Das neue iPhone Xs
Eine verbesserte Kamera und ein deutlich schnellerer Prozessor – wie schlägt sich das neue iPhone in unserem ausführlichen Test?
„Das iPhone war über lange Jahre der Inbegriff des Smartphones. Seit dem iPhone X gewinnt Apple langsam die Deutungshoheit zurück.“
Selbst wenn wie in diesem Jahr eigentlich alles schon wochenlang bekannt war, echte Überraschungen also ausblieben, ist der „iPhoneTag“dennoch immer ein bisschen wie Weihnachten. Die Tage danach, die des Ausprobierens, Testens und Vergleichens sind nicht minder spannend. Mac-Life-Chefredakteur Sebastian Schack hat genau diese Tage bereits hinter sich und schildert seine Eindrücke des neuen XsModell in diesem Testbericht.
Nach vielen Jahren macht Apple uns Journalisten die Arbeit im September 2018 erstmals wieder etwas leichter. Denn wo es in Vorjahren immer zwei deutlich unterschiedliche iPhone-Modelle gab, gibt es in diesem Jahr genau ein neues Modell – wenn auch in zwei Größen. Das iPhone Xs und das iPhone Xs Max unterscheiden sich in genau zwei Punkten: der Displaygröße und der Akkukapazität. Beides kann man meines Erachtens wie Farbvarianten oder Speichergrößen werten. Dennoch habe ich natürlich beide Geräte getestet. Neben den selbst georderten Geräten stellte mir Apple dafür beide Varianten im neuen Goldton zur Verfügung. Weder Apples erste Gehversuche mit goldenen iPhones noch die folgenden Inkarnationen „Rosé Gold“und „Blush Gold“haben mich besonders gereizt. Das neue Gold ist toll!
Größer ist zu groß
Die erste Runde meiner Alltagstests führte ich mit dem großen iPhone Xs Max durch. Einfach, weil es die interessantere Variante ist, schließlich ist das Format neu, während das des iPhone Xs schon seit einem Jahr bekannt ist. Das große iPhone verfügt über ein qualitativ zum iPhone Xs gleichwertiges „ Super Retina HD Display“, allerdings mit mehr Pixeln, sodass Elemente nicht bloß größer dargestellt werden, sondern auch mehr Informationen angezeigt werden können. Der 6,5 Zoll große Bildschirm beheimatet 2688 x 1242 Pixel bei einer Pixeldichte von 458 Bildpunkten pro Inch (ppi), während das 5,5 Zoll große Display des iPhone 8 Plus „nur“auf 1920 x 1080 Pixel, also auf eine Pixeldichte von 401 ppi kommt. Wirklich interessant werden diese Zahlenspiele, wenn man bedenkt, dass das neue iPhone Xs Max das kleinere Gerät ist: sowohl in der Länge als auch in der Breite konnte Apple rund einen Millimeter einsparen. Dafür ist es minimal dicker (7,7 zu 7,5 Millimeter) und mit 208 Gramm nur 6 Gramm schwerer.
Letzteres ist einer der Gründe, weshalb ich mich am Ende für die kleinere Variante, das iPhone Xs, entschieden habe. Das iPhone Xs Max wiegt so viel wie zwei Tafeln Schokolade und ist auch in etwa so groß. Klar, das gigantische Display fasziniert. Besonders bei der Wiedergabe von Filmen oder bei der Bearbeitung von Fotos unterwegs. Das Format des Geräts sorgt aber auch dafür, dass ich mit ihm in der Hosentasche nicht mehr bequem sitzen kann.
Wenn Sie aber eines der bisherigen Plus-Geräte besitzen und damit glücklich sind, gibt es eigentlich keinen Grund, weshalb Ihnen jetzt nicht auch das iPhone Xs Max mehr zusagen sollte.
Im Übrigen bezeichnet Apple das für Vorder- und Rückseite des iPhone verwendete Glas als das „stabilste Glas in einem Smartphone“. Ich hatte die Chance, mit einem Apple-Mitarbeiter darüber zu sprechen, worauf sich das bezöge. Apple ist der Überzeugung, für diese Geräte das kratzfesteste und bruchsicherste Glas zu verwenden. Nicht nur im Vergleich mit bisherigen iPhones, sondern industrieweit.
Foto-Kamera mit Telefonfunktion und App Store
Nicht erst einmal haben wir uns bei Mac Life gefragt, ob Apple eigentlich noch Smartphones mit Kamera oder schon Kameras mit Smartphone herstellt. Das iPhone ist ohne Zweifel die populärste Kamera der Welt. Da verwundert es nicht, dass Apple Jahr für Jahr einen großen Teil der Präsentationszeit der neuen Geräte dem jeweils aktuellen Kamerasystem widmet. Dieses Jahr war keine Ausnahme. Und zu Recht: die neue iPhone-Generation hat einiges zu bieten.
Während meiner Tests habe ich versucht, möglichst alle Fotos einmal mit einem iPhone Xs und mit meinem iPhone X von 2017 aufzunehmen. Besonders in Situationen mit ungünstigen bis schwierigen Lichtverhältnissen schlägt das neue Gerät das gerade mal ein Jahr alte iPhone X. Manchmal um Längen! Das neue iPhone Xs ist in der Lage, gute Bilder abzuliefern, wo man die Aufnahmen des iPhone X einfach nur wegwerfen kann. Noch krasser werden die Unterschiede, wenn man die neuen iPhones gegen deutlich ältere Modelle, also beispielsweise das iPhone 7 Plus oder das iPhone 6, antreten lässt. Man mag hinterfragen, welches die richtige Generation für einen Foto-Vergleich ist. Dieses Jahr ist diese Frage allerdings gar nicht so entscheidend. Der Sprung in der Bildqualität vom iPhone X zum iPhone Xs ist groß genug, dass er den Neukauf für Fotofreunde rechtfertigt. Für Menschen, die von einem älteren iPhone-Modell umsteigen, sind die Fotos, die das iPhone Xs liefert, eine Offenbarung.
Alle mit dem iPhone Xs und dem iPhone X für diesen Test gemachte Aufnahmen können Sie hier in ihrer unbearbeiteten Form herunterladen: bit.ly/Xs-fotovergleich
Computational Photography
Für das Plus an Bildqualität sorgen signifikante Weiterentwicklungen in Hard- und Software. Hauptverantwortlich ist Apples neuer „ A12 Bionic“-Chip mit einer Machine-Learning-Engine (Apple nennt sie „Neural Engine“), die es in sich hat. Wo die letzte Generation schon mit beeindruckenden 600 Milliarden Rechenoperationen in der Sekunde aufwartete, schafft die aktuelle Generation bis zu 5 Billionen.
Ein Mehr an Power bedeutet aber nicht automatisch, dass die Bilder besser werden. Dafür sorgen darauf aufbauende Technologien wie Apples „ Smart HDR“. Wenn man sich nicht aktiv dagegen entscheidet, dann ist jedes mit einem iPhone Xs geschossenes Foto ein HDR-Bild. Den
Grad der Anpassung steuert das iPhone dabei selbstständig aus. Schlicht unglaublich ist dabei, dass all das live passiert. Apple dürfte damit den meisten Konkurrenten um Jahre voraus sein. Android-Nutzer kennen zwar eine ganz ähnliche Verbesserung der Aufnahmen. Allerdings passiert diese nicht auf dem Gerät selbst, sondern in der Cloud, bei Google. Anders als beim iPhone, das in der Lage ist, die Rohdaten direkt von den Sensoren abzugreifen, übermitteln Android-Fotos allerdings fertige JPEG-Dateien, die weit weniger Optimierungspotenzial bieten. Die einzige Ausnahme sind Googles eigene PixelSmartphones, also die Geräte, bei denen ebenfalls Hard- und Software (mehr oder weniger) aus einer Hand kommen.
Verbesserte Kamera(s)
Ein wichtiger Hinweis in Bezug auf das neue Kamerasystem kam bei der Präsentation etwas zu kurz. Was Apple als „Dual-Kamerasystem“betitelt, ist keine Kamera mit zwei Objektiven. Apple verbaut auf der Rückseite zwei eigenständige Kameras mit eigenen Sensoren. Eine mit einem weitwinkligen und eine mit einem Zoomobjektiv. Der dabei verwendete Sensor ist knapp ein Drittel größer als im iPhone X, wie John Gruber herausfand. Gepaart mit einer nochmals verbesserten Pixeltechnologie sorgt das dafür, dass dieser Sensor 50 Prozent mehr Licht einfangen kann.
Optimiertes Face ID
Auf der eigenen Website bezeichnet Apple Face ID, die Gesichtserkennungstechnologie zum Entsperren des Geräts, als „schneller“oder „weiterentwickelt“. An ein „ 2.0“oder „neue Generation“traut man sich allerdings nicht. Auf Nachfrage erklärte ein AppleMitarbeiter mir, dass man sich mit der Begrifflichkeit in der Tat schwer tue. Beim Sprung von der ersten auf die zweite Touch-IDGeneration habe man ein komplettes Bauteil ausgetauscht. Hinter Face ID stehe aber ein komplexes System, das nicht zuletzt auch mit der „Neural Engine“verknüpft ist. Face ID sei jetzt besser, schneller – aber eben nicht komplett überarbeitet.
Und in der Tat: schneller geworden ist Face ID tatsächlich. Und präziser. Beides allerdings nicht in einem Maße, dass ich von selbst darauf gekommen wäre. Wirklich sichtbar ist es eher im direkten Vergleich mit einem iPhone X. Der „Wow-Effekt“wie eben beim Upgrade von der ersten auf die zweite Touch-ID-Generation bleibt aus. Das ist jedoch kein Drama. Anders als die erste Touch-ID-Generation kam mir Face ID im iPhone X nie zu langsam vor.
Ärgerlich ist, dass Face ID nach wie vor nicht funktioniert, wenn man das iPhone quer hält. Das nervt, wenn man das iPhone auf dem Sofa oder im Bett liegend verwendet und ist der einzige echte Nachteil gegenüber Touch ID. Es zeichnet sich allerdings ab, dass dies ein Problem ist, das die Zeit lösen wird. Der Breitbildmodus des iPhone Xs Max, den wir auch schon von den
Plus-Geräten kennen, und das noch ausstehende iPad Pro mit Face ID brauchen diese Funktion dringend. Umso mehr irritiert, dass Apple dieses Feature nicht schon jetzt im Angebot hat. Bleibt zu hoffen, dass es nicht iPad-Proexklusiv sein wird, sondern dann – per Software-Update – auch auf den iPhone-Xs-Geräten aktiviert wird.
Fast vergessen: iOS 12
Irritierend ruhig war es während Apples Präsentation um iOS 12. Ja, die neue Version des Betriebssystems für iPhone und iPad hat vergleichsweise wenig Neues zu bieten. Ganz unter den Tisch fallen lassen sollte man das Update trotzdem nicht. Denn die Funktionen, die neu sind, haben es teilweise wahrlich in sich.
Der donnerndste Applaus gebührt Apple für echte Performance-Verbesserungen. Und zwar welche, die sich auch und besonders bei älteren Geräten bemerkbar machen. Die KameraApp startet bis zu 70 Prozent schneller, das Keyboard ist bis zu 50 Prozent schneller einsatzbereit. Und das gilt für alle Modelle bis zurück zum iPhone 5s, das 2013, also vor fünf Jahren, vorgestellt wurde. Das ist tatsächlich mal eine Form der Produktpflege, wie man sie sich wünscht. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass Apple diesen Aspekt zuletzt auch hinreichend vernachlässigt hatte. Nicht ohne Grund kamen immer wieder Gerüchte auf, Apple würde alte Geräte absichtlich langsamer machen, damit Kunden schneller neue iPhones kaufen würden. Davon übrig blieb am Ende vor allem der Eindruck schlechter Unternehmenskommunikation rund um die Akku-Thematik. Umso besser für Apple trotzdem, dass man auch in diesem Bereich für positive Schlagzeilen sorgen kann.
Angstmacher Bildschirmzeit
Auf die Funktion „Bildschirmzeit“habe ich mich am meisten gefreut und gleichzeitig habe ich am meisten Angst vor ihr gehabt. Das entpuppte sich schon während der Beta-Phase von iOS 12 mindestens in Teilen als berechtigt. „Bildschirmzeit“hilft dabei, den Überblick über die Nutzung von iPhone und iPad zu behalten. Welche Apps nutzt man wirklich regelmäßig und wie lange? Zum Glück hielt „Bildschirmzeit“dort keine echten Überraschungen für mich bereit. Außer bei der Anzahl der Aktivierungen.
144 Mal pro Tag greife ich zum iPhone? Puh.
Dabei helfen könnten zwei weitere Funktionen, die Neuerungen erfahren haben. „Nicht stören“beispielsweise kann jetzt automatisch aktiviert werden, während die Schlafenszeit (die man in der Uhren-App setzen kann) aktiv ist. In diesem Zeitraum eingehende Benachrichtigungen werden auf dem Sperrbildschirm nicht angezeigt. Dafür wird man am nächsten Morgen mit einem Lock-Screen begrüßt, der einem per einfachem Tap Zugang zu allen verpassten Nachrichten gewährt.
Apropos Benachrichtigungen: diese können jetzt direkt aus dem Sperrbildschirm verwaltet werden. Sie haben eine Benachrichtigung einer App erhalten, von der Sie eigentlich nichts mehr wissen wollen? Einfach von rechts nach links über die Benachrichtigung wischen und über „Verwalten“festlegen, wie Ihr iPhone fortan damit umgehen soll.
Der Preis ist … abschreckend?
Noch nie zuvor war es teurer, ein iPhone sein Eigen zu nennen. Das iPhone Xs startet bei 1.149 Euro, das iPhone Xs Max bei 1.249 Euro
und selbst das günstige und im Oktober folgende iPhone Xr ist mit einem Einstiegspreis von
850 Euro kein Schnäppchen.
Das ist genau der Preis, für den Apple das damalige Top-Modell iPhone 6s Plus 2015 ins Rennen schickte. Seither kannte die Preisentwicklung nur eine Richtung – nach oben. Spätestens seit Apple die Schallmauer von 1.000 Euro durchbrochen hat, bleibt das auch niemandem verborgen.
Persönlich hatte ich die Erwartung, dass das iPhone X im letzten Jahr ein Ausreißer war. Auch um klar zu machen, dass es sich hierbei um ein Gerät „aus der Zukunft“handelt. Dass Apple die Preise 2018 nochmals anzieht, ist keine echte Überraschung, irritiert aber zumindest. Auch wenn bei dem Glauben an Preisstabilität oder gar einer Anpassung nach unten vielleicht der Wunsch Vater des Gedanken gewesen sein mag.
Hierzu passt aber eine Aussage von Lisa Jackson, Vizepräsidentin für Umwelt, politische und soziale Initiativen bei Apple, während der iPhone-Präsentation. Apples Kunden würden ihre iPhones immer länger nutzen. Außerdem sei es ein Ziel Apples, dafür zu sorgen, dass genau das möglich ist. Mit Geräten, die länger halten und Software, die länger Spaß macht. Aber was ist die Kehrseite der Medaille? Wenn die Kunden ihre Geräte länger nutzen, ergo: selten neue kaufen, bleibt Apple als Hersteller doch nur ein Weg, um die Gewinne hochzuhalten – höhere Preise.
Für Fans, die jedes Gerät haben müssen, wird damit alles teurer (wobei natürlich auch die Wiederverkaufspreise steigen). Aber Otto-Normal-Verbraucher, die bislang alle zwei Jahre oder noch seltener ihr Smartphone ausgetauscht haben, können diese Perioden jetzt noch mehr ausdehnen. Über eine dann vielleicht vierjährige Nutzungsdauer des iPhone zahlen sie dann unter Umständen sogar weniger als zuvor, nämlich, als sie sich genötigt sahen, schon nach zwei oder drei Jahren ein neues iPhone zu kaufen.
Apples Preise sind hoch. Sehr hoch. Da gibt es keine Diskussionen. Unter dem Strich und unter Einbezug sämtlicher Aspekte gibt es dabei aber eben auch auf Kundenseite nicht nur Verlierer.
Fazit
Ziel dieser ausgiebigen Testberichte ist es, immer auch eine Kaufempfehlung abzugeben. Genau das aber fällt in diesem Jahr schwer. Denn noch warte ich auf das iPhone Xr. Auf dem Papier ist es für viele Menschen die richtige Wahl. Vor allem wenn man noch nicht in den Genuss eines iPhone X mit OLED-Display gekommen ist.
Im Vergleich zum iPhone X ist das Xs mehr als eine solide Weiterentwicklung, besonders mit Blick auf das Kamersystem. Wenn Fotografie ein wichtiges Argument für Ihre Smartphone-Wahl ist, dann müssen Sie nicht auf meinen Test zum iPhone Xr warten und können, so der Geldbeutel es erlaubt, ohne Bedenken beim iPhone Xs oder iPhone Xs Max zuschlagen.
Im Vergleich zu Modellen, die älter als die 8er-Generation sind, ist der Sprung in jeglicher Hinsicht noch gigantischer.
„Das iPhone Xs ist ein klassisches S-Update mit einem schnellerer Prozessor und einer verbesserten Kamera. Nur die neue Displaygröße beim Xs Max ist eine echte Superlative. Mir persönlich ist das Max aber zu groß. Wirklich große Neuerungen gibt es dann erst wieder nächstes Jahr. Hoffentlich räumt Apple dann 2019 auch mit diesen grausamen Namen auf.“