Die Sache mit der Maus
Seit Jahren behauptet Apple, dass das iPad Pro ein echter Ersatz für einen Laptop sei – doch bisher musste das MacBook nicht wirklich zittern. Ändert die neue Trackpad- und Mausunterstützung für iPadOS daran etwas?
Das iPad Pro ist technisch mit seinem schnellen Prozessor vielen Computern mindestens ebenbürtig. Und auch an der Software schraubt Apple seit mehreren Jahren kräftig, um die Lücke zum MacBook zu schließen. Inzwischen gibt es mit iPadOS sogar ein eigenes Betriebssystem – zuvor musste sich das Tablet dieses mit dem iPhone teilen. Natürlich handelt es sich dabei keineswegs um eine komplette Neuentwicklung, und das System beruht noch immer auf iOS. Aber iPadOS ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Abgrenzung von einem Smartphone.
Im Marketing strebt das iPad Pro in Richtung Mac. So verkauft Apple das aktuelle iPad Pro unter der Überschrift „Dein nächster Computer ist kein Computer“.
Trackpad und Maus am iPad
Und was braucht ein „echter“Computer? Richtig: eine Maus und/oder ein Trackpad. Und genau einen solchen Mauszeiger erhält das iPad (nicht nur das Pro!) mit dem Update auf iPadOS 13.4. Schon zuvor war eine rudimentäre Zeigersteuerung im Betriebssystem implementiert; diese war aber in den Bedienungshilfen angesiedelt und nicht mit einem vollwertigen Mauszeiger zu vergleichen.
Passend zu den Änderungen in der Software stellte Apple mit dem aktuellen iPad Pro auch ein neues Tastatur-Cover vor. Neben einem neuen Design, verbesserten Tasten und integrierter Beleuchtung ist das nun integrierte Trackpad wohl die größte Neuerung des Magic Keyboard. In unserem Test des neuen Tastatur-Covers von Apple kommen wir zu dem Schluss, dass das Magic Keyboard mit Trackpad zwar ein tolles und hochwertiges Zubehör ist, mit seinem Preis von mehr als 300 Euro aber definitiv kein Pflichtkauf.
Denn auch ohne das Magic Keyboard ist es problemlos möglich, die Trackpad- und Mausunterstützung ab iPadOS 13.4 zu testen – man benötigt lediglich eine einfache Bluetooth-Maus. Daher haben wir unser MacBook Pro für mehrere Tage in den Schrank verbannt, uns das neue iPad Pro geschnappt und eine Magic Mouse 2 sowie ein Magic Keyboard 2 damit per Bluetooth gekoppelt. Das iPad setzten wir für den Testzeitraum als unser Arbeitsgerät in der Redaktion ein; es musste alle Herausforderungen meistern, die sonst das MacBook Pro gestemmt hätte.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es nicht das iPad Pro hätte sein müssen: Der Trackpad-Support ist auch ab dem iPad Air 2, dem iPad der fünften Generation und dem iPad mini 4 verfügbar.
Vertraut und doch fremd
Wer nach der Kopplung der Maus oder des Trackpads den gewohnten Mauszeiger erwartet, der sucht diesen leider vergeblich. Bewegt man das Eingabegerät, erscheint stattdessen ein transparenter, kleiner Kreis. Nutzt man Maus oder Trackpad einige Sekunden nicht, verschwindet dieser automatisch wieder. Obwohl also der klassische Mauszeiger fehlt, gewöhnt man sich schnell an die neue Form. Was
seit Jahrzehnten am Mac eingeübt ist, fühlt sich am iPad – auch in abgewandelter Gestalt – sehr bekannt an.
Einzig an eine weitere Besonderheit des Zeigers in iPadOS muss man sich anfangs gewöhnen: Der Kreis verschwindet nämlich, sobald man durch das Dock navigiert oder sich einer Schaltfläche nähert. Die entsprechenden Elemente werden dann größer und dadurch hervorgehoben. Apple versucht hier einen Kompromiss zwischen einem Betriebssystem für Touchdisplays und der Mausunterstützung zu finden. Insgesamt fühlt sich der neue Zeiger damit eher wie ein virtueller Finger, denn ein klassischer Mauszeiger an. Wer sich gar nicht mit dieser Besonderheit anfreunden kann und lieber dauerhaft den Kreis sehen möchte, der darf diese Funktion in den Einstellungen deaktivieren.
Deutlich schnelleres Arbeiten
Auch wenn das iPad seit einigen Jahren immer mehr Funktionen erhält, die es dem Mac annähern, und besonders das iPad Pro für professionelle Apps wie geschaffen scheint, war die Eingabe per Berührung und Apple Pencil nie so schnell wie die Maus am Mac. Spätestens bei einer komplexen Tabellenkalkulation griff man bisher nur im Notfall zum iPad, denn wer einmal versucht hat, die richtige Zeile oder Spalte mit dem Finger zu treffen, der weiß, wie nervig sich dies darstellte.
Mit der neuen Maussteuerung gehört dieser Punkt der Vergangenheit an. Doch nicht nur in Office-Programmen ist man nun am iPad schneller unterwegs, auch fast alle anderen Apps und Aufgaben sind deutlich flotter bedienbar. Besonders im Hinblick auf das neue Magic-Keyboard-Cover mit Trackpad kann man schnell vergessen, dass man eigentlich an einem Tablet und nicht an einem Laptop sitzt. Denn sobald das neue Cover per Magnet mit dem iPad Pro verbunden ist, sieht es einem kleinen MacBook zum Verwechseln ähnlich – zumindest lassen dies die Pressefotos von Apple vermuten.
Es gibt noch offene Punkte
Doch auch wenn Apple mit der Mausunterstützung für das iPad dem klassischen Bedienkonzept des Mac deutlich näher gekommen ist und die Geschwindigkeit der täglichen Arbeit zunimmt, gibt es noch immer Punkte, die fehlen. So unterstützen noch nicht alle Apps den neuen Mauszeiger vollständig: Während
Apple selbst die iWork-Suite inzwischen aktualisiert hat, ist es in anderen Office-Anwendungen teilweise noch nicht möglich, Text mit dem Cursor zu markieren, und die Multi-Touch-Gesten des Magic Trackpad funktionieren auch noch nicht in jeder App.
Auch der eigentliche Zeiger, der „iPad-Kreis“also, ist noch nicht frei von Fehlern: Manchmal taucht er nämlich plötzlich auf, obwohl gar keine Maus mehr mit dem iPad verbunden ist – oder er verschwindet, obwohl er eigentlich gerade gebraucht wird. Mit kommenden Updates wird Apple diese Fehler aber sicher beheben.
Negativ aufgefallen ist uns außerdem die fehlende Unterstützung für ältere Eingabegeräte: Mit einem Apple Trackpad der ersten Generation (mit Batteriefach) konnten wir zwar den Zeiger steuern, jedoch nicht scrollen. Hoffentlich bessert Apple auch an diesem Punkt noch nach.
Fazit
Apple geht einen anderen Weg als Microsoft: Windows 10 ist ein Desktop-Betriebssystem mit Touchfunktion, iPadOS ist nun ein Touch-Betriebssystem mit Desktopfunktionen. Und auch wenn Apple damit erst am Anfang steht, lässt sich jetzt schon sagen: Beide Wege scheinen legitim.
Wer sein iPad mit einer Maus bedienen möchte, kann dies nun tun und arbeitet damit in vielen Apps und Arbeitsabläufen deutlich schneller als zuvor. Das iPad bleibt aber auch mit Maus- und Trackpadunterstützung ein Tablet. Ob ein solches ein MacBook ersetzen kann, hängt immer noch vom Einsatzzweck ab.
Wer mit einem Computer eigentlich nur im Internet surft, ein bisschen Textbearbeitung betreibt und Serien bei Netflix ansieht, der sollte ein iPad als Alternative in Betracht ziehen.
Für diese Zielgruppe muss der nächste Computer wirklich kein Computer mehr sein. Wer mit seinem Gerät hingegen seinen Lebensunterhalt verdient und professionelle Software jenseits von Office und Co. einsetzt, der fährt weiterhin mit dem Mac gut – Maussteuerung hin oder her.
»Apple benutzt den Begriff ,Magic' etwas inflationär. Was genau soll an einer Tastatur magisch sein? Ihr Preis?«