Die Lionesses gieren nach der Erlösung
Mehr als 80 000 euphorisierte Anhänger lassen den Hexenkessel Wembley beben, Prinz William kündigt royale Unterstützung an – und Millionen Engländer fiebern vor den Fernsehern mit: Schier endlose 56 Jahre voller Schmerz sollen für das Mutterland des Fußballs am Sonntag endlich enden. „Das Schicksal ruft“, titelte der „Daily Express“pathetisch. Doch die Spielerinnen blenden die riesige Erwartungshaltung aus, vor dem EM-Finale gegen Deutschland soll bloß keine übermäßige Nervosität aufkommen. Also bauen die Lionesses auf dem Weg zum ersten englischen Titel seit 1966 in ihrem Teamhotel Legofiguren, veranstalten Darts-Turniere oder spielen Verstecken. „Es tut gut, entspannt zu bleiben“, sagte Mittelfeldspielerin Lauren Hemp grinsend.
Auf ein Déjà-vu hat auf der Insel mal so gar keiner Lust – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Da wäre zum einen das verlorene EM-Endspiel „at Home“der Three Lions gegen Italien im Vorjahr. „Hoffentlich wird das Finale viel besser als das der Männer“, so Trainerin Sarina Wiegman mit einem Augenzwinkern. Die Aussage ließe sich über das Sportliche hinaus interpretieren. Denn das Endspiel im Vorjahr wurde von chaotischen und gewalttätigen Szenen am Einlass überschattet, Hunderte von Fans drangen ohne gültige Eintrittskarte in das WembleyStadion ein. Die Zahl an Sicherheitskräften werde am Sonntag „weit“über die Mindestanforderungen hinausgehen, betonte der Veranstalter. Es sei sichergestellt, dass jeder Besucher „ein sicheres und unvergessliches Erlebnis hat.“Unvergesslich wäre ein Triumph aus englischer Sicht ohnehin, die ganze Nation lechzt nach dem ersten Pokal seit dem Heim-WMCoup der Männer im Jahr 1966. Unter Wiegman hat die Mannschaft um Starstürmerin Ellen White einen riesigen Schritt nach vorne gemacht, ist seit 19 Spielen ungeschlagen. Die Niederländerin könnte als erste Trainerin mit zwei verschiedenen Nationen Europameisterin werden. (SID)