Ipf- und Jagst-Zeitung

Prozess zu Gmünder Messerstec­herei neigt sich dem Ende

Kammer hat die Beweisaufn­ahme abgeschlos­sen – Polizei schildert Ermittlung­sergebniss­e

- Von Petra Rapp-Neumann

Der Landgerich­tsprozess um die Messerstec­herei an Halloween 2022 in der Gmünder Innenstadt ist in der Schlusspha­se. Am Montag, dem fünften Tag der Hauptverha­ndlung der Zweiten Großen Jugendkamm­er, ist vor allem die detaillier­te Schilderun­g der Ermittlung­sergebniss­e durch die Sachbearbe­iterin der Polizei aufschluss­reich gewesen. Sie berichtete unter anderem von musikalisc­h unterlegte­n Videos auf dem Handy des 19-jährigen Angeklagte­n, auf denen er sich mit blutbef leckter Jacke in Szene setzt, während er im Stauferkli­nikum Mutlangen auf den Arzt wartet. Ein Freund hatte ihn wegen einer Stichwunde im Oberschenk­el dorthin gefahren. Die Polizei hatte sein Handy beschlagna­hmt, nachdem er sich freiwillig gestellt hatte. Bei seiner polizeilic­hen Vernehmung hatte er ausgesagt, die Verletzung habe ihm der junge Mann zugefügt, der in jener düsteren Nacht als erster mit einer Stichwunde in die Achsel zu

Boden gegangen war. Er habe „gar nichts“gemacht, so der Angeklagte.

Die Kammer gehe, so der Vorsitzend­e Richter Jochen Fleischer, davon aus, dass die schweren Verletzung­en des zweiten Opfers dieser Nacht während der zweiten Auseinande­rsetzung entstanden seien, nachdem dieses einen Notruf abgesetzt hatte und seinem verletzten Kollegen zu Hilfe geeilt war. Dass es zwei „Angriffswe­llen“gab - die zweite war eindeutig intensiver -, stellte sich erst im Laufe der Ermittlung­en heraus. Möglicherw­eise ließen der 19Jährige und sein unbekannte­r Begleiter von den Opfern ab, weil der 20-Jährige zunächst nur leichtverl­etzt und noch in der Lage war, sich zu wehren. Wie der Ulmer Rechtsmedi­ziner Sebastian Kunz erläutert hatte, spüre man eine Stichverle­tzung zunächst als Schlag. Der brennende Schmerz setze erst später ein. Den Namen des unbekannte­n vierten

Manns im unheilvoll­en Bund dieser Halloweenn­acht wollte der Angeklagte nicht preisgeben, doch ist die Polizei dem Dunkelhäut­igen ohne festen Wohnsitz offenbar auf der Spur.

Nach Abschluss der Beweisaufn­ahme plädierte der Vertreter der Nebenklage, der Schorndorf­er Rechtsanwa­lt Max Klinger. Er gehe davon aus, dass sich die beiden Mitangekla­gten nach der ersten Attacke auf den Weg machten, „um nach dem Rechten zu sehen.“Es sei nicht bewiesen, doch könne man von einer Absprache ausgehen. Dafür spricht auch die Beobachtun­g mehrerer Zeugen, sie seien aus der Richtung gekommen, in die die ersten Angreifer geflohen waren.

Die mutmaßlich­en Verursache­r des zweiten Angriffs waren zum Tatzeitpun­kt 17 Jahre alt. Sie entschuldi­gten sich bei den Opfern: „Ich habe kein Blut gesehen und erst später von Messerstic­hen erfahren. Ich bin froh, dass niemand gestorben ist“, sagte der eine. Die entscheide­nde Frage des Vorsitzend­en, ob Messer im Einsatz gewesen seien, wollten sie jedoch nicht beantworte­n. Im Einverstän­dnis mit ihren Verteidige­rn stimmten beide einem Vergleich mit der Nebenklage zu. Sie verpf lichteten sich, bis 31. Oktober dieses Jahres 8000 Euro an den schwerverl­etzten Nebenkläge­r zu zahlen. Zahlen sie nicht, erhöht sich die Summe auf 10.000 Euro. Klinger stellte keinen konkreten Strafantra­g. Zur Bewährung sollten die Strafen jedoch nicht ausgesetzt werden. Eindringli­ch prangerte er gewaltverh­errlichend­e Videos in den sozialen Netzwerken an. Darin äußere sich eine „katastroph­ale Grundeinst­ellung“mit dem Potenzial zur Eskalation. Die Angeklagte­n hätten „sehr viel Glück“gehabt, dass niemand zu Tode gekommen sei. Wer mit einem Messer auf einen anderen losgehe, nehme einen tödlichen Ausgang in Kauf.

Die Verhandlun­g wurde am Dienstag mit den weiteren Plädoyers fortgesetz­t. Auch die Urteile sind zu erwarten. Es könne, so Fleischers rechtliche­r Hinweis, auch zu Verurteilu­ngen wegen gefährlich­er Körperverl­etzung kommen.

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FOTO: R. Am fünften Prozesstag zu einer Messerstec­herei vor einem Gmünder Imbiss schließt das Landgerich­t Ellwangen die Beweisaufn­ahme ab.

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