Dem Opfer jede Rippe gebrochen
Mordprozess am Landgericht – Rechtsmediziner trägt Gutachten vor – Angeklagter bleibt nahezu regungslos
- Das Opfer hatte Hämatome am gesamten Körper und keine heile Rippe mehr im Leib. Laut dem Ulmer Rechtsmediziner Sebastian Kunz, der am Dienstagnachmittag sein Gutachten vor der Ersten Großen Strafkammer am Ellwanger Landgericht vorgetragen hat, ist der 50jährige Heidenheimer letztendlich an einem sogenannten Pneumothorax (Lungenkollaps) verstorben. Vor Gericht muss sich ein 35-Jähriger verantworten, der den Nachbarn seiner Lebensgefährtin im vergangenen März in dessen Wohnung unter anderem mit einem Kantholz angegriffen und getötet haben soll.
Wie Kunz darstellte, habe das Opfer auf dem gesamten Körper verteilt Verletzungen gehabt, darunter Abschürfungen, Einblutungen und Hämatome. Neben den äußerlichen Verletzungen seien multiple Rippenfrakturen festgestellt worden. Die gebrochenen Rippen seien dabei durch die Brustkorbwand und zum Teil auch in die Lunge eingedrungen. Dadurch sei die Lunge zusammengefallen, der Mann an einem Pneumothorax verstorben. Wie Kunz weiter ausführte, sei zudem die Niere gerissen, was unbehandelt innerhalb eines Tages ebenfalls zum Tod des Heidenheimers geführt hätte.
Der Rechtsmediziner erklärte außerdem, dass nicht jede Verletzung von einem Schlagwerkzeug herrühre. Die tödlichen Rippenverletzungen seien seiner Meinung nach durch Stampftritte auf den Oberkörper entstanden. Ein Sturzgeschehen schloss Kunz hingegen aus.
Bei dem Opfer hatte Kunz einen
Blutalkoholwert von mehr als 2,5 Promille festgestellt. Dennoch zeigte er sich überzeugt, dass das Opfer, das laut Zeugenaussagen schlafend auf seinem Bett angegriffen worden sein soll, nicht während der gesamten Attacke ohne Bewusstsein gewesen sein könne. Frakturierte Rippen und eine angerissene Niere würden sehr weh tun, daher sei es unwahrscheinlich, dass der Mann dabei die ganze Zeit geschlafen habe. Wunden an den Händen deuteten daraufhin, dass er versucht habe, sich zu wehren, so Kunz.
Der Angeklagte zeigte sich von Kunz’ Vortrag weitestgehend unbeeindruckt. Er folgte den Ausführungen mit versteinerter Miene. Bei den gezeigten Bildern der Obduktion vergrub er nur dann das Gesicht in den Händen, als Fotos des geöffneten Leichnams gezeigt wurden. Beim Gesicht des Toten zeigte er keine Regung.
Auch die Aussage des psychiatrischen Gutachters, Nenad Vasić aus Göppingen, stand an diesem Tag auf der Tagesordnung. Zunächst äußerte sich Vasić zur Biografie des Beschuldigten. Dieser sei 2012 aus Rumänien nach Deutschland gekommen, habe verschiedene Jobs gehabt, zuletzt bei Bosch. Diese Arbeit habe er aber verloren, sei seitdem arbeitssuchend. Zudem habe der 35-Jährige mehrere Haftaufenthalte hinter sich sowie rund 10.000 Euro Schulden. Laut Vasić hat er mit 16 Jahren angefangen zu trinken sowie regelmäßig Cannabis und Spice konsumiert. Insbesondere der Alkoholkonsum soll mit der Zeit gestiegen sein, hin und wieder durch zeitweise Abstinenzen unterbrochen. Im Oktober 2021 habe er versucht, sich mit mehreren Messerstichen selbst zu töten und sei wegen einer Depression immer wieder in Behandlung gewesen, erklärte Vasić.
Nach der Diagnose des Psychiaters erfüllt der Angeklagte nahezu jedes Kriterium einer Alkoholabhängigkeit. Zurzeit des Angriffs soll er einen Blutalkoholwert von etwa 2,1 Promille gehabt haben. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Zustand die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigt gewesen sei, sagte Vasić. Er habe weder Halluzinationen gehabt noch die Realität verkannt. Auch die Steuerungsfähigkeit sei seiner Meinung nach nicht vollständig aufgehoben gewesen. „Die Handlungen wirken auf mich ein Stück weit gezielt, um dem Opfer zu schaden.“
Der Angeklagte leide nicht unter einer schweren Geisteskrankheit. Die Störung sei einzig die Alkoholsucht des 35-Jährigen, führte Vasić aus. Ohne eine Behandlung sei seine Prognose in allen Bereichen negativ, daher empfehle er die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
Weitere Anhaltspunkte zum Angeklagten, der sich bisher nicht zur Sache geäußert hat, lieferte dessen Bewährungshelferin. Auch sie war überzeugt, dass die größten Problemfelder des Mannes sein Alkohol- und Drogenkonsum seien. Hinzu käme sein mentaler Zustand, weswegen er zeitweise Antidepressiva genommen habe. Bei Beratungsgesprächen habe sie häufig eine Alkoholfahne festgestellt. Darauf angesprochen, sei der Beschuldigte aggressiv geworden, habe mit Dingen geworfen, berichtete sie.
Der Prozess wird am Mittwoch, 25. Oktober, fortgeführt. Nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung will der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch das Urteil verkünden.