Die Euphorie langfristig nutzen
Nein, es braucht wahrlich kein künstliches Label, um die deutsche Nationalmannschaft der Frauen ins richtige Licht zu rücken. Während der DFB seine Männer PR-verliebt jahrelang bis zu diesem Donnerstag „Die Mannschaft“nannte, füllen die Frauen dieses Bild ohne Werbemarke auf bestmögliche Weise aus. Die Leistungen und das Auftreten der 23 Spielerinnen bei der EM in England sind Argument genug, weshalb es das Team innerhalb von nur drei Wochen geschafft hat, aus der Randsportart Frauenfußball ein sportliches Mega-Ereignis zu machen. Mit ihrer Geschlossenheit, ihrer Freude, ihrer nahbaren, bodenständigen Art und ihrem attraktiven Spiel hat das Team die Fußballnation Deutschland auch ohne WM der Männer in diesem Sommer in Euphorie versetzt.
Sie demonstrieren jene Werte, die den Fußball einst zum Volkssport haben aufsteigen lassen. Und zeigen eindrucksvoll, dass es dafür keine überbezahlten, teils weltfremden Profis braucht. Dennoch: Schon jetzt ist klar, dass die Frauen spätestens in einer Woche, wenn der Anpfiff zur nächsten Bundesliga-Saison der Männer ertönt, wieder in den Hintergrund rücken werden. Dann heißt es wieder 500 Zuschauer auf einem Nebenplatz statt 90 000 in Wembley.
Es liegt an den Verbänden, das langfristig zu verhindern. Es braucht neue Strukturen, um dem Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Es braucht eine professionelle Vermarktung, die gewährleistet, dass Länderspiele nicht mehr wie bisher an einem Dienstag um 16 Uhr angesetzt werden. Und ja, es braucht Geld. Und zwar nicht nur, um Gehälter und Prämien anzuheben, damit zumindest die Spielerinnen der ersten Liga nicht mehr einem Zweitjob nachgehen müssen, um über die Runden zu kommen. Sondern auch, um die Infrastruktur und Betreuung den Standards der Männer anzugleichen. Kurz: Es geht um Anerkennung und eine faire Beurteilung der sportlichen Leistungen.
Der DFB ist gefordert, die Euphorie der EM zu nutzen, um diese Entwicklung voranzutreiben. Denn Erfolg alleine reicht nicht – das hat die Vergangenheit trotz zahlreicher Titel schmerzhaft gezeigt.