Deftiger Genuss im bayerischen Himmel auf Erden
Der Biergarten ist ein bayerischer Mythos, ein Nationalheiligtum. Er ist sozusagen der Biergarten-Eden, also der Himmel auf bayerischer Erde. Die ursprüngliche Idee war eigentlich eine aus der Not geborenen: Brauereien, die gerade im Sommer Probleme hatten, ihr Gebräu frisch und kühl zu halten, verkauften es maßweise direkt aus den Felsen- und Lagerkellern heraus. Drum herum setzten sich jene Menschen, die es nicht erwarten konnten, an die Tische und tranken gleich vor Ort. Wer wollte, hatte seine Brotzeit dabei.
Ein bisschen ist es so noch heute. Zwar ist das gastronomische Angebot in Bayerns größten Biergarten, dem Hirschgarten in München mit 8000 Plätzen, durchaus reichlich. Dennoch sind hier Menschen gerne gesehen, die sich mit der mitgebrachten Brotzeit selbst versorgen. Vorausgesetzt,
die Maß wird am Stand erworben. Selbige kostet aktuell 8,10 Euro. Überraschung zu Beginn: Man möchte kaum glauben, dass man Bayerns größten Biergarten förmlich suchen muss. Das liegt am riesigen Park, der ihn umgibt und den man ohne Weiteres als einen grünen Lungenflügel der Stadt bezeichnen könnte. Die Hitze ist hier weniger brachial. Mit etwas Glück säuselt ein Sommerwind durch die turmhohen Baumwipfel. Der Biergarten unterteilt sich in einen Bereich ohne Bedienung – in Buden gibt’s Bier, Haxen, Hendl und Co. zum Selberholen. Und in eine Terrasse, die zum Wirtshaus gehört und routinierte Bedienungen bayerische Kulinarik an den Tisch tragen. Was hüben wie drüben auffällt: Münchner Preise können durchaus sympathisch sein. Die halbe Haxe im SB-Bereich
kostet zum Beispiel 8,50 Euro, eine Portion Kartoffelsalat dazu 3,40 Euro. Durch den stetigen Umschlag ist die Gefahr gering, auf einen tranigen Schweinefuß zu stoßen. Die Haxe hat dann auch eine knusprige Schwarte und festes, aber saftiges Fleisch. Der Kartoffelsalat sollte sich für seinen künstlich-süßen Brühwürfelgeschmack allerdings was schämen. Das können die Schwaben eindeutig besser als die Bayern.
Im Biergartenwirtshaus mit Bedienung geht‘s kulinarisch betrachtet etwas gepflegter zu. Die Küchen drinnen und draußen sind getrennt. Sehr schön: Eine wirklich wuchtige Fleischbrühe als „Aufg‘schmolzene Breznsupp‘n“. Der fleischige Sud hat viel aromatisches Gewicht. Die in Butter gebratenen Brezel-Stücke sind eine wunderbare Form der Resteverwertung.
Neben all den Wirtshausklassikern wie Schweinsbraten, Rehragout oder Fleischpflanzerl steht auch Milzwurst auf der Karte. Der Kellner empfiehlt die gebackene Variante. Sie kommt mit einem diesmal fast schwäbische anmutenden Kartoffelsalat ohne künstliche Süße und ganz trefflicher Schlotzigkeit. Wer allerdings gehofft hat, mit der Wurst den Geschmack von Rinder-Milz ergründen zu können, sieht sich enttäuscht. Die großen gebackenen Wursträder erinnern vielmehr deutlich an Weißwurst. Wenn Milz irgendein nennenswertes Aroma haben sollte, bleibt es im Hirschgarten gut versteckt. Trotzdem ist das BiergartenFazit positiv. Ein erschwingliches Vergnügen an einem Ort, an dem München ausnahmsweise mal nicht teuer ist. Und so ursprünglich wie vielleicht nirgends sonst in der Stadt.