Ausgebremster Camping-Boom
Im Süden reichen die Plätze in der Hauptsaison teilweise kaum aus – Ausbau ist schwierig
RAVENSBURG - Weniger Bürokratie für Camping-Platzbetreiber, Autoführerschein für schwere Wohnmobile und E-Ladesäulen: CDU und CSU wollen dem Ansturm auf Campingplätzen in Deutschland gerecht werden. Denn die Urlauber sind da, aber die Stellplätze sind teilweise knapp. Campingplatzbetreiber sind mit dem ersten Vorstoß im Bundestag aber nicht ganz einverstanden.
Der Urlaub im Wohnmobil boomt. Das Kraftfahrtbundesamt hat 2021 über 100 000 Wohnmobile, Caravans und Co. bundesweit neu zugelassen. Es ist nach dem Rekordjahr 2020 erst das zweite Mal, dass diese Marke übertroffen wurde. Was aber fehlt, sind die nötigen Stellplätze in den Urlaubsregionen. Denn die Zahl der Stellplätze in Baden-Württemberg und Bayern bleibt seit Längerem gleich.
Das merken Campingplatz-Besitzer wie Irena Staudenmaier. Sie betreibt einen Platz auf der Schwäbischen Alb in Laichingen. Ihre knapp 200 Stellplätze reichen für Kurzzeitcamper in der Hauptsaison fast nicht mehr aus. Und so geht es vielen in der Branche. Es brauche dringend mehr Platz - und weniger Bürokratie.
Insgesamt gibt es in Deutschland rund 2900 Campingplätze mit mehr als 200 000 einzelnen Parzellen für Zelt oder Wohnmobil. Bayern liegt mit seinen 35 000 Stellplätzen bundesweit auf Platz 1, Baden-Württemberg belegt Platz vier mit über 21 800 Plätzen für Caravans und Co. Hotspots liegen vor allem im Schwarzwald, der Rheinebene und am Bodensee. Gäste seien vor allem Einheimische, Schweizer, Niederländer, sagt der Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes für Campingwirtschaft Baden-Württemberg, Kurt Bonath.
Er fürchtet um den Ruf der Camper. Im Südwesten habe man häufiger das Problem mit Wild-Campern auf öffentlichen Parkplätzen, die ihre Hinterlassenschaften nicht ordentlich entsorgen. „Ich habe selbst schon gesehen, wie Wohnmobilisten ihr Abwasser auf dem Parkplatz leeren“, sagt Bonath. Derzeit werde es allerdings in der Hochsaison nur in Hotspots wie am Bodensee knapp. „Viele stehen in der Wildnis, weil sie diese Freiheit wollen und nicht für den Stellplatz zahlen wollen.“Er hofft, dass mehr offizielle Stellplätze das Problem entschärfen. Einen Vorstoß in diese Richtung hat die CDU/CSU-Fraktion jüngst in den Bundestag eingebracht. Ihr Blick richtet sich dabei auch auf die Städte und Gemeinden. Sie sollen von ausgebauten Caravan-Stellplätzen profitieren, schließlich kaufen die Touristen vor Ort ein oder besuchen Wirtshäuser.
Geht es nach CDU und CSU, sollen Länder, Kommunen und Caravaning-Industrie gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie die Stellplätze ausgebaut werden können. Konkret soll es weniger bürokratische Hürden bei der Genehmigung von Stellplätzen geben. Vor allem kleine bis mittlere Plätze mit drei bis 30 Parzellen sollen ein vereinfachtes Bauverfahren
bekommen. Ferner sollen die Betreiber sich für Elektromobilität rüsten – mit dem Ausbau von E-Ladesäulen und Tankstellen für alternative Kraftstoffe. Jüngere Menschen, die nach 1999 den Führerschein gemacht haben, sollen anders als bisher schwere Reisemobile bis 4,25 Tonnen Gewicht fahren dürfen.
Bayerische Campingplätze rüsten derweil schon mit großen Aufwand um, sagt eine Sprecherin des Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Derzeit baue man viele E-Ladesäulen und ESharing-Konzepten
auf Campingplätzen im Freistaat. Der Landesverband der Campingwirtschaft in Bayern habe bereits vor 20 Jahren naturnahes Campen gefördert, ebenso wie nun die E-Mobilität, sagt dessen Geschäftsführer Georg Spätling. Die starke Auslastung von Stellplätzen in Hotspot-Regionen sei auch in Bayern häufig nur ein Problem während der Hochsaison.
Viele Campingbetriebe in Bayern sind in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden – oft in der Naturgebieten. Manche davon sind heute geschützt. Eine Modernisierung steht aktuell bei vielen Betrieben an. „Sie werden aber nur weitergeführt, wenn eine Modernisierung mit nicht zu großen behördlichen Hürden verknüpft ist“, sagt die Sprecherin des Staatsministeriums. Deshalb seien vereinfachte und schnellere Genehmigungsverfahren auf Bundesebene durchaus sinnvoll.
„Es vergehen Jahre, bis neue Plätze genehmigt sind“, weiß auch Kurt Bonath vom Landesverband für Campingwirtschaft Baden-Württemberg. Ihm wäre zunächst wichtiger, veraltete Regeln wie die Campingplatzverordnung von 1987 zu erneuern. „Das versuchen wir schon seit Jahren, aber es tut sich nichts.“Derzeit brauche man für den Bau fester Mietunterkünfte wie etwa Holzfässer oder sogenannter Mobilheime Genehmigungen. Das sei aufwändig. Bonath wünscht sich, dass solche Unterkünfte von den Behörden wie Stellplätze für Wohnmobile behandelt werden. Diese werden einfach gesammelt genehmigt. Denn solche Behausungen auf Zeit würden immer beliebter bei Jüngeren und Radfahrern.
Der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) kritisiert den Antrag der CDU/CSU-Fraktion als „unkonkret“und bemängelt den einseitigen Fokus auf Wohnmobile. „Alle Segmente des Campingtourismus in Deutschland boomen“, sagt Christian Günther, Geschäftsführer des BVCD. Die Belegung der Campingund Wohnmobilstellplätze verteile sich regional sehr unterschiedlich und sei vergleichbar mit anderen Formen des Tourismus. Statt eines bloßen Ausbaus der Stellplätze müsste man auch die Ausstattung, den Service und die Professionalität der Betriebe verbessern. Vor allem müsste die Digitalisierung voran kommen. Für einfachere Genehmigungsverfahren schlägt Günther als Grundlage eine schlanke Campingund Wochenendplatzverordnung in den Ländern vor.