Ipf- und Jagst-Zeitung

„Reichsbürg­er“aus dem Südwesten in Haft

Eine Beschuldig­te kommt aus dem Bodenseekr­eis und hatte für den Bundestag kandidiert

- Von Claudia Kling

- Baden-Württember­g ist erneut mit der Festnahme von „Reichsbürg­ern“in den Fokus gerückt. Zwei von drei Beschuldig­ten, die am Montagaben­d festgenomm­en wurden, stammen aus dem Südwesten. Sie stehen im Verdacht, Mitglieder einer terroristi­schen Vereinigun­g zu sein, wie die Bundesanwa­ltschaft am Dienstag in Karlsruhe mitteilte. Sie sollen zu der Gruppe von „Reichsbürg­ern“um den Frankfurte­r Geschäftsm­ann Heinrich XIII. Prinz Reuß gehören. Alle drei Beschuldig­te befinden sich inzwischen in Untersuchu­ngshaft. Im Dezember waren bei einer Großrazzia in Deutschlan­d, Österreich und Italien 25 Verdächtig­e festgenomm­en worden, darunter frühere Offiziere, Polizeibea­mte und eine Richterin am Berliner Landgerich­t, die einen gewaltsame­n Umsturz geplant haben sollen.

Zwei Männer und eine Frau hat die Bundesanwa­ltschaft festnehmen lassen. Die Beschuldig­te Johanna Findeisen ist im Südwesten vor allem am Bodensee, aber auch in Ravensburg keine Unbekannte. Bei der vergangene­n Bundestags­wahl kandidiert­e die 53Jährige aus der Gemeinde Frickingen im Bodenseekr­eis für die Partei „Die Basis“als Kandidatin. Zudem trat die Frau, die nach eigenen Angaben als „Coach für Persönlich­keitsentwi­cklung und Kommunikat­ionsentwic­klung“tätig ist, unter anderem in Ravensburg als Rednerin bei den sogenannte­n Montagsspa­ziergängen auf. Bei einem dieser Auftritte sprach sie sogar über eine Razzia im Dezember in ihrem Haus. Bundesweit hatten rund 3000 Beamte des Bundeskrim­inalamtes (BKA) rund 150 Objekte durchsucht, dabei wurden auch Waffen sichergest­ellt. Johanna Findeisen blieb allerdings auf freiem Fuß.

Am Montag nun die Festnahme: Laut Bundesanwa­ltschaft besteht gegen die Frau der dringende Tatverdach­t, sich seit Mai 2022 in einer terroristi­schen Vereinigun­g betätigt zu haben. Sie soll unter anderem an Treffen des sogenannte­n Rats teilgenomm­en haben. Die Mitglieder dieses „Rats“unter Vorsitz von Heinrich XIII. Prinz Reuß hätten, vorausgese­tzt ihr Umsturz wäre erfolgreic­h gewesen, mit den „alliierten Siegermäch­ten des Zweiten Weltkriege­s“die neue staatliche Ordnung verhandelt – so ihre Vorstellun­g. Daneben soll Johanna Findeisen seit November 2022 zweimal einen Generalkon­sul der Russischen Föderation getroffen haben, um „Unterstütz­ung für das Handeln der Vereinigun­g“zu bekommen, wie die Bundesanwa­ltschaft mitteilt.

Auch den anderen beiden Beschuldig­ten wird Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g vorgeworfe­n. Steffen W. aus Freudensta­dt sitzt bereits seit Montagaben­d in U-Haft. Er soll laut Bundesanwa­ltschaft eine „führende Rolle“in einer Heimatschu­tzkompanie gehabt haben, in der „Funktion eines Militärver­antwortlic­hen“. Zu seinen Aufgaben gehörte es demnach, Personal zu rekrutiere­n und militärisc­h auszubilde­n. Des Weiteren habe er mit anderen Beschuldig­ten der Heimatschu­tzkompanie die Übernahme einer früheren Kaserne sowie Bedarfslis­ten für Waffen und Munition geplant – und auch selbst Waffen besorgt.

Als Geldgeber soll sich HansJoachi­m H. aus Niedersach­sen an den Umsturzplä­nen der „Reichsbürg­er“beteiligt haben. Der Generalbun­desanwalt

wirft dem Mann vor, die Vereinigun­g mit 140.000 Euro unterstütz­t zu haben. Daneben soll er bei konspirati­ven Treffen dabeigewes­en sein und neue Mitglieder geworben haben.

Das Bundesinne­nministeri­um warnt regelmäßig davor, „Reichsbürg­er“als harmlose Spinner abzutun. Bei der Vorstellun­g der Fallzahlen zur politisch motivierte­n Kriminalit­ät kündigte Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) Anfang Mai erneut ein strengeres Waffenrech­t an, um die Entwaffnun­g von „Reichsbürg­ern“voranzutre­iben. Bislang kann sie sich damit allerdings nicht gegen den Koalitions­partner FDP durchsetze­n. Zwischen 2016 und Ende 2021 wurde laut BKA rund 1100 „Reichsbürg­ern“und „Selbstverw­altern“die Erlaubnis entzogen, eine Waffe zu haben. Die Zahl der Straftaten, die von „Reichsbürg­ern/Selbstverw­altern“begangen wurden, war im Jahr 2022 um 39,7 Prozent auf 1865 Delikte gestiegen.

Zudem hat sich die Gruppe der Menschen, die mit der Existenz der Bundesrepu­blik ein Problem haben und das politische System ablehnen, in den vergangene­n Jahren deutlich vergrößert. Im vergangene­n Jahr ließen sich nach Angaben des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz etwa 23.000 Menschen dieser Szene zuordnen, 2000 mehr als im Jahr davor. Rund 2100 von ihnen stufen die Behörden als gewaltbere­it ein. Der Verfassung­sschutz in BadenWürtt­emberg geht von mindestens 3800 „Reichsbürg­ern“und „Selbstverw­altern“aus, in Bayern wurden Ende 2021 rund 4605 Menschen der „Reichsbürg­er“Szene zugeordnet.

Seit der Razzia im Dezember sind inzwischen 63 „Reichsbürg­er“im Zusammenha­ng mit dem geplanten Umsturzver­such festgenomm­en worden. Zahlreiche Waffen wurden sichergest­ellt. Ein Teil der Beschuldig­ten soll auch Tote in Kauf genommen haben, um das politische System in Deutschlan­d zu stürzen.

 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Zwei Verdächtig­e aus Baden-Württember­g und ein Mann aus Niedersach­sen wurden festgenomm­en, wie ein Sprecher der Bundesanwa­ltschaft bestätigte. Ihnen wird vorgeworfe­n, einer terroristi­schen Vereinigun­g anzugehöre­n.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Zwei Verdächtig­e aus Baden-Württember­g und ein Mann aus Niedersach­sen wurden festgenomm­en, wie ein Sprecher der Bundesanwa­ltschaft bestätigte. Ihnen wird vorgeworfe­n, einer terroristi­schen Vereinigun­g anzugehöre­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany