Interview mit Kai Sostmann, Facharzt Kinder- und Jugendmedizin
»Für den Amateurbereich ist das iPhone geeignet, auf professioneller Ebene sind die Daten jedoch zu ungenau.«
Seit wann werden das iPhone und damit verbundene Geräte und Gadgets sowie Apps von Medizinern als seriöse Werkzeuge betrachtet? Smartphones und deren Anwendungen werden durch Ärzte schon länger als Dosiskalkulatoren und Wissensdatenbanken eingesetzt, das ging sehr schnell und ist für uns aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Dabei geht es aber zumeist um Wissensmanagement und schnelle Verfügbarkeit von medizinischen Fachinformationen.
Eine ernstzunehmende Akzeptanz unter Ärzten gibt es seit circa zwei Jahren. Als seriöses Werkzeug im Zusammenhang mit Patienten gilt das Smartphone allerdings nur, wenn die App oder das Gadget als medizinisches Produkt zertifiziert sind und ein Nachweis ihrer Nützlichkeit erbracht wurde. Apps, die das mit sich bringen, sind aber verschwindend wenige.
In welchen Bereichen wird das iPhone bereits eingesetzt?
In der Kinderheilkunde haben wir gerade eine App entwickelt und erproben diese bei Kindern mit chronischen angeborenen Erkrankungen. Gerade bei psychischen Erkrankungen haben sich Apps immer wieder als hilfreiche Begleiter erwiesen, etwa um die Eltern chronisch kranker Kinder psychologisch zu unterstützen. Patienten mit komplexen chronischen Erkrankungen können in dem Verständnis ihrer Erkrankung unterstützt werden.
Momentan dienen die meistens Apps aber als Medikamenten-Wecker – sie erinnern die Patienten an die Einnahme ihrer Medikamente. Krankenkassen nutzen Fitness-Apps für ihre Bonusprogramme. Patienten mit komplexen Erkrankungen – zum Beispiel jene, die eine Organtransplantation hinter sich haben – können in ihrer Therapie durch Apps unterstützt werden, um eine bessere Organfunktion zu gewährleisten und eine Abstoßung zu vermeiden. Patienten mit Cochlea-Implantaten trainieren mit einer App ihre Hörleistung. Und tatsächlich gibt es schon seit einigen Jahren mit Caterna die erste App auf Rezept, die junge Patienten mit Sehstörungen unterstützt.
In welche Aufgaben könnten Sie sich iPhone und Co. in naher Zukunft im medizinischen Bereich vorstellen? Unter den Gadgets sind sicherlich mobile Messgeräte für den ärztlichen Bereich interessant – beispielsweise ein bereits jetzt existenter, in das iPhone als App integrierter Sauerstoffmesser. Auch die Smartwatches, die Herzfrequenzen und etwaige Unregelmäßigkeiten abnehmen, werden interessant, wenn die Sensoren so klein und zuverlässig werden, dass man diesen Geräten Messungen auf dem notwendig zuverlässigen medizinisch exakten Niveau anvertrauen kann.
Das ist momentan das Hauptproblem all dieser Geräte: Für den Amateurbereich messen sie gut, aber auf professioneller Ebene sind die Daten zu ungenau. Das zeigen auch Auswertungen der Schrittmesser, die teilweise um Zehnerpotenzen voneinander abweichen – wie soll das bei der Ableitung von Herzströmen besser funktionieren?
Gibt es einen direkten Draht zu Apple? Oder sind Sie letztlich ein Kunde wie jeder andere auch?
In den USA hat Apple eigene Programme mit Gesundheitsanbietern aufgelegt. Außerdem werden Forschungsprogramme unterstützt, die die Auswertung von klinischen Studien zum
Ziel haben. Generell gibt es auf der Ebene darunter aber keinen direkten Austausch mit Ärzten. Das HealthKit und das ResearchKit sind als AppEntwicklungsumgebungen Apples Antwort auf diese Fragen.