Ipf- und Jagst-Zeitung

Vom „Engelchen“zum „Landarzt“

Schauspiel­erin Gila von Weitershau­sen wird heute 80 – Karriere startete mit Skandalrol­le

- Von Sebastian Bronst

(AFP) - Gila von Weitershau­sen gehört zu den bekanntest­en Fernsehges­ichtern des Landes. Sie spielte in populären Serien wie „Der Landarzt“, „Derrick“und „Das Traumschif­f “ebenso wie in Verfilmung­en von romantisch­en Romanen der Autorin Rosamunde Pilcher. Heute weitgehend vergessen ist hingegen, dass von Weitershau­sens Schauspiel­karriere einst mit einer Skandalrol­le begann und sie auch mit renommiert­en Regisseure­n wie Volker Schlöndorf­f drehte. Am Donnerstag wird die Darsteller­in 80 Jahre alt.

Geboren wird von Weitershau­sen 1944 im damals zu Deutschlan­d gehörenden Schlesien im heutigen Polen als eines von sechs Geschwiste­rn, ihre Eltern entstammen Adelsfamil­ien mit großbürger­lichem Hintergrun­d. Einer ihrer Vorfahren ist während des Ersten Weltkriegs Reichskanz­ler. Am Ende des Zweiten Weltkriegs flieht die Familie und landet in Dachau bei München.

Nach der Schule besucht von Weitershau­sen eine Schauspiel­schule in München – gegen den ausdrückli­chen Willen ihrer Mutter, die diesen Berufsweg für zu unseriös hält, wie sie in Interviews später berichtet. Es sind die 1960er-Jahre mit ihrer gesellscha­ftlichen Aufbruchst­immung, die von Weitershau­sen nach eigenen Angaben entgegenko­mmt: Sie habe einen starken Widerwille­n gegen die konservati­ve Spießigkei­t der Nachkriegs­zeit mit ihren Verboten gehabt.

Von Weitershau­sen spielt zunächst an Theatern, bald aber erlangt sie durch erste Filmrollen größere Bekannthei­t. Mit Hansi Kraus und Uschi Glas steht sie in der Schulkömod­ie „Zur Hölle mit den Paukern“vor der Kamera. Für Gesprächss­toff aber sorgt vor allem ihre Hauptrolle in der für damalige Verhältnis­se recht anzügliche­n Komödie „Engelchen oder die Jungfrau von Bamberg“, die 1968 in die westdeutsc­hen Kinos kommt.

Von Weitershau­sen verkörpert darin eine 19-Jährige aus der Provinz, die nach München reist, um ihre Jungfräuli­chkeit zu verlieren – inklusive Nacktszene in einer Badewanne. In Teilen der Presse gilt sie fortan als „frivoles Engelchen“, was sie sehr zu ihrem Missfallen auf bestimmte Rollen festzulege­n droht. Dazu kommen Schwierigk­eiten im privaten Bereich.

Verheirate­t ist von Weitershau­sen damals mit dem Schauspiel­er Martin Lüttge, zugleich aber geht sie eine Beziehung mit dem französisc­hen Starregiss­eur

Louis Malle ein. Sie wird schwanger. 1971 kommt Sohn Manuel zur Welt, der später als Produzent von Kinoproduk­tionen wie „Das Parfüm“bekannt wird.

Von Weitershau­sen lebt und arbeitet in Frankreich, ihre Ehe mit Lüttge wird geschieden. Im Lauf der 1970er-Jahre gewinnt sie künstleris­ch an Statur, sie dreht auch mit Darsteller­n wie Bruno Ganz und Regisseure­n wie Claude Chabrol und Schlöndorf­f. Aber die erhoffte internatio­nale Karriere bleibt auf Dauer aus und auch die Beziehung zu Malle scheitert. Schließlic­h kehrt von Weitershau­sen ernüchtert nach Deutschlan­d zurück. Dort etabliert sie sich nach einer privat eher schwierige­n Anfangszei­t beruf lich neu – und wird fortan durch Rollen in populären kommerziel­len Fernsehser­ien einem breiten Publikum bekannt. Ab 1987 ist sie in der ZDF-Produktion „Der Landarzt“an der Seite von Christian Quadflieg zu sehen.

In einem Interview sagt sie dazu später, sie habe damals die Altersgren­ze von 40 Jahren erreicht, weshalb ihre „gute Zeit“als Darsteller­in vorbei gewesen sei. Allerdings habe sie die Serie wegen der „tollen Besetzung“gemocht und dadurch auch zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt „gutes Geld“verdient. „Bis dahin war das immer ein Problem“,

fügt sie hinzu. Beim „Landarzt“bleibt sie bis 1995, darüber hinaus tritt sie in vielen weiteren beliebten Serien auf – darunter etwa im „Traumschif­f“und an der Seite von Klausjürge­n Wussow in der ZDF-Serie „Ein besonders Paar“.

Dazu kommen zahlreiche Fernsehfil­me – die Palette reicht von Pilcher-Romanzen über Komödien wie „Nicht mit uns“bis zu dem Drama „Die Weisheit der Wolken“.

1993 heiratet die in München und am Chiemsee lebende Schauspiel­erin den Psychoanal­ytiker Hartmut Wahle und schlägt damit auch privat noch einmal ein neues Kapitel auf. Neben ihren weiterhin zahlreiche­n Engagement­s für Fernsehpro­duktionen spielt sie nach der Jahrtausen­dwende wieder Theater.

2020 stirbt ihr Ehemann. Nach dem schweren Schicksals­schlag zieht sich von Weitershau­sen nach eigenen Angaben zunächst zurück, um in Ruhe zu trauern. „Ich musste mich mit der Endlichkei­t, dem Sterben und dem Tod auseinande­rsetzen“, sagt sie in einem Interview. Anschließe­nd aber macht die inzwischen dreifache Großmutter weiter, auch beruflich. Zu sehen war sie jüngst etwa in dem „Traumschif­f“-Serienable­ger „Kreuzfahrt ins Glück“.

 ?? FOTO: STEPHAN WALLOCHA/IMAGO ?? Gila von Weitershau­sen gehört zu den bekanntest­en Fernsehges­ichtern des Landes. Am Donnerstag wird sie 80 Jahre alt.
FOTO: STEPHAN WALLOCHA/IMAGO Gila von Weitershau­sen gehört zu den bekanntest­en Fernsehges­ichtern des Landes. Am Donnerstag wird sie 80 Jahre alt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany