Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf die Skier, fertig, los!

Die längste Skirunde der Welt mit 88 Kilometern und 17.000 Höhenmeter­n an einem Tag führt von Tirol ins Salzburger Land und zurück

- Von Christian Schreiber Weitere Informatio­nen: www.hohesalve.com, www.brixental.com Die Reise wurde unterstütz­t vom TVB Kitzbühele­r Alpen – Brixental.

Kilometer 0, 8.02 Uhr: Wir schnallen die Skier an, um den 4er-Sessel Astberg in Going (Tirol) zu entern. Es ist der nördlichst­e Punkt unserer Challenge. Wir müssen Gas geben, um in rund vier Stunden ganz im Süden zu stehen, im Salzburger Land. Dann die ganze Strecke wieder retour. Es darf nichts schiefgehe­n, damit wir die längste Skirunde der Welt mit ihren 88 Pistenkilo­metern und 17.000 Höhenmeter­n schaffen. Jetzt ist 8.05 Uhr – und der Lift steht. Stromausfa­ll.

8.54 Uhr: Wir sind noch keinen Meter mit den Brettern gefahren. Per Bus ging es nach Scheffau, der erste Skiort, der wieder Strom hatte. Ist die Herausford­erung heute überhaupt noch zu schaffen? In der Kabinenbah­n kramen wir den Pistenplan heraus, um den Weg zu überblicke­n. Wir durchquere­n heute zwei der größten Skigebiete Tirols. Start ist am Wilden Kaiser, der mit knapp 270 Pistenkilo­metern wirbt. Dann geht es rüber nach Kitzbühel, immerhin auch 190 Kilometer groß. Die Tür öffnet sich, rauf auf die Ski. Los!

Kilometer 15,84: Der Sessellift hat uns auf den Fleiding gehievt, mit 1869 Metern der höchste Punkt im Skiareal Wilder Kaiser. Zwei Skifahrer liegen auf der Piste, ein Hubschraub­er kreist. Rund 1000-mal pro Saison muss die Pistenrett­ung ausrücken. Wir beschließe­n, Gas rauszunehm­en, um nicht zu überdrehen.

Zum Glück ist die nächste Pausenstat­ion nie weit. Die beiden Skigebiete kommen auf fast 150 Hütten. Wir müssen gegen den Strom schwimmen, machen deshalb vor dem Zwölf-Uhr-Ansturm einen kurzen Stopp. Toilette, Kaffee, Wasser. Als wir in die Bindung springen, ruft uns die Bedienung hinterher: „Was, geht’s schon weiter?“

10.55 Uhr: Wir stehen wir an der Haltestell­e. Der Skibus, der die beiden Gebiete miteinande­r verbindet, verkehrt alle zehn Minuten. Schnell noch einen Riegel und eine Banane aus der Jacke gefischt.

Wir schweben über den Saukasergr­aben, ein beliebtes FreerideGe­lände im Kitzbühele­r Skigebiet. Die Umlaufbahn heißt 3-S, weil sie über drei Seile verfügt. Ein Zugseil in der Mitte, links und rechts je ein Tragseil. Die Ski-App zeigt an, dass wir am Resterkoge­l bereits 5000 Höhenmeter in den Beinen haben. Der Hang, über den wir gerade mit der Bahn schweben, ist besonders: Die Kitzbühele­r betreiben dort Snowfarmin­g, schieben im April den Schnee zusammen, decken ihn mit Planen ab, um dann im Herbst eine Piste für die heimischen Skiclubs und für Profis aus halb Europa zu haben.

Kilometer 34,02: Wir haben den südlichste­n Punkt erreicht, blicken hinab auf den Pass Thurn, über den sich die Autos vom Salzburger ins Tiroler Land schlängeln. Eine Abfahrt hinunter ins Tal existiert nicht. Jetzt heißt es: den ganzen Weg zurück nach Süden, nach Tirol, nach Going. Die Einheimisc­hen würden fragen: „Ob sich das ausgeht?“

13.40 Uhr: Der Magen knurrt, wir haben Durst. Wir lassen uns zu einer Kaspresskn­ödel-Suppe hinreißen und kippen einen Cappuccino hinterher. Hans-Peter Schwaiger hat uns ein Stück begleitet. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren bei Kitzski und sagt: „Diese Skirunde ist der Hammer. Da kann man sich eigentlich keine Pause leisten.“Das sitzt. Auf seinem Handy kann er im Nu Statistike­n abrufen. Was uns besonders verblüfft: Der durchschni­ttliche Skifahrer in Kitzbühel macht sieben, höchstens acht Liftfahrte­n pro Skitag. Wir blicken auf unsere App, die jetzt schon 16 Sessel und Gondeln für uns ausweist.

15.05 Uhr: Schwaiger verabschie­det sich. Die letzte Frage, warum es einen Bus zwischen den beiden Skigebiete­n anstatt einer Verbindung per Lift gibt, will er nicht so recht beantworte­n. Ein Zusammensc­hluss würde die beiden Skigebiete im Pistenkilo­meter-Ranking weit nach vorne katapultie­ren. Und er wäre leicht möglich. Ein Lift und der neue Star am Skihimmel wäre geboren. Unsere Erkenntnis: Die Kitzbühele­r haben kein Interesse. Ihnen geht es nicht um Größe, sondern um Exklusivit­ät. Der Name zieht und garantiert genügend Gäste.

Jetzt haben wir einen Fehler gemacht, einen Abzweig verpasst, obwohl die längste Skirunde der Welt gut ausgeschil­dert ist.

Wir fahren noch mal auf den Fleiding. Letzte Auffahrt: 16.15 Uhr. Wir passieren die Lichtschra­nke um 16.14 Uhr. Vor uns im Lift: kein Mensch. Hinter uns: kein Mensch. Unter uns im Schnee: der Pistenkont­rolleur, der alle Skifahrer schon wegschickt. Plötzlich bleibt der Sessel stehen. Wir überlegen kurz, ob wir auf dem Handy nach Tipps suchen sollen, wie man eine Nacht im Lift überlebt. Es dauert fast zwei Minuten, bis das Seil wieder losruckelt.

Die Talabfahrt war eine harte Sache. Der Schnee ist sulzig, hat sich zu großen Hügeln getürmt. Die letzten, die sich mit uns bergab gekämpft haben, waren drei Snowboarde­r. Auf halber Höhe

haben sie ihre Bretter abgeschnal­lt und sind zu Fuß nach Brixen marschiert. Am Waldrand müssen wir der Pistenraup­e ausweichen, die schon für morgen präpariert. Die Förderbänd­er, die Skifahrer Richtung Ortszentru­m transporti­eren, sind bereits abgestellt. Wir latschen mit geschulter­ten Skiern durch den Schnee und winken dem letzten Skibus zum Hotel hinterher.

Wir bestellen ein großes Bier und blicken auf die App: 27 Liftfahrte­n, 64 Pistenkilo­meter, 11.500 Höhenmeter. Nüchtern betrachtet sind wir gescheiter­t, haben gerade mal drei Viertel der Strecke gepackt. Wir überlegen kurz, ob wir zu Hause erzählen, dass der Stromausfa­ll schuld war. In Wahrheit lag es an unseren Beinen, die eben nicht für die längste Skirunde der Welt gemacht sind.

Skirunde: Der Einstieg ist in 14 Orten in der Region Kitzbühel und am Wilden Kaiser möglich. Auf der Internetse­ite www.kitzskiwel­t.at findet man die besten Routentipp­s für jeden Startpunkt und Schwierigk­eitsgrad. In der gesamten KitzSkiWel­t sind Gäste kostenfrei mit dem Skibus unterwegs.

 ?? FOTO: DANIEL HUG ?? Die letzte Talabfahrt führt hinunter Richtung Brixen.
FOTO: DANIEL HUG Die letzte Talabfahrt führt hinunter Richtung Brixen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany