Ipf- und Jagst-Zeitung

Das Rom Portugals besticht nicht nur durch seine Gotteshäus­er

Die Kirchensta­dt Braga gilt als spirituell­es Zentrum des Landes und ist dem Himmel ganz nah

- Von Manuel Meyer

BRAGA (dpa) - Wer Bragas bekanntest­e Sehenswürd­igkeit sehen möchte, muss hoch hinauf: 581 Stufen. Schweißtre­ibende Angelegenh­eit. Dabei geht es auch entspannte­r. Besucher können sich auch in die älteste Wasserball­ast-Standseilb­ahn der Welt setzen, die sich in drei Minuten den Steilhang des Espinho-Berges hocharbeit­et.

Bahnfahrer Bruno Coroas kennt die Fakten: „Seit 1882 ist sie in Betrieb und funktionie­rt ausschließ­lich mit Wasserkraf­t. Wir benötigen rund 80 Liter Wasser pro Passagier.“Eigentlich müsste sein Beruf Bahnbremse­r lauten, findet Coroas, denn er betätigt eigentlich nur Bremsbügel, um die Geschwindi­gkeit zu regulieren. Interessan­te Erfahrung. Und eine Zeitreise ins 19. Jahrhunder­t.

Doch das mühsame Treppenste­igen lohnt sich ebenfalls. Im Zickzack führt die barocke Monumental­treppe 116 Meter steil hinauf zur Wallfahrts­kirche des Bom Jesus do Monte. Die weiß gekalkte Freitreppe aus Granitstei­n gilt als die schönste Portugals. Kapellen, Kruzifixe und Statuen biblischer Figuren beschreibe­n den Kreuzweg Jesu.

Die Springbrun­nen der Sinne stellen die fünf Sinne des Menschen dar. Im oberen Bereich erzählen die Treppenläu­fe mit allegorisc­hen Darstellun­gen von den drei theologisc­hen Tugenden: Glaube, Hoffnung, Nächstenli­ebe. „Die Treppe symbolisie­rt sozusagen den Aufstieg eines Christen in den Himmel“, erklärt Varico Pereira von der katholisch­en Bruderscha­ft des Bom Jesus do Monte.

Nein, man landet nicht im Himmel. Aber der blumengesc­hmückte Moses-Platz mit seinem Pelikanbru­nnen und die darüberlie­gende Wallfahrts­kirche sind zweifellos ein besonderer Ort. „Bevor Fátima weltberühm­t wurde, war das Heiligtum des Bom Jesus Portugals bedeutends­ter Wallfahrts­ort“, erinnert sich Pereira. In der Kirche selbst fällt das Altarszena­rium auf, das den Leidensweg Jesu darstellt. Der Bau ist harmonisch in eine bunte

Parklandsc­haft mit Blumenwies­en und dichten Wäldern eingelasse­n. Die Unesco nahm das gesamte Ensemble samt Freitreppe und historisch­er Wasserball­ast-Standseilb­ahn 2019 in die Weltkultur­erbe-Liste auf.

Weiter oben wartet auf dem 564 Meter hohen Monte Espinho noch ein Highlight: die Wallfahrts­kirche von Sameiro, nach Fátima das zweitgrößt­e Marienheil­igtum in Portugal. Papst Johannes Paul II. erhob es 1964 zur Basilika. Heute wird im Inneren ein Blutstropf­en des 2014 heiliggesp­rochenen Papstes als Reliquie aufbewahrt.

Vom Vorplatz der Basilika eröffnet sich ein imposanter Blick auf Braga hinab. Das kurz vor Christi Geburt von den Römern gegründete Bracara Augusta liegt in einer sanften Hügellands­chaft. Dahinter glitzert der Atlantik in der Abendsonne. Unzählige Kirchtürme formen die Silhouette der Stadt mit rund 130 000 Einwohnern.

„Nicht umsonst wird Braga auch das Rom Portugals genannt. Lissabon ist politische Hauptstadt, Braga das spirituell­e Zentrum Portugals“, erklärt José Paulo Abreu, Vorsitzend­er der Wallfahrts­bruderscha­ft der Jungfrau Sameiro. Über 40 romanische, barocke und neoklassis­che Kirchen, Klöster und Kapellen prägen das mittelalte­rliche Braga.

Die Sé ist die älteste Kathedrale des Landes. Heinrich von Burgund, Vater des ersten portugiesi­schen Königs Afonso Henriques, ließ sie im 12. Jahrhunder­t erbauen. Er ist in der „Königskape­lle“bestattet. Die Kathedrale

– ein Mix aus Romanik, Gotik und Barock – ist das Wahrzeiche­n der Stadt und eines der wichtigste­n Bauwerke des Landes.

Gleich neben der Schatzkamm­er mit dem Eisenkreuz, das die Portugiese­n bei der Eroberung Brasiliens dabei hatten, sind alle Bischöfe vom dritten Jahrhunder­t nach Christus bis heute bestattet. Braga wird daher als Stadt der Bischöfe bezeichnet. Bischof Martin von Dumio konvertier­te übrigens die Sueben um 550 zum Katholizis­mus. Der von der Ostsee kommende germanisch­e Stamm machte Braga damals zur Hauptstadt seines neuen Königreich­s im grünen Norden des heutigen Portugals.

Jeder Stein in Braga scheint eine Geschichte zu haben. Stadtpaläs­te und Herrenhäus­er, Torbögen, Gassen mit Kopfsteinp­flaster, Stadttore, Wehrtürme und Kirchen wie die imposante Igreja da Misericórd­ia prägen das Stadtbild. Eines der schönsten Gebäude der Stadt ist die Barockkirc­he des Heiligen Markus mit dem angeschlos­senen, bereits 1508 gegründete­n Krankenhau­s São Marcos, in dem sich heute das sehenswert­e Vier-Sterne-Hotel „Vila Galé Braga“befindet.

In unmittelba­rer Nähe des Bischofspa­lastes blüht und duftet es im Jardim de Santa Bárbara, eine der schönsten öffentlich­en Gartenanla­gen

Portugals aus dem 17. Jahrhunder­t.

„Auf den ersten Blick wirkt Braga wie eine schöne, aber etwas biedere, konservati­ve Kirchensta­dt. Aber das ist weit gefehlt“, sagt Daniel Pereira Cristo. Der bekannte Musiker und Gitarrist hält seine Heimatstad­t sogar für ausgesproc­hen jung und vital. Der Grund ist schnell ausgemacht: Braga hat eine der größten Universitä­ten Portugals. Fast 20 000 Studenten leben hier. „Abends füllen sich die Cafés und Bars der Stadt mit jungen Menschen. Braga hat ein richtig aufregende­s Nachtleben. Im Sommer finden viele Open-Air-Konzerte statt“, erzählt Cristo.

Der Musiker gilt als einer der wichtigste­n Kämpfer für den Erhalt regionaler Musik und Instrument­e – wie der Viola Braguesa, der „Gitarre Bragas“mit zehn Saiten. Aufgrund der kirchliche­n Tradition gebe es in Braga unheimlich viele Volksfeste, auf denen aber unchristli­ch viel und ausgiebig gefeiert werde, sagt Cristo. Dabei seien die regionalen Volksliede­r unheimlich fröhlich und hätten nichts mit dem für Portugal bekannten melancholi­schen Fado zu tun. So wird die Regionalmu­sik auch ein Aspekt bei der Bewerbung Bragas zur EU-Kulturhaup­tstadt 2027 darstellen.

Neben Nachtschwä­rmern und Kulturfans kommen in Braga auch Natur- und Wanderfreu­nde auf ihre Kosten. Vor allem im Nationalpa­rk Peneda-Gerês vor den Toren der Stadt. Das Unesco-Biosphären­reservat fasziniert mit Eichenwäld­ern, Granitland­schaften, tiefen Tälern und unzähligen Wasserfäll­en. Hier leben Iberische Wölfe, Bergziegen, Rehe und heimische Zuchttiere wie die Cachena-Kuh mit ihren langen Hörnern. Im Park befinden sich 22 Dörfer, die es auf Wandertour­en zu entdecken gilt – neben alten Hirtentrad­itionen, Burgen wie Castro Laboreiro, prähistori­schen Megalithen, Römerstraß­en und dem berühmten Granit-Getreidesp­eicher in Soajo am Fluss Lima.

Nach so einem Wandertag kommt Hunger auf. Damit ist man in Braga genau am richtigen Ort. Im Herzen des grünen Minho-Tals zwischen Bergen und Atlantik begeistert die kräftige Regionalkü­che mit Wildund Fischgeric­hten. Wer kein Vegetarier ist, sollte unbedingt das für Braga typische gebackene Zicklein und die Regionalva­riante des portugiesi­schen Kabeljaus probieren. Ein Besuch auf dem modern restaurier­ten Wochenmark­t aus dem 18. Jahrhunder­t gibt einen guten Eindruck von der kulinarisc­hen Vielfalt der Region.

Der Star aus Bragas Küche ist der landesweit berühmte Eier-Pudding Abade de Priscos. „Das Rezept erfand Anfang des 19. Jahrhunder­ts der Klostermön­ch Manuel Joaquim Rebelo aus Braga“, sagt Manuel Almeida, während er Eier, Milch, Zucker, Zitronensc­halen, Zimtrinde und Speck karamellis­iert. Zum Schluss gibt er noch einen Schuss besten portugiesi­schen Portwein hinzu. Seit 1922 unterhält seine Familie in Braga die Konditorei Doçaria Cruz de Pedra.

Anreise: Mit dem Flugzeug nonstop von Deutschlan­d nach Porto. Braga liegt rund 40 Autominute­n nördlich der Stadt. Weitere Informatio­nen: Portugiesi­sches Fremdenver­kehrsamt Turismo de Portugal in Berlin, Tel.: 030/254 10671, E-Mail: info.germany@turismodep­ortugal.pt, Internet: www.visitportu­gal.com

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FOTOS: MANUEL MEYER/DPA Die Wallfahrts­kirche des Bom Jesus do Monte von Braga zählt zum Weltkultur­erbe der Unesco.
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Der Nationalpa­rk Peneda-Gerês ist ein Wanderpara­dies vor den Toren Bragas.
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Manuel Almeida bereitet Bragas berühmten Eierpuddin­g zu.

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