„Reichsbürger“aus dem Südwesten in Haft
Eine Beschuldigte kommt aus dem Bodenseekreis und hatte für den Bundestag kandidiert
- Baden-Württemberg ist erneut mit der Festnahme von „Reichsbürgern“in den Fokus gerückt. Zwei von drei Beschuldigten, die am Montagabend festgenommen wurden, stammen aus dem Südwesten. Sie stehen im Verdacht, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, wie die Bundesanwaltschaft am Dienstag in Karlsruhe mitteilte. Sie sollen zu der Gruppe von „Reichsbürgern“um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß gehören. Alle drei Beschuldigte befinden sich inzwischen in Untersuchungshaft. Im Dezember waren bei einer Großrazzia in Deutschland, Österreich und Italien 25 Verdächtige festgenommen worden, darunter frühere Offiziere, Polizeibeamte und eine Richterin am Berliner Landgericht, die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben sollen.
Zwei Männer und eine Frau hat die Bundesanwaltschaft festnehmen lassen. Die Beschuldigte Johanna Findeisen ist im Südwesten vor allem am Bodensee, aber auch in Ravensburg keine Unbekannte. Bei der vergangenen Bundestagswahl kandidierte die 53Jährige aus der Gemeinde Frickingen im Bodenseekreis für die Partei „Die Basis“als Kandidatin. Zudem trat die Frau, die nach eigenen Angaben als „Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikationsentwicklung“tätig ist, unter anderem in Ravensburg als Rednerin bei den sogenannten Montagsspaziergängen auf. Bei einem dieser Auftritte sprach sie sogar über eine Razzia im Dezember in ihrem Haus. Bundesweit hatten rund 3000 Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) rund 150 Objekte durchsucht, dabei wurden auch Waffen sichergestellt. Johanna Findeisen blieb allerdings auf freiem Fuß.
Am Montag nun die Festnahme: Laut Bundesanwaltschaft besteht gegen die Frau der dringende Tatverdacht, sich seit Mai 2022 in einer terroristischen Vereinigung betätigt zu haben. Sie soll unter anderem an Treffen des sogenannten Rats teilgenommen haben. Die Mitglieder dieses „Rats“unter Vorsitz von Heinrich XIII. Prinz Reuß hätten, vorausgesetzt ihr Umsturz wäre erfolgreich gewesen, mit den „alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkrieges“die neue staatliche Ordnung verhandelt – so ihre Vorstellung. Daneben soll Johanna Findeisen seit November 2022 zweimal einen Generalkonsul der Russischen Föderation getroffen haben, um „Unterstützung für das Handeln der Vereinigung“zu bekommen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilt.
Auch den anderen beiden Beschuldigten wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Steffen W. aus Freudenstadt sitzt bereits seit Montagabend in U-Haft. Er soll laut Bundesanwaltschaft eine „führende Rolle“in einer Heimatschutzkompanie gehabt haben, in der „Funktion eines Militärverantwortlichen“. Zu seinen Aufgaben gehörte es demnach, Personal zu rekrutieren und militärisch auszubilden. Des Weiteren habe er mit anderen Beschuldigten der Heimatschutzkompanie die Übernahme einer früheren Kaserne sowie Bedarfslisten für Waffen und Munition geplant – und auch selbst Waffen besorgt.
Als Geldgeber soll sich HansJoachim H. aus Niedersachsen an den Umsturzplänen der „Reichsbürger“beteiligt haben. Der Generalbundesanwalt
wirft dem Mann vor, die Vereinigung mit 140.000 Euro unterstützt zu haben. Daneben soll er bei konspirativen Treffen dabeigewesen sein und neue Mitglieder geworben haben.
Das Bundesinnenministerium warnt regelmäßig davor, „Reichsbürger“als harmlose Spinner abzutun. Bei der Vorstellung der Fallzahlen zur politisch motivierten Kriminalität kündigte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Anfang Mai erneut ein strengeres Waffenrecht an, um die Entwaffnung von „Reichsbürgern“voranzutreiben. Bislang kann sie sich damit allerdings nicht gegen den Koalitionspartner FDP durchsetzen. Zwischen 2016 und Ende 2021 wurde laut BKA rund 1100 „Reichsbürgern“und „Selbstverwaltern“die Erlaubnis entzogen, eine Waffe zu haben. Die Zahl der Straftaten, die von „Reichsbürgern/Selbstverwaltern“begangen wurden, war im Jahr 2022 um 39,7 Prozent auf 1865 Delikte gestiegen.
Zudem hat sich die Gruppe der Menschen, die mit der Existenz der Bundesrepublik ein Problem haben und das politische System ablehnen, in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert. Im vergangenen Jahr ließen sich nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz etwa 23.000 Menschen dieser Szene zuordnen, 2000 mehr als im Jahr davor. Rund 2100 von ihnen stufen die Behörden als gewaltbereit ein. Der Verfassungsschutz in BadenWürttemberg geht von mindestens 3800 „Reichsbürgern“und „Selbstverwaltern“aus, in Bayern wurden Ende 2021 rund 4605 Menschen der „Reichsbürger“Szene zugeordnet.
Seit der Razzia im Dezember sind inzwischen 63 „Reichsbürger“im Zusammenhang mit dem geplanten Umsturzversuch festgenommen worden. Zahlreiche Waffen wurden sichergestellt. Ein Teil der Beschuldigten soll auch Tote in Kauf genommen haben, um das politische System in Deutschland zu stürzen.