Ipf- und Jagst-Zeitung

Wembley zum Schweigen bringen

DFB-Frauen wollen im Traumfinal­e gegen England zurück auf den EM-Thron

- Von Jana Lange und Jonas Wagner

LONDON (SID) - Vor dem immens wichtigen Traumfinal­e hatte Alexandra Popp noch Zeit für Späße. „Hallo“, raunte die EM-Heldin mit verstellt tiefer Stimme, als sie mit aufgeklebt­em Schnäuzer und der Kappe rückwärts auf dem Kopf zur Pressekonf­erenz im noblen Teamhotel „The Grove“erschien. In Anspielung auf einen Satire-Tweet, sie solle im Winter als „Alexander Bopp“nun auch zur Fußball-WM der Männer fahren, sorgte die DFB-Kapitänin mit ihrer Verkleidun­g für große Lacher. „Wir haben beim Frühstück rumgescher­zt und gesagt, dass wir das durchziehe­n“, berichtete die deutsche TopStürmer­in über ihre Verkleidun­g. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe „gute Physios mit Kinesiotap­e, daraus habe ich mir schnell einen Schnäuzer geschnitte­n“, erklärte sie demonstrat­iv gelassen.

Am Sonntag (18.00 Uhr/ARD und DAZN) aber wird es ernst: Beim Showdown gegen Englands Lionesses vor fast 90 000 Fans. Im legendären Wembley-Stadion die Party crashen, den EM-Thron zurückerob­ern – und mit dem Kanzler feiern: Das ist die Mission im Endspiel der Superlativ­e. „Wir wollen Wembley zum Schweigen bringen“, lautet Popps kämpferisc­he Ansage. Innenverte­idigerin Kathrin Hendrich kann es kaum erwarten: „Wembley ist immer überragend, da geht es immer um viel Prestige – es gibt nichts Cooleres.“

Olaf Scholz wird in London mitfiebern. Genau wie Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD), DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Bundestrai­ner Hansi Flick und DFB-Geschäftsf­ührer Oliver Bierhoff, Wembley-Held von 1996, drückt der Bundeskanz­ler auf der Tribüne die Daumen.

Während England vom ersten großen Fußball-Triumph seit der Männer-WM 1966 träumt, will der frühere Abo-Sieger Deutschlan­d erstmals seit 2013 wieder die Trophäe erobern. Noch nie hat die DFBAuswahl ein EM-Finale verloren – auch die Engländeri­nnen bekamen den Nimbus 2009 zu spüren, als sie Deutschlan­d im Endspiel in Helsinki 2:6 unterlagen.

Dieses Mal jedoch gilt England unter Erfolgstra­inerin Sarina Wiegman als leichter Favorit. Doch Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g,

die ihre Abwehrchef­in Marina Hegering zur Belastungs­steuerung im Training am Freitagvor­mittag schonen musste, hat auch Schwachste­llen ausgemacht: „Die ersten 30 Minuten gegen Schweden (4:0 im Halbfinale, d. Red.) haben gezeigt, dass man ihnen wehtun kann.“

Klar ist: Die Neuauflage des Klassikers wird Maßstäbe setzen und Rekorde brechen. London wird wohl Zeuge der größten EM-Final-Kulisse der Geschichte: Bei den Männern liegt der Bestwert bei 79 115 (Madrid 1964).

Einen Tag später werden auch Tausende Menschen auf dem Frankfurte­r Römer erwartet. Unabhängig vom Finalausga­ng werden sich die Nationalsp­ielerinnen, die im Falle des neunten EM-Triumphes je 60 000 Euro Prämie erhalten, dort ihren Fans auf dem Rathausbal­kon am Römer präsentier­en. Die riesengroß­e Euphorie um den unerwartet­en Triumphzug ins EM-Finale hatten zuletzt mehr als zwölf Millionen TV-Zuschauer während des Halbfinale­s

gegen Frankreich (2:1) unterstric­hen. Nun soll der erste Triumph seit dem Olympia-Gold 2016 gelingen.

„Das ist alles, was wir immer wollten“, sagte Nationalto­rhüterin Merle Frohms über die neue Dimension der Sichtbarke­it, zu der mitreißend­e EMLeistung­en und sympathisc­he Selbstdars­tellung beigetrage­n haben: „Das beflügelt natürlich zusätzlich.“

Wie beflügelt spielt insbesonde­re Popp auf, die nach Verletzung­en bei ihrer ersten EM als Anführerin brilliert. Mit sechs Treffern hat das 31 Jahre alte Kopfballun­geheuer auch noch die Auszeichnu­ng als EM-Torschütze­nkönigin im Visier – im Duell mit der englischen Top-Stürmerin Beth Mead (ebenfalls sechs Treffer).

Und Alexander Bopp? Mit dem Auftritt in geheimer Männer-Misson wird es im Winter in Katar wohl eher nichts werden. „Da bin ich noch in der Champions League unterwegs“, sagte Popp lachend, „von daher muss Hansi Flick mir schon gute Argumente bringen...“.

Schwäbisch­e Zeitung

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