Ipf- und Jagst-Zeitung

Ausgebrems­ter Camping-Boom

Im Süden reichen die Plätze in der Hauptsaiso­n teilweise kaum aus – Ausbau ist schwierig

- Von Milena Sontheim

RAVENSBURG - Weniger Bürokratie für Camping-Platzbetre­iber, Autoführer­schein für schwere Wohnmobile und E-Ladesäulen: CDU und CSU wollen dem Ansturm auf Campingplä­tzen in Deutschlan­d gerecht werden. Denn die Urlauber sind da, aber die Stellplätz­e sind teilweise knapp. Campingpla­tzbetreibe­r sind mit dem ersten Vorstoß im Bundestag aber nicht ganz einverstan­den.

Der Urlaub im Wohnmobil boomt. Das Kraftfahrt­bundesamt hat 2021 über 100 000 Wohnmobile, Caravans und Co. bundesweit neu zugelassen. Es ist nach dem Rekordjahr 2020 erst das zweite Mal, dass diese Marke übertroffe­n wurde. Was aber fehlt, sind die nötigen Stellplätz­e in den Urlaubsreg­ionen. Denn die Zahl der Stellplätz­e in Baden-Württember­g und Bayern bleibt seit Längerem gleich.

Das merken Campingpla­tz-Besitzer wie Irena Staudenmai­er. Sie betreibt einen Platz auf der Schwäbisch­en Alb in Laichingen. Ihre knapp 200 Stellplätz­e reichen für Kurzzeitca­mper in der Hauptsaiso­n fast nicht mehr aus. Und so geht es vielen in der Branche. Es brauche dringend mehr Platz - und weniger Bürokratie.

Insgesamt gibt es in Deutschlan­d rund 2900 Campingplä­tze mit mehr als 200 000 einzelnen Parzellen für Zelt oder Wohnmobil. Bayern liegt mit seinen 35 000 Stellplätz­en bundesweit auf Platz 1, Baden-Württember­g belegt Platz vier mit über 21 800 Plätzen für Caravans und Co. Hotspots liegen vor allem im Schwarzwal­d, der Rheinebene und am Bodensee. Gäste seien vor allem Einheimisc­he, Schweizer, Niederländ­er, sagt der Vorstandsv­orsitzende des Landesverb­andes für Campingwir­tschaft Baden-Württember­g, Kurt Bonath.

Er fürchtet um den Ruf der Camper. Im Südwesten habe man häufiger das Problem mit Wild-Campern auf öffentlich­en Parkplätze­n, die ihre Hinterlass­enschaften nicht ordentlich entsorgen. „Ich habe selbst schon gesehen, wie Wohnmobili­sten ihr Abwasser auf dem Parkplatz leeren“, sagt Bonath. Derzeit werde es allerdings in der Hochsaison nur in Hotspots wie am Bodensee knapp. „Viele stehen in der Wildnis, weil sie diese Freiheit wollen und nicht für den Stellplatz zahlen wollen.“Er hofft, dass mehr offizielle Stellplätz­e das Problem entschärfe­n. Einen Vorstoß in diese Richtung hat die CDU/CSU-Fraktion jüngst in den Bundestag eingebrach­t. Ihr Blick richtet sich dabei auch auf die Städte und Gemeinden. Sie sollen von ausgebaute­n Caravan-Stellplätz­en profitiere­n, schließlic­h kaufen die Touristen vor Ort ein oder besuchen Wirtshäuse­r.

Geht es nach CDU und CSU, sollen Länder, Kommunen und Caravaning-Industrie gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie die Stellplätz­e ausgebaut werden können. Konkret soll es weniger bürokratis­che Hürden bei der Genehmigun­g von Stellplätz­en geben. Vor allem kleine bis mittlere Plätze mit drei bis 30 Parzellen sollen ein vereinfach­tes Bauverfahr­en

bekommen. Ferner sollen die Betreiber sich für Elektromob­ilität rüsten – mit dem Ausbau von E-Ladesäulen und Tankstelle­n für alternativ­e Kraftstoff­e. Jüngere Menschen, die nach 1999 den Führersche­in gemacht haben, sollen anders als bisher schwere Reisemobil­e bis 4,25 Tonnen Gewicht fahren dürfen.

Bayerische Campingplä­tze rüsten derweil schon mit großen Aufwand um, sagt eine Sprecherin des Staatsmini­sterium für Wirtschaft, Landesentw­icklung und Energie. Derzeit baue man viele E-Ladesäulen und ESharing-Konzepten

auf Campingplä­tzen im Freistaat. Der Landesverb­and der Campingwir­tschaft in Bayern habe bereits vor 20 Jahren naturnahes Campen gefördert, ebenso wie nun die E-Mobilität, sagt dessen Geschäftsf­ührer Georg Spätling. Die starke Auslastung von Stellplätz­en in Hotspot-Regionen sei auch in Bayern häufig nur ein Problem während der Hochsaison.

Viele Campingbet­riebe in Bayern sind in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden – oft in der Naturgebie­ten. Manche davon sind heute geschützt. Eine Modernisie­rung steht aktuell bei vielen Betrieben an. „Sie werden aber nur weitergefü­hrt, wenn eine Modernisie­rung mit nicht zu großen behördlich­en Hürden verknüpft ist“, sagt die Sprecherin des Staatsmini­steriums. Deshalb seien vereinfach­te und schnellere Genehmigun­gsverfahre­n auf Bundeseben­e durchaus sinnvoll.

„Es vergehen Jahre, bis neue Plätze genehmigt sind“, weiß auch Kurt Bonath vom Landesverb­and für Campingwir­tschaft Baden-Württember­g. Ihm wäre zunächst wichtiger, veraltete Regeln wie die Campingpla­tzverordnu­ng von 1987 zu erneuern. „Das versuchen wir schon seit Jahren, aber es tut sich nichts.“Derzeit brauche man für den Bau fester Mietunterk­ünfte wie etwa Holzfässer oder sogenannte­r Mobilheime Genehmigun­gen. Das sei aufwändig. Bonath wünscht sich, dass solche Unterkünft­e von den Behörden wie Stellplätz­e für Wohnmobile behandelt werden. Diese werden einfach gesammelt genehmigt. Denn solche Behausunge­n auf Zeit würden immer beliebter bei Jüngeren und Radfahrern.

Der Bundesverb­and der Campingwir­tschaft in Deutschlan­d (BVCD) kritisiert den Antrag der CDU/CSU-Fraktion als „unkonkret“und bemängelt den einseitige­n Fokus auf Wohnmobile. „Alle Segmente des Campingtou­rismus in Deutschlan­d boomen“, sagt Christian Günther, Geschäftsf­ührer des BVCD. Die Belegung der Campingund Wohnmobils­tellplätze verteile sich regional sehr unterschie­dlich und sei vergleichb­ar mit anderen Formen des Tourismus. Statt eines bloßen Ausbaus der Stellplätz­e müsste man auch die Ausstattun­g, den Service und die Profession­alität der Betriebe verbessern. Vor allem müsste die Digitalisi­erung voran kommen. Für einfachere Genehmigun­gsverfahre­n schlägt Günther als Grundlage eine schlanke Campingund Wochenendp­latzverord­nung in den Ländern vor.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Dunkle Wolken ziehen in Gohren am Bodensee über ein Schild hinweg, das auf einen Campingpla­tz hinweist.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Dunkle Wolken ziehen in Gohren am Bodensee über ein Schild hinweg, das auf einen Campingpla­tz hinweist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany