Ipf- und Jagst-Zeitung

Die rauchfreie Generation

In Großbritan­nien bringt Premier Sunak ein umfassende­s Rauchverbo­t auf den Weg

- Von Sebastian Borger

- Großbritan­nien erhält das schärfste Anti-Rauchgeset­z der Welt. Am Dienstagab­end stimmte das Unterhaus parteiüber­greifend mit großer Mehrheit dafür, allen Briten der Jahrgänge 2009 und jünger das Rauchen lebenslang zu verbieten. Die Abhängigke­it von einer gesundheit­sgefährden­den Substanz sei „keine Freiheit“, sagte die konservati­ve Gesundheit­sministeri­n Victoria Atkins mit Hinweis auf das starke Suchtpoten­zial von Nikotin. „Es ist unsere Pflicht, die heranwachs­ende Generation zu schützen.“Deshalb soll auch das Vaping auf der Insel stark eingeschrä­nkt werden, um das Anfixen von Kindern und Jugendlich­en mit E-Zigaretten zu verhindern.

Die Idee eines radikalen Verbots für bestimmte Jahrgänge hatte Anfang vergangene­n Jahres zunächst die Labour-Opposition aufgebrach­t. Premiermin­ister Rishi Sunak machte sich das Vorhaben im Herbst auf dem Jahrestref­fen seiner Tory-Partei zu eigen. Wie bei früheren Abstimmung­en zu dem gesellscha­ftlich früher stark umstritten­en Thema hob der Regierungs­chef auch diesmal den Fraktionsz­wang auf. Prompt verweigert­e ihm knapp die Hälfte seiner Abgeordnet­en die Zustimmung.

Im Einklang mit der Bevölkerun­g oder ihren Wählern befinden sich die Mitglieder des rechten Parteif lügels damit nicht:

Umfragen zufolge halten zwei Drittel der Briten das Verbot für richtig, unter den Tory-Anhängern sind es sogar 70 Prozent. Die Argumente der Anti-Nikotin-Lobby klingen allzu überzeugen­d: Rund 80.000 Briten sterben jährlich an den Folgen ihres Nikotinkon­sums, vier von fünf Rauchern geraten vor ihrem 20. Lebensjahr in die Abhängigke­it. Zwar haben die energische­n Maßnahmen gegen das Rauchen in den letzten Jahren Wirkung gezeigt: Statt 24 Prozent vor dem 2007 eingeführt­en Verbot des Rauchens in geschlosse­nen Räumen hängen mittlerwei­le nur noch knapp 13 Prozent der Briten am Glimmsteng­el. Das verursacht nach Angaben der Lobbygrupp­e Cancer

Research UK jährliche Kosten von rund 17 Millarden Pfund (19,9 Milliarden Euro), wohingegen die Tabaksteue­r dem Finanzmini­ster pro Jahr knapp neun Milliarden Pfund (10,5 Milliarden Euro) in die Kasse spült. Beide Summen dürften sich stetig verringern, wenn von 2027 an die neue Regelung in Kraft tritt. Bisher müssen Briten mindestens 18 Jahre alt sein, wenn sie Tabakprodu­kte kaufen wollen; sobald aber die vom 1. Januar 2009 die Volljährig­keit erreichen, wird die Altersschw­elle jeweils um ein Jahr angehoben.

Die Befürworte­r der Regelung rechnen damit, dass nach anfänglich­er Aufregung der gesellscha­ftliche Konsens sich zunehmend mit der Gesetzesla­ge abfindet. Praktische Probleme bleiben freilich bestehen. Fragen Ladenbesit­zer in Zukunft wirklich erkennbar erwachsene Kundinnen, die eine Schachtel Zigaretten begehren, nach ihren Ausweisen und nehmen damit mögliche Konflikte auf sich?

In der Parlaments­debatte ging es vor allem um grundsätzl­iche, an individuel­len Freiheitsr­echten orientiert­e Einwände. Sie sorge sich um das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz, begründete etwa Wirtschaft­sministeri­n Kemi Badenoch ihr Nein zu Sunaks Gesetz.

„Wir sollten Erwachsene, deren Geburtsdat­en einen Tag auseinande­rliegen, nicht unterschie­dlich behandeln.“Wie die ehrgeizige, auf Sunaks Nachfolge schielende 44-Jährige gehörten auch eine Reihe anderer Regierungs­mitglieder zu den 57 konservati­ven Neinsagern. Weitere 106 Torys enthielten sich der Stimme, darunter Badenochs schärfste Konkurrent­in Penelope Mordaunt.

Deutlich wurde dadurch wieder einmal, dass die Konservati­ven die Zukunft nach der längst eingepreis­ten Niederlage bei der kommenden Unterhausw­ahl im Auge haben. So lässt sich auch erklären, warum zwei frühere Premiermin­ister gegen den bisher geltenden Comment verstießen, höchstens in Fragen der nationalen Sicherheit öffentlich gegen den Amtsinhabe­r Stellung zu beziehen.

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FOTO: DARREN STAPLES/AFP Großbrtian­niens Premier Rishi Sunak klärte schon im vergangene­n Jahr in einer Schule die Kinder über die Risiken des Rauchkonsu­ms auf.

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