Apple Watch 6 im Test
Die neue Apple Watch Series 6 strotzt nicht unbedingt vor Neuerungen – und verteidigt trotzdem die Spitzenposition unter den Smartwatches.
Kann Apple mit der inzwischen sechsten Version seiner Armbanduhr überzeugen?
Machen wir uns nichts vor: Niemand musste bei der Präsentation der sechsten Generation der Apple Watch in spontanen Jubel ausbrechen oder gar in Ekstase verfallen. Vielleicht sollte man ohnehin sein Leben überdenken, wenn einem so etwas (wiederholt) beim Anblick von Technik widerfährt.
Aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Denn natürlich gibt es auch zu diesem neuen Modell der Apple Watch eine Menge zu erzählen. Langweilig wird es höchstens, wenn man bereits eine Apple Watch Series 5, also eine Apple-Smartwatch aus dem Vorjahr, besitzt. Doch schon, wenn man „nur“eine um ein Jahr ältere Uhr, eine Apple Watch der vierten Generation also, sein Eigen nennt, hat das neueste Modell gleich mehrere interessante Funktionen zu bieten.
Design ist alles
Tatsächlich ist das Aussehen bei wohl keinem Apple-Produkt so wichtig wie bei der Apple Watch. Ja, es ist toll, dass Apples MacBooks auch optisch zu punkten wissen. Aber letztlich handelt es sich um „schnöde“Laptops, deren Funktionalität deutlich im Vordergrund steht. Das iPhone verschwindet bei den meisten Menschen sowieso in einer Hülle – und ganz ähnlich geht es wohl oft auch dem iPad. Die Set-Top-Box
Apple TV versteckt sich gar in vielen Fällen hinter dem Fernseher oder in einem TV-Möbel. Die einzigen Ausnahmen bilden (der jeden Raum dominierende) iMac – und die Apple Watch.
Letztere könnte noch so großartig sein – sähe sie schäbig aus oder ließe sie sich nicht gut mit verschiedenen Kleidungsstücken kombinieren, Apple würde sie nicht im Ansatz so millionenfach verkaufen, wie es derzeit der Fall ist.
Die smarte Apple-Uhr ist eben trotz aller in den vergangenen Jahren hinzugewonnenen Selbstständigkeit nach wie vor auch ein Accessoire. Und zwar nicht nur ein technischer Begleiter zum iPhone, sondern auch ein modisches Accessoire. Und mit dem aktuellen klotzigen Design eines abgerundeten Rechtecks hält Apple noch immer viele potenzielle Käufer davon ab zuzugreifen.
Apple tut also gut daran, mit Materialien und Farben zu spielen und neue Kombinationen auszuprobieren. In diesem Jahr hat man dem hauseigenen Designteam dabei offenbar besonders freie Hand gelassen. Das Aluminiumgehäuse der Apple Watch gibt es nun in gleich zwei neuen Farben: Neben den bekannten Varianten in Silber, Gold und „Space-Grau“kann man nun auch Rot und Blau wählen.
Der Blauton orientiert sich dabei in Richtung „Navy“oder „Ultramarin“, wohingegen das Rot ein klassisches „(Product) Red“-Rot diverser iPhone-Modelle widerspiegelt.
Viele können sich vielleicht nicht vorstellen, stets und ständig mit einer knallroten Uhr am Handgelenk durchs Leben zu gehen, aber sie wird sicher ihre Käufer finden. Und wer sich für das rote Modell entscheidet, tut dabei schließlich auch noch etwas Gutes. Das 2006 unter anderem von U2-Frontmann Bono ins Leben gerufene Label funktioniert so: Unternehmen bringen Produktvarianten als „(Product) Red“auf den Markt und führen einen Teil der erzielten Gewinne an einen globalen Fonds, der sich für die Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria einsetzt, ab.
Farblich nichts geändert hat sich bei den Luxusmodellen: Die Apple Watch Hermès, die vor allem mit ihren ausgefallenen Lederarmbändern besticht, gibt es nach wie vor mit einem Edelstahlgehäuse in Silber oder „Space-Schwarz“. Die Apple
Watch Edition kommt weiterhin mit einem Titangehäuse, wahlweise in (Titan-)Grau oder ebenfalls in Space-Schwarz. Lediglich bei der „Mittelklasse-Apple-Watch“mit Edelstahlgehäuse, aber ohne Hermès-Armband, hat sich etwas getan.
Graphit ist das neue Schwarz
Der Edelstahl-Smartwatch nämlich hat Apple das schwarze Gehäuse gestrichen. An seiner statt rückt jetzt der Farbton „Graphit“neben das klassische Duo aus Silber und Gold. Bei der Wahl unseres neuen täglichen Begleiters am Handgelenk haben wir uns für genau dieses Modell entschieden, hatten wir in den Jahren zuvor doch immer auf das schwarze Modell gesetzt.
Das Graphit-Gehäuse ist deutlich heller als die schwarze Behausung der Apple Watch Series 5.
Der Farbton ist aber unter realen Lichtbedingungen wiederum nicht so hell, wie Apples Produktfotos es vermuten lassen. Und auch auf unseren Fotos ist die Realität nur unzureichend abzubilden. Es nützt nichts: Wenn man sich für die Graphit-Uhr interessiert, muss man sie sich im Apple-Ladengeschäft mit eigenen Augen ansehen.
Aber vielleicht hilft es zumindest etwas, die Gehäusefarbe mit der anderer Apple-Geräte zu vergleichen. So ist die graue Rückseite eines iPhone 6 merklich heller und die graue Rückseite eines iPhone 11 Pro etwas dunkler. Je nach Lichteinfall ist das Graphit etwas heller oder dunkler als das Gehäuse eines aktuellen MacBook Pro in der Farbvariante SpaceGrau. Dabei wiederum täuscht schnell der Umstand, dass das MacBook-Pro-Gehäuse matt, das Gehäuse der Uhr allerdings glänzend poliert ist.
Der neue Farbton bringt einen interessanten Vorteil mit sich: Er lässt sich besser mit einer Vielzahl an farbigen Armbändern kombinieren. Mit dem glänzenden silbernen Edelstahlgehäuse der Series 5 hatten wir beispielsweise das Problem, dass dunkle Armbänder schnell „falsch“aussahen. Andersherum funktionierten etwa cognacfarbene Lederarmbänder überhaupt nicht mit dem schwarzen Edelstahlgehäuse. Graphit ist hingegen deutlich flexibler einsetzbar. Selbst, dass die Adapter zur Montage eines Armbands farblich nicht ganz passen (so geht es uns etwa mit unserem Lederarmband aus der „Zürich“-Kollektion von Bandwerk), fällt nur auf, wenn man darauf achtet. Für Puristen bleibt es ein No-Go. Für Pragmatiker, die zwar diese neue Uhr, nicht aber für dreistellige Beträge neue Armbänder kaufen möchten, ist dieser Umstand sicherlich kein großes Thema.
Und noch einen weiteren Vorteil hat das Graphit-Gehäuse zu bieten: Es wirkt aufgrund seines polierten Äußeren deutlich edler als die schwarze Series-5-Uhr, ist gleichzeitig aber deutlich dezenter als die Edelstahlvariante.
Das Glas-Rätsel
Auf eine weitere Äußerlichkeit geht Apple bei der Vermarktung der Apple Watch Series 6 bemerkenswerter Weise überhaupt nicht ein. Bei vorherigen Generationen der Smartuhr wies man stets darauf hin, dass das Display der Aluminum-Variante durch ein „Ion x Glas“geschützt sei, während bei den höherwertigen Uhren eine Abdeckung aus Saphirglas zum Einsatz käme. In den technischen Spezifikationen zur Series 6 ist davon nichts mehr zu lesen. Tatsächlich ist aber alles beim Alten geblieben.
Und diese Information ist wichtig, kann sie doch letztlich ausschlaggebend bei der Modellwahl sein. Denn schließlich verfügen die beiden Materialien über unterschiedliche Eigenschaften: Das Ion-x-Glas ist vor allem flexibler, was bedeutet, dass es Stürze und Stöße besser absorbieren kann als das steife Saphirglas, das wiederum kratzresistenter ist. Fällt die Uhr mit der Glasfläche nach unten auf einen harten Untergrund, ist die Chance beim Ion-x-Glas somit größer, nicht zu reißen oder gar zu zerspringen. Dafür wird man unweigerlich früher oder später feine Kratzer auf der Oberfläche bemerken.
Ein uneingeschränkter Vorteil des Ion-x-Glases ist, dass es signifikant leichter und günstiger in der Herstellung ist. Kein Wunder also, dass Apple es bei den günstigeren Uhrenmodellen (Apple Watch Series 6 Aluminium und Apple Watch SE) zum Einsatz bringt.
Während sich bei den zur Auswahl stehenden Gläsern im Vergleich zur Vorserie nichts getan hat, hat Apple sehr wohl am darunterliegenden Display geschraubt. Der „Always-on Retina“-Bildschirm der Series 6 leuchtet nämlich 2,5mal heller als der der Series 5. Unserer Meinung nach ist diese Ergänzung vollkommen ohne Belang, wenn man sich in Gebäuden aufhält. Draußen bei vollem Sonnenschein aber ist die Apple Watch 6 auch dann noch bestens ablesbar, wenn sich die Series 5 schon längst in eine einzige Reflektorfläche verwandelt hat.
Die richtige Größe
Eine Frage, die uns kaufwillige Apple-Watch-Interessenten häufiger stellen, ist die nach der zu wählenden Größe. Wir machen es kurz: An dieser Stelle müssen wir passen und können keine klare Empfehlung aussprechen. Grundsätzlich gilt, dass die kleinere Apple Watch mit ihrem Durchmesser von 40 Millimetern an sehr breiten Handgelenken oft unelegant aussieht, während die große Variante (Durchmesser: 44 Millimeter) an sehr zierlichen Armen schnell clownesk wirkt. Doch das bleibt letztlich Geschmackssache.
Eine Uhr, die längst schon weitaus mehr als nur eine Uhr war, wird jetzt noch mehr. Apple hat die Zeichen der Zeit erkannt und setzt nun vollends auf Sport und Gesundheit zur Vermarktung der Apple Watch und scheint so der Smartwatch-Konkurrenz zumindest kurzzeitig zu enteilen.