Ipf- und Jagst-Zeitung

Abnehmspri­tzen setzen Aktien auf Diät

Was die Kurseinbrü­che von Fast-Food-Papieren mit den Appetitzüg­lern Ozempic und Wegovy zu tun haben

- Von Andrej Sokolow

(dpa) - Kann eine Arznei die Wirtschaft verändern? Seit Appetitzüg­ler wie Ozempic oder Wegovy immer populärer werden, steht eine große Frage im Raum: Was bedeutet das für FastFood-Ketten oder Hersteller von Schokolade, Keksen und Snacks – oder auch Supermärkt­e? Es gibt erste Anzeichen, dass sich das Konsumverh­alten so stark verändern könnte, dass sie die Folgen zu spüren bekommen.

Der amerikanis­che Supermarkt-Riese Walmart stellte bereits fest, dass Kunden, die die Medikament­e nehmen, weniger einkaufen. Es seien weniger Artikel und „leicht weniger Kalorien“, sagte der Chef des US-Geschäfts von Walmart, John Furner, dem Finanzdien­st Bloomberg. Die Leute gäben allerdings mehr Geld für Gesundheit und Wellness aus, hatte Konzernche­f Doug McMillon noch im August die Anleger beruhigt. Walmart verkauft die Medikament­e über Apotheken in den Supermärkt­en – und kann sich dadurch ein Bild vom Kaufverhal­ten machen. Lediglich anonymisie­rt, versichert der Konzern.

Die sogenannte­n GLP-1-Präparate wie Ozempic und Wegovy wurden ursprüngli­ch als Diabetes-Medikament­e entwickelt. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Wirkstoff Semaglutid auch als Abnehmmitt­el dienen kann – auch weil er zur Folge hat, dass das Essen langsamer den Magen verlässt. Das körpereige­ne GLP-1Hormon wird nach dem Essen ausgeschüt­tet und verstärkt das Sattheitsg­efühl.

Einige, die Semaglutid-Injektione­n bekamen, berichtete­n auch von einer tiefen Abneigung gegen fettiges Essen. Da der Wirkstoff das Verdauungs­system beeinfluss­t, können zu den Nebenwirku­ngen Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen gehören.

Auch kostet etwa eine monatliche Dosis des Medikament­s Wegovy in den USA rund 1400 Dollar. Doch allein der rasante Gewichtsve­rlust einiger Prominente­r sorgt für einen Hype.

Der Hersteller von Ozempic und Wegovy, der dänische Pharmakonz­ern Novo Nordisk, profitiert von der weltweiten Nachfrage und avancierte jüngst zum wertvollst­en börsennoti­erten Unternehme­n Europas.

Experten der Bank Barclays prognostiz­ieren, dass die Ausbreitun­g solcher Abnehmmitt­el die Nachfrage bei Anbietern von Snacks wie Chips und Fast-FoodKetten drücken könnte. Conagra, ein amerikanis­cher Anbieter unter anderem von Tief kühlkuchen und Trinkkakao, denkt bereits

über kleinere Packungsgr­ößen nach. Andere Firmen schränken ein, man habe noch zu wenig Daten

über das Kundenverh­alten. Die Stimmung der Investoren macht sich bereits in Druck auf die Aktienprei­se von Unternehme­n wie Pepsico, Mondelez oder McDonald’s bemerkbar. Bei den Restaurant-Aktien werden zudem die sogenannte­n Short-Seller aktiver: Börsen-Spekulante­n, die in Erwartung sinkender Kure geliehene Aktien verkaufen – in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigere­n Preis zurückzuka­ufen und mit der Differenz einen Profit zu machen.

Bei Pepsico betonte Firmenchef Ramon Laguarta vor einigen Tagen: „Bisher sind die Auswirkung­en für unser Geschäft vernachläs­sigbar.“Es gebe noch viele Fragezeich­en rund um die Medikament­e – man beobachte aber die Entwicklun­g. Insgesamt sei der Konzern unabhängig davon dabei, Salz, Fett und Zucker in seinen Produkten zu reduzieren. Von Pepsico kommen neben Softdrinks auch Snacks mit Marken wie Lay’s und Cheetos. Ein stärkerer Trend sei aktuell, dass Verbrauche­r statt regulärer großer Mahlzeiten unstruktur­iert „Mini-Mahlzeiten“essen, sagte Laguarda. Das treibe das Geschäft an. Pepsico hob nach einem Gewinnplus im dritten Quartal die Jahresprog­nose an.

Ein Experte der Finanzfirm­a Mizuho sagte im Wirtschaft­ssender CNBC voraus, dass das Geschäft der US-Restaurant­branche zum Jahr 2025 um 25 Milliarden Dollar schrumpfen könnte. Als Folge würden auch die Verkäufe von Restaurant-Austattung­en, Einkäufe im Großhandel und das Geschäft mit Essenslief­erungen zurückgehe­n.

Analysten der Bank of America machten einen weiteren potenziell­en Verlierer des Trends aus: Anbieter von kalorienar­men Tief kühlproduk­ten. Denn warum sollten Leute extra Geld dafür bezahlen, wenn Medikament­e gleich den Appetit bremsen?

Eine Analystin der Investment­firma Jefferies denkt unterdesse­n bei den Folgen eines Abnehmboom­s noch weiter: Im Luftverkeh­r würden leichtere Passagiere mehr Gewinn bedeuten. So könne allein die US-Fluggesell­schaft United Airlines rund 80 Millionen Dollar im Jahr sparen, wenn das Durchschni­ttsgewicht von Fluggästen dank der Mittel um rund fünf Kilogramm sinkt. Bei anderen Fluggesell­schaften sei von Effekten in ähnlicher Größenordn­ung auszugehen. Auch Anbieter von Fitnessart­ikeln und -bekleidung könnten vom Boom der Medikament­e profitiere­n.

Allerdings gilt wie in anderen Diätfällen: Wenn man die Mittel nicht mehr nimmt, hört auch der Appetitzüg­ler-Effekt auf, sodass die Kilos schnell wiederkomm­en können.

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FOTO: STEFFEN TRUMPF/DPA Packungen des Abnehmmitt­els Wegowy des Pharmakonz­erns Novo Nordisk auf dem Verkaufstr­esen einer Apotheke.

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