Russischer Angriffskrieg auf Ukraine im Mittelpunkt
Wallfahrt der Heimatvertriebenen auf dem Schönenberg findet zum 73. Mal statt
(sj) – Blau und Gelb, die Fahne der Ukraine, hat am Sonntag auf dem Schönenberg geweht. Denn der seit dem 24. Februar 2022 tobende russische Angriffskrieg auf dieses Land mitten in Europa hat die 73. Wallfahrt der Heimatvertriebenen dominiert. Die Traditionsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Vertriebenenorganisationen (AKVO) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart stand unter dem Motto „Begegnung mit Ost-, Mittel- und Südosteuropa“. Rund 150 Gläubige nahmen an der Wallfahrt teil.
Nach den Klängen des Musikvereins Rattstadt unter dem Dirigat von Alexander Fuchs begrüßte Bürgermeister Volker Grab die Pilgerinnen und Pilger auf dem Kirchplatz. „Seit fast eineinhalb Jahren beschäftigt uns der Krieg in der Ukraine“, sagte Grab und ging dabei auch auf die vielen Ukrainerinnen und Ukrainer ein, die in Ellwangen Zuflucht gefunden haben und denen die Stadt eine Heimstatt geben konnte. Der Bürgermeister wünschte, dass der „unselige Krieg“bald beendet werde und für die Geflüchteten eine Rückkehr in die Heimat wieder möglich werde. Grab erinnerte aber auch an die Tausenden von Heimatvertriebenen, die sich über Jahrzehnte hinweg alljährlich auf dem Schönenberg trafen, um ihrer Heimat zu gedenken und für den Erhalt des Friedens und für das friedliche Zusammenleben der Völker zu beten. „Die Welt ist in den letzten 70 Jahren nicht stehen geblieben“, sagte er mit Blick auf neue Konflikte und forderte Empathie und Mitmenschlichkeit. Leider müsse der Frieden manchmal hart zurückgekämpft werden. „Der Verlust der Heimat gehört zum
Schlimmsten, was einem Menschen widerfahren kann“, betonte Grab.
„Wir kommen gern auf diesen Schönenberg, der für die Heimatvertriebenen immer zu einem
Heimatort geworden ist“, unterstrich Dekan Matthias Koschar aus Tuttlingen, der Bischöfliche Beauftragte für Heimatvertriebene und Aussiedler und Vorsitzende der AKVO.
Gemeinsam mit einer Fahnenordnung der Böhmerwäldler zogen die Geistlichkeit, darunter Schönenbergpfarrer Martin Leitgöb und die Ehrengäste in die Kirche ein. Der Hauptzelebrant, Bischof Bohdan Dzyurakh, Redemptorist und Apostolischer Exarch der ukrainisch-katholischen Kirche in Deutschland und Skandinavien, erinnerte in seiner Predigt an die Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1950, in der auf Rache und Vergeltung verzichtet und die Schaffung eines geeinten Europas propagiert wurde. „Der Frieden schien uns alle so sicher und selbstverständlich“, sagte der Oberhirte und sprach mit Blick auf den UkraineKrieg von einem „Albtraum“.
Unter den 13 Millionen Menschen, die seit dem Krieg in der Ukraine ihre Häuser und ihre Heimatorte verlassen mussten, seien fast fünf Millionen Binnenf lüchtlinge.
Acht Millionen indes hätten Zuflucht im Ausland gefunden, auch hier in Deutschland. Dzyurakh sprach von „zerstörten Träumen“, „durchkreuzten Plänen“und „verstümmelten Schicksalen“. Die Versöhnung jedoch sei das Ziel, das man nicht aus dem Blick verlieren dürfe, inmitten des Leides und des Unrechts.
Der Redner der anschließenden Glaubenskundgebung, Professor Dr. Oleh Turiy, Vizerektor der Ukrainisch-Katholischen Universität Lviv (Lemberg) und Professor am dortigen Institut für Kirchengeschichte, blickte auf die Verfolgung der Kirche. 1945 hätten die kommunistischen Behörden das Oberhaupt dieser Kirche, Metropolit Josyf Slipyj, alle Bischöfe, Hunderte von Priestern mit ihren Familien, Mönche, Nonnen und Tausende von Gläubigen verhaftet und die Liquidierung der ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche proklamiert.
Von 1946 bis 1989 war die UGKK die größte illegale kirchliche Gemeinschaft der Welt und die maßgebende soziale Struktur der direkten Opposition gegen die kommunistische totalitäre Ideologie in der UdSSR. „Die UGKK diente so als Schule der Freiheit und Katalysator für umfassendere Prozesse, die zum Zusammenbruch der Sowjetunion, zur Wiederherstellung der religiösen und bürgerlichen Freiheiten, zur Wiedergeburt der unabhängigen Ukraine beitrugen.“
Die Wallfahrt schloss mit einer Marienandacht in der Wallfahrtskirche mit Dekan Matthias Koschar und einem Konzert des Schülerchors „Liberi Cantantes“aus dem slowakischen Prievidza.