Augsburg war Hauptzeleb­rant der Vertrieben­enwallfahr­t auf dem Schönenber­g.

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