Fünf Milliarden Euro für schnelles Internet
Im Südwesten wurde viel Geld in den Breitbandausbau investiert – Dennoch gibt es Kritik
- In Baden-Württemberg sind seit 2016 mehr als fünf Milliarden Euro für den Ausbau des schnellen Internets geflossen – so viel wie in keinem anderen Bundesland. Das geht aus Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Unionsfraktion sowie aus Angaben des Stuttgarter Innenministeriums hervor. Allerdings geschieht aus Sicht von Kritikern weiter zu wenig im Südwesten.
Die Summe setzt sich aus Fördergeld zusammen, das aus Töpfen von Bund und dem Land f loss. Der Bund zahlt 50 Prozent eines Breitbandprojektes, seit 2019 übernimmt das Land 40 Prozent der Kosten. Den Angaben zufolge bewilligte Berlin seit 2016 rund 2,78 Milliarden Euro für den Breitbandausbau im Südwesten. Das Land stockte die Mittel mit 2,3 Milliarden auf. Damit sicherte sich das Land im Bundesvergleich den größten Anteil aus den Berliner Fördertöpfen, nämlich knapp 22,5 Prozent. Dahinter folgen Sachsen und Nordrhein-Westfalen mit rund 13,6 Prozent. Nach Bayern gingen 6,8 Prozent der Bundesmittel seit 2015.
Grundsätzlich bekommt nicht jeder Netzausbau Geld aus öffentlichen Kassen. Das EU-Recht setzt staatlicher Förderung Grenzen, um private Anbieter nicht zu benachteiligen. Gemeinden bekommen nur Geld, wenn das Netz dort besonders langsam ist. Für Telekom und andere Unternehmen lohnt sich der Ausbau an solchen Stellen oft nicht, weil in dünn besiedelten Gebieten zu wenig Kunden die Anschlüsse nutzen und damit auch zahlen.
Die Zahl jener Privathaushalte, die derzeit Gigabit-Tempo nutzen können, liegt laut Stuttgarter Innenministerium bei knapp 70 Prozent. 2016 waren es nur 1,4 Prozent. Im Bundesvergleich platziert sich Baden-Württemberg damit auf Platz sieben noch vor Bayern, wo laut Breitbandatlas der Bundesregierung 65 Prozent der Bürger Gigabit-Anschlüsse nutzen können. Über einen Internetanschluss mit einer Download-Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s verfügen im Südwesten 88,9 Prozent der Haushalte, ein Plus von 21 Prozentpunkten im Vergleich zu Mitte 2018. Bayern liegt mit 91 Prozent knapp über diesem Wert.
Innenminister Thomas Strobl (CDU), seit 2016 zuständig für Digitalisierung, zeigt sich zufrieden: „Seit dem Jahr 2016 haben wir eine Milliardeninvestitionsoffensive zum Ausbau des schnellen Internet gefahren – und durch eine intelligente Förderpolitik dafür gesorgt, dass noch einmal so viel Geld von Berlin nach Baden-Württemberg gef lossen ist.“
Allerdings reicht das aus Sicht von Vertretern der Opposition und des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko) nicht. Denn in einer anderen Statistik liegt Baden-Württemberg im Bundesvergleich auf dem letzten Platz aller Flächenländer: Nur 17 Prozent der Haushalte können laut Breko das Glasfasernetz nutzen. Der Rest ist über das Telefonoder TV-Netz mit Kupferkabeln angebunden.
Damit können im Download Geschwindigkeiten von einem Gigabit erzielt werden. Das ist aus Expertensicht heute zwar sehr schnell. „Aber in Zukunft werden wir viel schnelleres Netz brauchen. Und da ist die einzig zukunftssichere Technologie derzeit die Glasfaser, mit der sich schon jetzt Geschwindigkeiten von mehreren Hundert Terrabit erzielen lassen“, sagt Breko-Sprecher Matthias Schuchard. „Bei herkömmlichen Kupferkabeln teilen sich Nutzer die Kapazität – wenn viele Anwender surfen, kommt gar kein ganzes Gigabit beim Verbraucher an.“Außerdem würden öffentlich geförderte Projekte dreimal langsamer umgesetzt als solche privater Anbieter.
Angesichts solcher Fakten sieht SPD-Netzpolitiker Jonas Hoffmann keine Erfolgsgeschichte. „Glasfaser ist die Zukunftstechnologie, die wir brauchen.
Aber Strobl ruht sich darauf aus, Steuergeld von der einen in die andere Tasche, vom Bund ins Land zu schieben. Strobl ist kein Digitalisierungsminister, sondern bestenfalls ein Durchlauferhitzer.“Daniel Karrais, für die FDP im Landtag, teilt die Begeisterung des Innenministers ebenfalls nicht: „Das ist kein Grund zu feiern.“Im Südwesten würden besonders viele Ausbauprojekte von kommunalen Zusammenschlüssen getragen – diese benötigten nun mal viel Fördergeld. „Daher ist es per se noch kein Erfolg, Geld für förderfähige Projekte ins Land zu holen. Stattdessen bremste zu viel Förderung den Ausbau durch die Privatwirtschaft aus.“Strobl müsse dringend besser Rahmenbedingungen für die Glasfaser schaffen.
Lob erhält Strobl dagegen von Heiner Scheffold (parteilos), Landrat des Alb-Donau-Kreises: „Die Breitbandförderung der vergangenen Jahre ist in der Tat ein Erfolg. Der Innenminister hat sich das Thema zu eigen gemacht und persönlich aufs Tempo gedrückt.“In der Region seien mit den Fördermillionen zunächst die Hauptstränge des Glasfasernetzes, der „Backbone“, entstanden. „Jetzt befinden wir uns im Flächenausbau mit Anschlüssen bis in die einzelnen Häuser. Deshalb wird der Anteil der Glasfaseranschlüsse
jetzt sehr schnell deutlich steigen“, sagt Scheffold zur Kritik an der geringen Glasfaserquote.
Das Land hatte seine Fördersystematik im Februar 2019 umgestellt – nach massiver Kritik an zu langen Genehmigungszeiten. Seither beantragen Gemeinden oder Zweckverbände für den Breitbandausbau Förderung zuerst bei der Bundesregierung. Genehmigt diese eine Förderung, zahlt auch das Land.
„Das hat die Abläufe beschleunigt. Deswegen hat Baden-Württemberg zuletzt auch sehr viel Geld aus Berlin bekommen. Leider reagiert der Bund nun darauf und hat die Antragsverfahren erheblich bürokratischer gemacht. Man setzt wieder mehr auf den Markt, der aber gerade in ländlichen Regionen beim Breitbandausbau bislang versagt hat“, moniert Scheffold.
Auch Minister Strobl kritisierte seinen Bundeskollegen Volker Wissing (FDP), der außerdem erst nach langem Hin und Her die neuen Förderrichtlinien für den Ausbau bekannt gab. „Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Ampel die Kurve bekommen hat“, so Strobl. „Wir sind das Innovationsherz Europas und deshalb auf Gigabit-Netze angewiesen, das ist die Lebensader der digitalen Gesellschaft“, so Strobl.