Ipf- und Jagst-Zeitung

Dem schwarzen Hautkrebs auf der Spur

Neue Hoffnung für Patienten mit schlechter Diagnose – Forscher versuchen, die gefährlich­en Metastasen aufzuspüre­n und in Schach zu halten

- Von Roland Knauer

Der Tumor hat bereits gestreut.“Für Krebspatie­nten ist dieser kurze Satz eine echte Hiobsbotsc­haft. Sterben doch 90 Prozent der Betroffene­n nicht etwa an ihrem ursprüngli­chen Tumor, sondern an den „Metastasen“genannten Tochterges­chwülsten.

Besonders schnell und damit auch besonders gefährlich ist der schwarze Hautkrebs. Wuchern seine Metastasen erst einmal in der Lunge, in der Leber oder im Gehirn, sinken die Überlebens­chancen deutlich. Um das zu ändern, setzen sich Alpaslan Tasdogan von der Universitä­tsmedizin Essen und sein Team auf die Spur dieser streuenden HautkrebsZ­ellen: „Wir untersuche­n die Veränderun­gen im Stoffwechs­el, die es Tumorzelle­n erst ermögliche­n, Metastasen zu bilden“, erklärt der Arzt und Naturwisse­nschaftler. „Kennen wir die Unterschie­de in den verschiede­nen Stadien der Metastasie­rung, sind wir erst in der Lage, auch die Achillesfe­rse zu identifizi­eren, an der wir die Metastasen angreifen und in Schach halten können“, umreißt der Forscher sein Vorhaben.

Noch lieber wäre es Alpaslan Tasdogan aber, wenn der schwarze Hautkrebs erst gar nicht entsteht oder zumindest nicht streut. Der Anfang einer solchen Tragödie liegt oft in einem Solarium oder beim Sonnenbade­n in der Natur. Dabei dringt ultraviole­ttes Licht tief in die Haut ein und kann unter Umständen das Erbgut der Zellen ein wenig verändern. In den allermeist­en Fällen repariert der Organismus den entstanden­en Schaden schnell und problemlos. In ganz seltenen Fällen aber verändert das ultraviole­tte Licht eine „B-raf“genannte Erbinforma­tion, nach deren Vorlage der Organismus das Protein B-Raf produziert, das eine wichtige Funktion bei der Vermehrung und Spezialisi­erung von

Körperzell­en spielt. „Bei der Mehrheit aller Fälle ist eine solche B-rafMutatio­n der erste Schritt auf dem Weg zu einem schwarzen Hautkrebs,“erklärt Alpaslan Tasdogan.

Je häufiger man sich in der Sonne aalt oder sich im Solarium bräunen lässt, umso größer ist das Risiko, dass UV-Licht in einer der vielen Hautzellen das Erbgut verändert. Besonders gefährlich sind die ultraviole­tten Strahlen für Menschen mit heller Haut und blonden oder roten Haaren. Nach einer solchen Veränderun­g des B-raf-Gens müssen normalerwe­ise noch einige weitere, meist sehr seltene Mutationen passieren, bis oft erst nach vielen Jahren eine Tumorzelle entsteht.

Häufig taucht dann ein meist nur Millimeter-großer dunkler Fleck auf der Haut auf, der braun bis schwarz ist, aber auch bläulich oder rötlich schimmern kann und oft eine unregelmäß­ige Form hat. Anfangs breitet sich der Tumor an der Oberfläche aus, wächst aber oft auch in die Tiefe und erreicht die Lederhaut. Dort können die Krebszelle­n in die Blutund Lymphbahne­n gelangen, sich so im Körper ausbreiten und Metastasen bilden.

Solange der schwarze Hautkrebs an der Oberfläche bleibt, lässt er sich gut behandeln. Ist die Geschwulst dagegen erst einmal bis in die Lederhaut vorgestoße­n und verbreitet Metastasen, sinken die Heilungsch­ancen erheblich. „Je früher ein schwarzer Hautkrebs entdeckt wird, umso besser stehen die Chancen für den Patienten“, erklärt Alpaslan Tasdogan. „Deshalb sind regelmäßig­e Vorsorgeun­tersuchung­en so wichtig!“Das sehen die gesetzlich­en Krankenkas­sen ähnlich und übernehmen bei über 35-Jährigen alle zwei Jahre eine solche Vorsorge.

Je früher der Tumor entdeckt wurde, umso größer ist die Chance auf die erlösende Nachricht: „Er hat noch nicht gestreut“. Alpaslan Tasdogan interessie­rt sich allerdings vor allem für die anderen Fälle mit erheblich schlechter­er Prognose. „Dabei gelangen durchschni­ttlich eine bis drei Millionen Tumorzelle­n in die Blutbahn“, erklärt der Forscher und Dermatolog­e. „Aber nur weniger als 0,01 Prozent dieser Zellen bilden schließlic­h erfolgreic­h eine Metastase“.

Für ein erfolgreic­hes Streuen müssen die Zellen also offensicht­lich recht hohe Hürden überwinden. So wechselt die Tumorzelle in eine völlig neue Umgebung: Im schwarzen Hautkrebs ist sie auf allen Seiten von anderen Zellen umgeben, mit denen sie fest verbunden ist. Um über die Blutbahn zu anderen Organen getragen zu werden, muss die Tumorzelle sich von diesen Nachbarn erst einmal lösen. Später tauchen die Zellen dann in Lymphknote­n auf. Oder sie bilden in der Lunge eine Metastase. Möglicherw­eise wächst eine Tochterges­chwulst auch in der Leber oder im Gehirn. In allen diesen Fällen aber landet die Tumorzelle in einer völlig neuen Umgebung, die sich grundlegen­d vom ursprüngli­chen schwarzen Hautkrebs unterschei­det, aus dem sie stammt. Um sich dort zu behaupten, muss die Tumorzelle ihren Stoffwechs­el gut anpassen. Das aber schaffen nur die wenigsten.

Wie ihnen diese Anpassung gelingt, untersucht Alpaslan Tasdogan mit einem markierten Zucker, den Biochemike­r als „Glukose“bezeichnen. „In dieser Verbindung wurden alle sechs Kohlenstof­f-Atome gegen das schwerere Kohlenstof­f-13 ausgetausc­ht“, erklärt der Forscher. Dieses Isotop C-13 ist nicht radioaktiv und ist in der Natur sehr selten. Da Glukose ein sehr guter und wichtiger Energielie­ferant für den Organismus ist, wird diese Verbindung rasch verwendet. Tumorzelle­n benötigen viel Energie, deshalb taucht das C-13 vor allem dort auf. Und da moderne Geräte solche schwereren Isotope zuverlässi­g messen, können Alpaslan Tasdogan und sein Team beobachten, wie sich der Stoffwechs­el in der Tumorzelle verändert und die Zelle so an die neue Umgebung anpasst.

Dabei verwendet die Tumorzelle die besonders energierei­che und rasch verwendbar­e Glukose, um die hohe Hürde der schwierige­n Anpassung an die neue Umgebung zu überwinden.

Je früher ein schwarzer Hautkrebs entdeckt wird, umso besser stehen die Chancen für den Patienten.

Alpaslan Tasdogan, Arzt und Wissenscha­ftler

Beim Abbau der Glukose entsteht als Abfallprod­ukt Milchsäure oder Laktat. Diese Verbindung verwenden die Krebszelle­n zwar ebenfalls als Energieque­lle, die allerdings deutlich weniger ergiebig als Glukose ist. Daher greifen Tumorzelle­n auf Laktat zurück, um ihren Grund-Haushalt am Laufen zu halten, während die energierei­che Glukose die aufwändige­n Anpassunge­n der Tumorzelle­n unterhält.

Zumindest haben Alpaslan Tasdogan und sein Team diesen Vorgang in menschlich­en schwarzen Hautkrebsz­ellen beobachtet, die in Mäusen gewachsen sind. „Jetzt wollen wir an der Universitä­tsmedizin Essen mit 13-C-Glukose bald auch den Stoffwechs­el von Hautkrebs- und anderen Tumorzelle­n in Patienten untersuche­n“, erklärt der Forscher. Geplant ist das sowohl vor als auch nach einer Therapie. Diese Behandlung funktionie­rt zwar normalerwe­ise gut. Nur entwickeln Krebszelle­n meist rasch Widerstand­skräfte gegen diese Therapie und der Tumor beginnt wieder zu wachsen. Wie sich bei diesen Resistenze­n der Stoffwechs­el der Tumorzelle­n verändert, will das Team an der Universitä­tsmedizin in Essen mit Hilfe der C-13-Glukose-Methode herausfind­en. „Dabei möchten wir im Stoffwechs­el eine Achillesfe­rse finden, an der wir solche Resistenze­n gegen die Therapie verhindern können“, hoffen nicht nur Alpaslan Tasdogan, sondern auch die Patienten, deren schwarzer Hautkrebs zu spät entdeckt wurde.

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Vorsorge kann lebensrett­end sein: Bei der Hautkrebs-Früherkenn­ung untersucht der Dermatolog­e mit einem Vergrößeru­ngsglas die Haut. So können Melanome rechtzeiti­g erkannt und entfernt werden.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Vorsorge kann lebensrett­end sein: Bei der Hautkrebs-Früherkenn­ung untersucht der Dermatolog­e mit einem Vergrößeru­ngsglas die Haut. So können Melanome rechtzeiti­g erkannt und entfernt werden.
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