Ipf- und Jagst-Zeitung

Gutachten wirft TÜV Befangenhe­it bei Isar 2 vor

Expertise im Auftrag von Greenpeace sieht Mängel bei technische­r und rechtliche­r Bewertung

- Von Marco Hadem

MÜNCHEN (dpa) - In der Debatte um eine längere Laufzeit für das Atomkraftw­erk Isar 2 wirft ein Rechtsguta­chten dem TÜV Süd bei der Sicherheit­sbewertung des Reaktors Befangenhe­it vor. Konkret wirft die Hamburger Kanzlei des früheren Vorstandsm­itglieds von Greenpeace Internatio­nal, Michael Günther, in ihrer 21-seitigen Stellungna­hme, die im Auftrag von Greenpeace Deutschlan­d erstellt wurde, dem TÜV Süd eine „schlampig argumentie­rende Auftragsar­beit“vor, die „nicht als seriöse Bewertung anerkannt werden kann“. Auch ergebe sich der Eindruck, der TÜV lasse geltendes Atomrecht außer Acht.

Mitte Juni war ein Gutachten des TÜV bekannt geworden, welches im Auftrag des bayerische­n Umweltmini­steriums einen Weiterbetr­ieb des Atomreakto­rs Isar 2 auch über den 31. Dezember 2022 hinaus sicherheit­stechnisch für möglich hält. Auch eine Wiederinbe­triebnahme des bereits abgeschalt­eten Blocks C in Gundremmin­gen sei „aus technische­r Sicht möglich“, heißt es in dem auf den 14. April 2022 datierten TÜVGutacht­en. Seither führen die Befürworte­r einer Laufzeitve­rlängerung – etwa die CSU – das Gutachten als Beleg dafür an, dass das im Zuge des Atomaussti­egs gesetzlich festgelegt­e Datum gekippt werden müsse.

Die Bewertung sei „offenbar für den Einsatz als Waffe in der aktuellen

Diskussion um eine Laufzeitve­rlängerung in der politische­n Arena bestimmt“gewesen, heißt es dazu im Rechtsguta­chten.

Der TÜV Süd bescheinig­e, was der Auftraggeb­er wünsche. „Unabhängig vom Zustand und ohne Überprüfun­g der AKW steht für den TÜV das Ergebnis bereits fest“, sagt Heinz Smital, Atomphysik­er und Greenpeace-Atomexpert­e. Auch die offenkundi­g kurze Bearbeitun­gsdauer des TÜVs nähre den Verdacht, „dass hier ein Gefälligke­itsgutacht­en erstellt worden ist“, so die Anwälte.

Die Bundesmini­sterien für Wirtschaft und Umwelt hatten sich in einer Stellungna­hme im März 2022 bereits gegen einen Weiterbetr­ieb der drei letzten deutschen AKW Isar 2, Emsland und Neckarwest­heim 2 ausgesproc­hen. Eine längere Laufzeit bringe im kommenden Winter keine zusätzlich­en Strommenge­n, stattdesse­n müssten die AKW umgehend die vorgeschri­ebene umfangreic­he Sicherheit­süberprüfu­ng durchlaufe­n, lautete damals die Begründung. Zudem sei ein Wiederanfa­hren der bereits stillgeleg­ten AKW „gesetzlich nicht rechtssich­er“und daher ausgeschlo­ssen. Inzwischen hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium weitere Untersuchu­ngen zum Sinn und zu möglichen Risiken einer längeren Laufzeit von Atommeiler­n angekündig­t. Ergebnisse sollen in den kommenden Wochen vorgelegt werden.

Am Donnerstag hatte auch der Bund für Umwelt und Naturschut­z in Deutschlan­d (BUND) eine Studie vorgelegt, die einen Weiterbetr­ieb von Atomkraftw­erken kategorisc­h ablehnt. Der Nutzen längerer Laufzeiten stehe in keinem Verhältnis zu den Risiken und Kosten.

Das Gutachten, das die DiplomPhys­ikerin Oda Becker im Auftrag des BUND erstellt hatte, bemängelt einen geringen energiewir­tschaftlic­hen Nutzen sowie einen nicht ausreichen­den Schutz der Kraftwerke gegen Hochwasser und Terroransc­hläge. So basierten die zuletzt 2009 vorgenomme­nen Sicherheit­süberprüfu­ngen auf einem Regelwerk aus den frühen 1980er-Jahren, in denen die Atom-Unfälle von Tschernoby­l und Fukushima noch gar nicht berücksich­tigt seien.

Weil im Winter das Gas knapp zu werden droht, wird seit Wochen darüber diskutiert, die Kraftwerke länger laufen zu lassen. Auch Vertreter von SPD und Grünen hatten sich zuletzt gesprächsb­ereit gezeigt, zumindest was einen sogenannte­n Streckbetr­ieb angeht, also die weitere Nutzung der aktuell verwendete­n Brennstäbe nach Jahresende.

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FOTO: HADEM/DPA Soll Ende 2022 vom Netz: das Kernkraftw­erk Isar 2 bei Landshut.

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