Mutter des toten Jungen aus Aufhausen steht erneut vor Gericht
2022 wird die Frau in Ellwangen zu einer Haftstrafe verurteilt – Gegen das Urteil legt sie Berufung ein – Erneute Verhandlung am Landgericht
- Der Fall schockiert weit über die Grenzen des Kreises hinaus. Im Oktober 2021 wird ein fast zweijähriger Junge in Aufhausen vom damaligen Lebensgefährten der Mutter so stark misshandelt, dass das Kind stirbt. Im vergangenen Mai wird der damals 33-Jährige wegen Totschlags in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbedürftigen zu 14 Jahren Haft verurteilt. Ein halbes Jahr später steht die Mutter des toten Kindes vor dem Ellwanger Amtsgericht. Sie erhält zwei Jahre und neun Monate wegen Misshandlung durch Unterlassen. Die damals 37-Jährige geht in Berufung. Am Donnerstag wird der Fall vor dem Landgericht nun erneut verhandelt.
Über Wochen und Monate erleidet das Kleinkind immer wieder schwerste Misshandlungen, ausgeführt vom damaligen Freund der Mutter. Letztlich ist es ein Stampftritt auf den Bauch des Jungen, der zum Abriss einer Darmschlinge führt. Das Kind stirbt an inneren Verletzungen. Beim Prozess gegen den 33-Jährigen hüllt sich die Mutter in Schweigen, verweigert die Aussage. Verstörend: Kurz darauf gibt sie dem Fernsehsender RTL ein Interview, belastet den Partner schwer. Er soll ihr „Vertrauen missbraucht“haben. Im Landgericht, wo der Prozess andauert, führt das Verhalten der Mutter zu
Irritationen. „Hier sagt sie nichts, aber auf dem Marktplatz draußen gibt sie erste Interviews“, kommentiert der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch. Am Ende des mehrtägigen Prozesses geht der Täter für 14 Jahre ins Gefängnis.
Im November 2022 ist es dann die Mutter selbst, die sich vor Gericht verantworten muss. Zunächst streitet sie ab, etwas von den unzähligen Schlägen, Bissen, Griffen und anderen Quälereien, die der ExFreund dem Kind zufügt, gewusst zu haben. Sie sei „aus allen Wolken gefallen und zusammengebrochen“, als sie aus der „Zeitung“erfahren habe, was der Ex-Freund ihrem jüngsten
Sohn angetan haben soll, erzählt sie. Sie habe in dieser Zeit viele Termine gehabt, das Kind kaum gesehen. Zudem habe der Freund den Sohn von ihr und den Geschwistern immer weiter ferngehalten. Staatsanwalt und Richter nehmen ihr das nicht ab.
Die Angeklagte erbittet eine Pause, um vor dem Gerichtsgebäude eine Zigarette rauchen zu können. Wieder kommt es zu einer seltsamen Situation. Der RTLReporter, der im Frühjahr das Interview gedreht hat, ist ebenfalls vor Ort. Beide, Journalist und Angeklagte, wirken vertraut. Er rät ihr, „endlich auszupacken“.
Dann behauptet sie, aus Angst vor dem Freund nichts gegen die Misshandlungen unternommen zu haben. Ein Schuldeingeständnis. Obwohl es ihr eigenes Kind ist, das gestorben ist, wirkt die Angeklagte während der zweitägigen Verhandlung blass, passiv und teilnahmslos.
Die Verteidigung plädiert auf eine Bewährungsstrafe, die Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre und neun Monate Haft. Dem Antrag folgt das Gericht. „Sie haben weggeschaut. Das ist ungefähr so, als hätten Sie selbst ihr Kind verletzt. Sie haben sich fast genauso schuldig gemacht wie der Täter. Was Sie Ihr Kind haben erdulden lassen, spricht Bände“, sagt der Vorsitzende Norbert Strecker in der Urteilsbegründung. Eine Bewährungsstrafe komme wegen der massiven Misshandlungen nicht in Betracht.
Der Verurteilten selbst kommt kein Wort der Reue über die Lippen. Das Urteil will sie allerdings nicht so einfach hinnehmen. Sie legt Berufung ein, die nun am Donnerstag verhandelt wird.
„Das ist ungefähr so, als hätten Sie selbst ihr Kind verletzt. Sie haben sich fast genauso schuldig gemacht wie der Täter.“
Richter Norbert Strecker