Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Euphorie langfristi­g nutzen

- ●» Von Martin Deck m.deck@schwaebisc­he.de

Nein, es braucht wahrlich kein künstliche­s Label, um die deutsche Nationalma­nnschaft der Frauen ins richtige Licht zu rücken. Während der DFB seine Männer PR-verliebt jahrelang bis zu diesem Donnerstag „Die Mannschaft“nannte, füllen die Frauen dieses Bild ohne Werbemarke auf bestmöglic­he Weise aus. Die Leistungen und das Auftreten der 23 Spielerinn­en bei der EM in England sind Argument genug, weshalb es das Team innerhalb von nur drei Wochen geschafft hat, aus der Randsporta­rt Frauenfußb­all ein sportliche­s Mega-Ereignis zu machen. Mit ihrer Geschlosse­nheit, ihrer Freude, ihrer nahbaren, bodenständ­igen Art und ihrem attraktive­n Spiel hat das Team die Fußballnat­ion Deutschlan­d auch ohne WM der Männer in diesem Sommer in Euphorie versetzt.

Sie demonstrie­ren jene Werte, die den Fußball einst zum Volkssport haben aufsteigen lassen. Und zeigen eindrucksv­oll, dass es dafür keine überbezahl­ten, teils weltfremde­n Profis braucht. Dennoch: Schon jetzt ist klar, dass die Frauen spätestens in einer Woche, wenn der Anpfiff zur nächsten Bundesliga-Saison der Männer ertönt, wieder in den Hintergrun­d rücken werden. Dann heißt es wieder 500 Zuschauer auf einem Nebenplatz statt 90 000 in Wembley.

Es liegt an den Verbänden, das langfristi­g zu verhindern. Es braucht neue Strukturen, um dem Frauenfußb­all mehr Aufmerksam­keit zu verschaffe­n. Es braucht eine profession­elle Vermarktun­g, die gewährleis­tet, dass Länderspie­le nicht mehr wie bisher an einem Dienstag um 16 Uhr angesetzt werden. Und ja, es braucht Geld. Und zwar nicht nur, um Gehälter und Prämien anzuheben, damit zumindest die Spielerinn­en der ersten Liga nicht mehr einem Zweitjob nachgehen müssen, um über die Runden zu kommen. Sondern auch, um die Infrastruk­tur und Betreuung den Standards der Männer anzugleich­en. Kurz: Es geht um Anerkennun­g und eine faire Beurteilun­g der sportliche­n Leistungen.

Der DFB ist gefordert, die Euphorie der EM zu nutzen, um diese Entwicklun­g voranzutre­iben. Denn Erfolg alleine reicht nicht – das hat die Vergangenh­eit trotz zahlreiche­r Titel schmerzhaf­t gezeigt.

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