48 Kinder pro Tag Opfer sexueller Gewalt
Kindesmissbrauch ist in Deutschland allgegenwärtig – In vielen Fällen sind die Ermittlungsbehörden machtlos
- Es ist eine Zahl, die aufhorchen lässt und alarmiert: In Deutschland werden jeden Tag 48 Kinder Opfer sexueller Gewalt! Und da sich sexuelle Gewalt laut der Beauftragten der Bundesregierung für Kindesmissbrauch, Kerstin Claus, immer strategisch – das heißt, langfristig und im Geheimen – ereigne, liege hinter jedem Fall ein monatelanges Martyrium. Das bedeutet auch: Das Dunkelfeld der Taten ist exorbitant hoch. Dabei, das stellte Claus gemeinsam mit Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), bei der Präsentation der Zahlen kindlicher Gewaltopfer in Berlin fest, verlagere sich das Tatgeschehen auch immer weiter in den digitalen Raum. „Während wir in der analogen Welt Tausende von Regeln haben, ist in der digitalen Welt nichts geregelt“, kritisierten Claus und Münch.
Gewalt gegen Kinder zu unterbinden und sexuellen Missbrauch zu beenden, würden beim BKA höchste Priorität genießen. Trotz derzeit stagnierender Fallzahlen bedeutet jede einzelne Tat gleichbleibend hohes Leid für wehrlose kindliche Opfer, so Münch. Allerdings, und da legte der BKA-Präsidentin den Finger in die seit langem eiternde politische Wunde, bräuchten die Sicherheitsbehörden für erfolgreiche Ermittlungen die notwendigen Befugnisse und den rechtlichen Rahmen. Konkret: „Uns fehlt als entscheidendes Instrument die Mindestspeicherung von IP-Adressen, um Täter im Netz ausfindig zu machen“, betonte Münch.
Komme man über die IP-Adresse nicht weiter, müssten Verfahren häufig eingestellt werden – mit dem hohen Risiko, dass noch andauernde Missbrauchstaten nicht unterbunden werden könnten. Auch Claus nahm die Politik in die Pf licht. Die Missbrauchsbeauftragte beklagte, dass bis heute zum Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche keine belastbaren Aussagen möglich seien. Es fehle an Daten zu tatsächlichen Gefährdungslagen, zu Tatorten und zu Tatkontexten sowie darüber, ob und wie Präventionsmaßnahmen oder Hilfsangebote wirkten.
Aufgrund dieses düsteren Szenarios forderte Claus eine nationale Strategie zur Erhebung dieser notwendigen Daten. „Wir brauchen ein bundesweit zentrales Kompetenzzentrum für Prävalenzforschung.“An die Adresse der Eltern gewandt, machte Claus deutlich, dass die Erwachsenen die Verantwortung für das digitale Verhalten ihrer Kinder übernehmen müssten. Es reiche nicht, die Kinder stark zu machen – denn Minderjährige seien im Umgang mit Gewaltphänomenen im Netz überfordert und agierten oft unref lektiert.
Bei den absoluten von der polizeilichen Statistik erfassten Fällen von Missbrauch an Kindern gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während in Baden-Württemberg und Bayern auf 100.000 Einwohner je 14 Missbrauchsfälle kommen, sind es in Brandenburg 16, in Mecklenburg-Vorpommern sogar 20. Spitzenreiter ist SachsenAnhalt mit 26 Fällen auf 100.000 Einwohner, gefolgt von Berlin mit 25 Fällen. Der BKA-Präsident aber warnte aber davor, diese Zahlen überzubewerten. Dort wo es eine kleinere Anzahl von Fällen gäbe, sei die Dunkelziffer entsprechend größer, so Münch.