„Abwarten scheint das Sommermotto der Ampel zu sein“
Energiespar-Appelle, Streckbetrieb für AKW und Wohngeldreform reichen Unionsfraktionsvize Spahn nicht aus
BERLIN - Er ist so etwas wie der Schatten-Wirtschaftsminister: Jens Spahn (CDU). Zur Bewältigung der Energiekrise will er unter anderem einen Energiespar-Bonus. Seine Laufzeitforderung für Akw dürfte insbesondere bei den Grünen für einen Aufschrei sorgen.
Russland hat die Gaslieferungen erneut gedrosselt. Wie schlimm ist das für uns?
Das Grundproblem ist, dass wir auf die Lieferungen starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Damit setzen wir Russland an den längeren Hebel. Europa muss gemeinsam handeln und unabhängig werden von russischer Energie.
Es gibt doch die Pläne der EU und der Regierung, die vor allem auf weniger Verbrauch setzen. Können wir uns aus der Krise raussparen? Das allein reicht nicht, wir brauchen auch Energie-Alternativen. Aber wenn schon sparen, dann richtig: Es müsste längst finanzielle Sparanreize geben für private Haushalte und für die Industrie. Aber nichts wird entschieden. Abwarten scheint das Sommermotto der Ampel zu sein.
Wirtschaftsminister Robert Habeck sagt: „Die 50 Euro kriegst du nicht, Alter.”
Das ist zynisch gegenüber denen, die gerade jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Wir brauchen endlich einen Wettbewerb, wer am meisten einspart. Ein Spar-Bonus von 20 Cent pro eingesparter Kilowattstunde wäre ein echter Anreiz.
Das kostet den Staat weitere Milliarden.
Erstens kommt ein solcher Vorschlag auch aus der SPD. Zweitens haben Experten berechnet, dass fünf bis sechs Milliarden Euro nötig wären. Ja, das ist viel Geld. Aber es ist besser, als Putin noch mehr Milliarden für sein Gas zu zahlen.
Sie haben von Energie-Alternativen gesprochen. Welche wollen sie?
Durch den verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken Gas zu sparen, hat meine Partei schon im März gefordert. Aber vier Monate später ist nur ein einziger Kohlemeiler zusätzlich am Netz. Habeck war für Gas in Katar, aber ob und wann was kommt, ist völlig unklar. Und dann geht es natürlich um die Kernkraft.
Das betrifft ja den Strom. Die Regierung prüft das gerade per Stresstest.
Die Grünen haben wochenlang gesagt, Strom wäre nicht das Problem. Sie haben sich in eine Sackgasse manövriert. Jetzt fangen sie viel zu spät an, umzudrehen. Da sind entweder fachliche Fehleinschätzungen oder Wunschdenken am Werk gewesen. Beides ist in dieser Krise fatal.
Die Grünen reden von möglichem Streckbetrieb und nicht von einer grundsätzlichen Laufzeitverlängerung. Reicht das?
Wir brauchen einen Weiterbetrieb so vieler Kernkraftwerke wie möglich, solange diese Krise andauert. Streckbetrieb reicht da nicht. Ich kann der Ampel nur empfehlen, jetzt nicht die nächste halbgare Entscheidung zu treffen. Das wird Deutschland sonst teuer bezahlen.
Debattiert wird auch über Fracking in Deutschland. Davon wiederum ist die CDU in der potenziellen Fracking-Region Münsterland, wo Sie ja herkommen, nicht begeistert. Fracking ist bislang verboten. Für den Mangel im nächsten Winter hilft es auch nicht, das bräuchte länger. Erst mal müsste die Ampel eine nachvollziehbare Kosten-NutzenAnalyse vorlegen. Im Moment wird im luftleeren Raum spekuliert.
Wie lässt sich eine Spaltung der Gesellschaft aufgrund der Kriegskosten verhindern?
Putin spielt ein perfides Spiel. Eine Spaltung ist genau das, worauf er abzielt. Das Gegenmittel wäre ein klarer Plan für den Ausstieg aus russischer Energie. Solange der fehlt, sind wir erpressbar.
Ist der Union im Zweifel die Energiesicherheit wichtiger als die Schuldenbremse?
Der Schwerpunkt in dieser Zeit muss die Unabhängigkeit von russischer Energie sein. Wir brauchen zudem einen Entlastungsherbst für kleinere und mittlere Einkommen. Beides kostet. Aber: Ein Prozent Inflation bedeutet zehn Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Die Regierung muss endlich die richtigen Schwerpunkte setzen. Das Geld ist da – für beides.
Die FDP war mal der „natürliche Koalitionspartner” der CDU, jetzt regiert sie mit der SPD. Was sind die Partner der Zukunft? Zunächst mal müssen wir als Union nach der schwersten Wahlniederlage unserer Geschichte selbst stark werden. Im Moment stehen wir vorne, das ist gut. Aber programmatisch haben wir noch einiges vor. Die entscheidende Frage ist: Wem trauen die Deutschen zu, das Land gut zu führen? Da müssen wir wieder vorne liegen.