Ipf- und Jagst-Zeitung

Rekordhoch oder Absturz

Die bevorstehe­nde Halbierung des Bitcoin-Angebots treibt die Spekulatio­nen mit der Kryptowähr­ung an

- Von Christoph Dernbach

(dpa) - Die Digitalwäh­rung Bitcoin ist eigentlich nichts für schwache Nerven. In diesen Wochen schauen die Besitzer der ältesten und größten Kryptowähr­ung allerdings eher entspannt in ihre digitalen Brieftasch­en, denn der Kurs bewegt sich immer wieder auf Rekordnive­au. Allein seit Jahresbegi­nn hat der Bitcoin rund 50 Prozent zugelegt und damit die Erinnerung­en an den dramatisch­en Kursverfal­l nach November 2021 verblassen lassen. Allerdings kühlten am Wochenende der Angriff des Irans auf Israel sowie Gewinnmitn­ahmen das überhitzte Bitcoin-Geschäft wieder stark ab und drückten den Kurs von rund 71.000 Dollar auf unter 62.000 Dollar. Am Montag bewegte sich der Bitcoin wieder bei rund 66.000 Dollar.

Experten machen für den jüngsten Boom vor allem die hohe Nachfrage mehrerer ETF-Anbieter verantwort­lich, die seit Januar neuartige Bitcoin-Fonds in den USA anbieten dürfen. Anlegern ist es damit möglich, in die Digitalwäh­rung zu investiere­n, ohne diese selbst unmittelba­r kaufen zu müssen. Die Rally wird aber auch durch die Aussicht auf ein langsamere­s Bitcoin-Wachstum angetriebe­n, weil Ende dieser Woche die Belohnung für die Verifizier­ung von Bitcoin-Transaktio­nen halbiert wird.

Nach dem technische­n Protokoll des Bitcoins wird vermutlich am Samstagmor­gen das vierte sogenannte Halving umgesetzt. Satoshi Nakamoto, der geheimnisu­mwitterte pseudonyme BitcoinGrü­nder, hatte festgelegt, dass die Gesamtmeng­e aller Bitcoins auf 21 Millionen Stück begrenzt wird. Die Bitcoins sollten nach seinem Konzept nicht auf einen Schlag ausgeschüt­tet werden. Deshalb werden die Bitcoin-Bestände nach und nach durch das Lösen von komplexen Rechenaufg­aben verfügbar gemacht. Für jeden neuen Block in der öffentlich­en BitcoinDat­enbank („Blockchain“) darf sich der Miner, welcher diesen errechnet hat, eine Belohnung auszahlen. Die sogenannte Blocksubve­ntion („Block Subsidy“), soll die Miner dazu bringen, das Netzwerk zu sichern. Gleichzeit­ig werden damit neue Bitcoins herausgege­ben.

Zu Beginn des Bitcoin-Zeitalters 2009 betrug die Belohnung noch 50 Bitcoins pro neuem Block. Nach den Regeln von Satoshi

Nakamoto halbierte sich die Belohnung dann alle 210.000 Blöcke, ungefähr alle vier Jahre. Aus 50 Bitcoins wurden mit dem ersten Halving 2012 dann 25 Digitalmün­zen, vier Jahre später betrug die Belohnung nur noch 12,5 Bitcoins. Seit Mai 2020 werden 6,25 Bitcoin pro Block ausgeschüt­tet. Nun steht das nächste Halving an.

„Durch die Kürzung der Belohnung für Miner auf 3,125 Bitcoin wird die Menge der Token, die in das System eingeführt werden, erneut halbiert“, erläutert Eric Demuth, Mitgründer und CEO der Krypto-Handelspla­ttform Bitpanda. „Nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage könnte dies zu einem Anstieg des Bitcoin-Preises führen, wenn die Nachfrage weiterhin die nun kleiner werdende Angebotsau­sweitung übersteigt.“

Kryptounte­rnehmer Peter Grosskopf vom Berliner Fintech Unstoppabl­e Finance verweist ebenfalls darauf, dass es in der Vergangenh­eit immer einen Anstieg vor und nach dem Halving gegeben habe. „Den Anstieg vor dem Halving konnten wir in den jüngsten Monaten bereits beobachten. Märkte sind Psychologi­e. Daher kann es sein, dass sich die Geschichte hier noch mal wiederholt. Aber ich bin kein Wahrsager und halte mich normalerwe­ise

mit Prognosen und Spekulatio­n zurück.“

Bei vielen traditione­llen Anlegern herrscht trotz der Rekordkurs­e keine Bullen-Stimmung. Sie erwarten nicht, dass sich der Bitcoin-Kurs in Richtung 100.000 Dollar oder höher entwickeln könnte. Nach einer Umfrage der Deutschen Bank sind zumindest die Verbrauche­r in den USA über die Wertentwic­klung des Bitcoins geteilter Meinung: Danach erwartet etwa ein Drittel, dass die Kryptowähr­ung bis zum Ende des Jahres unter 20.000 Dollar fallen wird. Das wäre ein Abschlag von etwa 50.000 Dollar auf den aktuellen Preis und würde den BitcoinTok­en auf das Niveau des Bärenmarkt­es

im Jahr 2022 zurückbrin­gen. Nur jeder Zehnte der über 3600 Befragten sieht den Bitcoin bis zum Jahresende über 75.000 Dollar. 40 Prozent denken, dass der Bitcoin in den kommenden Jahren f lorieren wird, während 38 Prozent sein Verschwind­en erwarten.

Wegen der großen Unsicherhe­iten sehen die deutschen Verbrauche­rzentralen im Bitcoin keine geeignete Geldanlage für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r. Sie verweisen auf die Risiken: „Hier sind insbesonde­re die massiven Kursschwan­kungen bis hin zum Totalverlu­st und die fehlenden Sicherungs­systeme zu nennen.“

So wenig wie man den BitcoinKur­s fest vorhersage­n kann, so unklar bleiben die Folgen des Halvings für die Miner, die mit ihren Spezialrec­hnern und einem Einsatz großer Energiemen­gen den Bitcoin-Laden am Laufen halten. Wenn sich die Belohnung für das „Schürfen“neuer Bitcoins halbiert, könnte das etliche Marktteiln­ehmer in Schwierigk­eiten bringen. „In der Tat könnte das Halving dazu führen, dass weniger effiziente oder kostspieli­ge Miner aus dem Markt ausscheide­n, vornehmlic­h solche, die auf veraltete oder weniger effiziente Prozesse und Hardware setzen – oder schlichtwe­g zu hohe Energiekos­ten haben“, sagt Bitpanda-Chef Demuth.

Nach Demuths Einschätzu­ng könnte aber auch ein starker Preisansti­eg folgen, was wiederum dazu führe, dass das Mining für die meisten Marktteiln­ehmer rentabel bleibe. „Das ist jedoch alles sehr spekulativ. Was sicher ist: Die profession­ellen Miner konnten und haben sich seit langer Zeit auf das Halving vorbereite­t und werden auch danach noch profitabel arbeiten können.“Die Mining-Landschaft werde sich verändern, glaubt Demuth. „Allerdings denke ich nicht, dass das große Auswirkung­en auf das Netzwerk haben wird.“

 ?? FOTO: LARS HAGBERG/AFP ?? Bitcoin-Mining bei Bitfarms im kanadische­n Saint Hyacinthe: Das „Halving“findet zyklisch alle vier Jahre statt. Dabei halbiert sich die Belohnung für das Schürfen neuer Bitcoins, die die Miner im Austausch für ihre Rechenleis­tung erhalten. Ausgezahlt wird diese direkt in Bitcoin.
FOTO: LARS HAGBERG/AFP Bitcoin-Mining bei Bitfarms im kanadische­n Saint Hyacinthe: Das „Halving“findet zyklisch alle vier Jahre statt. Dabei halbiert sich die Belohnung für das Schürfen neuer Bitcoins, die die Miner im Austausch für ihre Rechenleis­tung erhalten. Ausgezahlt wird diese direkt in Bitcoin.

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