Prozess zu Gmünder Messerstecherei neigt sich dem Ende
Kammer hat die Beweisaufnahme abgeschlossen – Polizei schildert Ermittlungsergebnisse
Der Landgerichtsprozess um die Messerstecherei an Halloween 2022 in der Gmünder Innenstadt ist in der Schlussphase. Am Montag, dem fünften Tag der Hauptverhandlung der Zweiten Großen Jugendkammer, ist vor allem die detaillierte Schilderung der Ermittlungsergebnisse durch die Sachbearbeiterin der Polizei aufschlussreich gewesen. Sie berichtete unter anderem von musikalisch unterlegten Videos auf dem Handy des 19-jährigen Angeklagten, auf denen er sich mit blutbef leckter Jacke in Szene setzt, während er im Stauferklinikum Mutlangen auf den Arzt wartet. Ein Freund hatte ihn wegen einer Stichwunde im Oberschenkel dorthin gefahren. Die Polizei hatte sein Handy beschlagnahmt, nachdem er sich freiwillig gestellt hatte. Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte er ausgesagt, die Verletzung habe ihm der junge Mann zugefügt, der in jener düsteren Nacht als erster mit einer Stichwunde in die Achsel zu
Boden gegangen war. Er habe „gar nichts“gemacht, so der Angeklagte.
Die Kammer gehe, so der Vorsitzende Richter Jochen Fleischer, davon aus, dass die schweren Verletzungen des zweiten Opfers dieser Nacht während der zweiten Auseinandersetzung entstanden seien, nachdem dieses einen Notruf abgesetzt hatte und seinem verletzten Kollegen zu Hilfe geeilt war. Dass es zwei „Angriffswellen“gab - die zweite war eindeutig intensiver -, stellte sich erst im Laufe der Ermittlungen heraus. Möglicherweise ließen der 19Jährige und sein unbekannter Begleiter von den Opfern ab, weil der 20-Jährige zunächst nur leichtverletzt und noch in der Lage war, sich zu wehren. Wie der Ulmer Rechtsmediziner Sebastian Kunz erläutert hatte, spüre man eine Stichverletzung zunächst als Schlag. Der brennende Schmerz setze erst später ein. Den Namen des unbekannten vierten
Manns im unheilvollen Bund dieser Halloweennacht wollte der Angeklagte nicht preisgeben, doch ist die Polizei dem Dunkelhäutigen ohne festen Wohnsitz offenbar auf der Spur.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme plädierte der Vertreter der Nebenklage, der Schorndorfer Rechtsanwalt Max Klinger. Er gehe davon aus, dass sich die beiden Mitangeklagten nach der ersten Attacke auf den Weg machten, „um nach dem Rechten zu sehen.“Es sei nicht bewiesen, doch könne man von einer Absprache ausgehen. Dafür spricht auch die Beobachtung mehrerer Zeugen, sie seien aus der Richtung gekommen, in die die ersten Angreifer geflohen waren.
Die mutmaßlichen Verursacher des zweiten Angriffs waren zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt. Sie entschuldigten sich bei den Opfern: „Ich habe kein Blut gesehen und erst später von Messerstichen erfahren. Ich bin froh, dass niemand gestorben ist“, sagte der eine. Die entscheidende Frage des Vorsitzenden, ob Messer im Einsatz gewesen seien, wollten sie jedoch nicht beantworten. Im Einverständnis mit ihren Verteidigern stimmten beide einem Vergleich mit der Nebenklage zu. Sie verpf lichteten sich, bis 31. Oktober dieses Jahres 8000 Euro an den schwerverletzten Nebenkläger zu zahlen. Zahlen sie nicht, erhöht sich die Summe auf 10.000 Euro. Klinger stellte keinen konkreten Strafantrag. Zur Bewährung sollten die Strafen jedoch nicht ausgesetzt werden. Eindringlich prangerte er gewaltverherrlichende Videos in den sozialen Netzwerken an. Darin äußere sich eine „katastrophale Grundeinstellung“mit dem Potenzial zur Eskalation. Die Angeklagten hätten „sehr viel Glück“gehabt, dass niemand zu Tode gekommen sei. Wer mit einem Messer auf einen anderen losgehe, nehme einen tödlichen Ausgang in Kauf.
Die Verhandlung wurde am Dienstag mit den weiteren Plädoyers fortgesetzt. Auch die Urteile sind zu erwarten. Es könne, so Fleischers rechtlicher Hinweis, auch zu Verurteilungen wegen gefährlicher Körperverletzung kommen.