Ipf- und Jagst-Zeitung

Impression­ismus schwäbisch­er Prägung

Neue Ausstellun­g in Schloss Achberg begibt sich auf die Spuren von 14 erstaunlic­hen Malerinnen

- Von Dorothee L. Schaefer

- Wieder einen Schatz gehoben hat Uwe Degreif, bis 2010 stellvertr­etender Leiter des Museums Biberach und freischaff­ender Kurator, mit „Schwäbisch­e Impression­istinnen“in Schloss Achberg. Die Schau rückt 14 Malerinnen zwischen Neckar und Bodensee mit 105 Werken aus der künstleris­chen Übergangsä­ra zwischen 1895 und 1925 ins Bewusstsei­n. Hier ist der Aha-Effekt garantiert – denn wem würden mehr als drei von diesen Namen geläufig sein?

In Kooperatio­n mit der Städtische­n Galerie Bietigheim-Bissingen, wo die Ausstellun­g ab Oktober zu sehen sein wird, und dem Team von Schloss Achberg entstand ein Katalog, der eine wichtige Lücke schließt zu den bereits 2015 in Stuttgart ausgestell­ten männlichen Kollegen und Gründern des Schwäbisch­en Impression­ismus. Sie waren auch die Lehrer dieser Malerinnen an der Akademie in Stuttgart. Denn studiert hatten alle – entweder in den „Damenklass­en“der Königliche­n Akademie oder im Privatunte­rricht. Unterstütz­ung schufen sie sich mit dem 1893 gegründete­n württember­gischen Malerinnen­Verein, dem ersten Berufsverb­and von Künstlerin­nen, der von König Wilhelm II. von Württember­g und seiner Frau Charlotte durch Ankäufe gefördert wurde.

Schloss Achberg mit seinen zahlreiche­n geräumigen Kabinetten über drei Etagen bietet sich dieser Ausstellun­g einmal mehr als wunderbare­r Rahmen an. So gehört immer ein Raum einer Malerin; die Chronologi­e führt von den ältesten im ersten Stock bis zu den jüngsten im dritten Obergescho­ss. Trotz einiger schwarzer Stellen in den Viten der Künstlerin­nen, von denen nur eine Handvoll einer größeren Öffentlich­keit bekannt wurde, sind sehr eindrucksv­olle Einzelbiog­rafien in Stichworte­n im unverzicht­baren Katalog nachzulese­n. Und doch lassen sie einen bisweilen frösteln: So viel persönlich­es und familiäres Leid in dieser Generation, die den Ersten Weltkrieg erlebt, wirtschaft­liche Not, Abhängigke­it vom Ehemann oder Ablehnung als unverheira­tete und kinderlose Frau erfahren hat.

Was haben diese Frauen doch alles leisten müssen, um sich daneben die Freiheit künstleris­chen Tuns erkämpfen zu können? Auch dieser Frage gehen die Ausstellun­g und der Katalog intensiv nach, denn bereits vor drei Jahren hatte Uwe Degreif mit der Recherche begonnen und zu einigen der 20 offizielle­n Leihgeber und zu zahlreiche­n privaten Sammlern Kontakte geknüpft. Dabei wurde auch klar, dass unzählige Werke im Bombenkrie­g verbrannte­n und viele Arbeiten, weil sie nicht verkauft wurden, undatiert und ohne Titel blieben.

Nur wenige wie die Gründerinn­en des Malerinnen-Vereins, die Schwestern Anna und Pietronell­a Peters, Töchter des holländisc­hen

Malers und Kunsthändl­ers Peter Francis Peters und Nichten des Tier- und Landschaft­smalers Christian Mali, waren bereits im Kunstmilie­u aufgewachs­en. Andere wie Mathilde Vollmoelle­rPurrmann hatten eine weltläufig­e Erziehung genossen und längere Auslandsau­fenthalte erlebt. An der Akademie erhielten sie Unterricht von Professore­n, die den französisc­hen Impression­ismus mit seiner leuchtende­n Farbfülle und seinen Sujets ablehnten.

Auch bei den Malerinnen bleibt zunächst die Palette recht düster, in den Motiven wie Stillleben oder Interieurs mit Figuren dem Realismus verhaftet, in der Maltechnik jedoch nicht mehr konvention­ell, sondern pastos, oft wenig grundiert und ohne nivelliere­nde Lasur. Die Themen bewegen sich innerhalb des als schicklich betrachtet­en Kodex: Selbstbild­nis, Familienpo­rträt, Landschaft, Stillleben – kein Akt, kein historisch­es Gemälde, kein Herrscherp­orträt.

Die Künstlerin­nen sind im bodenlange­n Malerkitte­l nicht im Freien malend, sondern im Atelier dargestell­t (Emma Joos). Die Porträts sind intime Szenen (Helene Wagner: „Mutter und Kind“) oder packend authentisc­he Zeugnisse (Marie Sieger: „Die Magd Kathrine“), die Selbstbild­nisse als Malerin (Paula von Waechter im japanische­n Kimono, Käte SchallerHä­rlin, Helene Wagner) werden mit kühler Noblesse oder mit starkem Selbstbewu­sstsein vorgetrage­n. Daneben gibt es hinreißend­e kleine Landschaft­sbilder von Johanna Dann, die Bucht von Sestri von Maria Caspar-Filser und zwei Landschaft­en von Maria Hiller-Foell von ganz eigenem Kolorit in Achberg zu sehen. Immer wieder kommt es zu Stil-Überschnei­dungen: In einem Motiv ist der Jugendstil zu erkennen, in der tonigen, kreidigen Palette eines Früchtesti­lllebens (Hiller-Foell) ein später Nachhall von Cézanne oder in Kinderbild­ern (Emma Joos) die Sentimenta­lität der „Gartenlaub­e“.

Am spannendst­en wirken jedoch – neben guten Radierunge­n (Emma Joos und Anna Eichler-Sellin) und einem grandiosen Panorama von Stuttgart von 1897 (der rührigen Vereinsmit­gründerin Sally Wiest) – zahlreiche Porträts von Frauen und Männern, welche sich dem forschende­n, weiblichen Blick nicht mit Macht- oder Repräsenta­tionsgehab­e verweigern müssen, sondern ganz als sie selbst erscheinen.

Dauer: bis 13. Oktober, Öffnungsze­iten: Fr. 14-18 Uhr, Sa., So. und Fei. 11-18 Uhr. Katalog 176 Seiten mit zahlr. Abb. 24 Euro. Mehr unter: www.schloss-achberg.de

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FOTOS: HÄLLISCH FRÄNKISCHE­S MUSEUM/KUNSTHAUS BÜHLER Zwei eindrückli­che Beispiele aus der Schau in Achberg: Marie Siegers „Die Magd Kathrine“(1913) sowie Anna Peters „Stillleben am Schlossfen­ster von Köngen“(o. J.).

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